Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

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Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel


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sein Hauptziel aus dem Sinn: festzustellen, ob es die vom Orden der Zeitchirurgen noch gab und wenn, sie zu bekämpfen – sowie nach Spuren seines Volkes zu suchen und Ermittlungen über die Zeitschule von Rhuf anzustellen, an der er vor vielen Jahrtausenden oder Jahrhunderttausenden ausgebildet worden war.

      Ich rappelte mich auf, stakste durch die trockenen Pflanzenfasern, die den Boden des Zimmers kniehoch bedeckten und früheren Bewohnern wahrscheinlich als Schlafpolster gedient hatten, und blickte durch eines der Fenster.

      Mich fror.

      Aber nicht etwa, weil die Temperatur hier drinnen zu niedrig gewesen wäre. Mich fror, weil mich der Anblick erschütterte, der sich meinen Augen bot.

      Das war die Stadt Barquass, zweifellos.

      Aber es war nicht die Stadt Barquass, wie ich sie bei meiner ersten Ankunft kennen gelernt hatte, und auch nicht die, die sie noch vor zirka sechs Wochen gewesen war.

      Mit ihr hatte sie ungefähr soviel gemein wie ein Skelett mit dem springlebendigen Lebewesen, das es einmal gewesen war.

      Barquass war tot und leer – und zur Zeit war es außerdem noch dunkel.

      Ich kam mir verlassen und nutzlos vor.

      Ich hämmerte mit den Fäusten gegen das Glasplastik des Fensters.

      »Guray!«, schrie ich. »Melde dich! Ich bin es, Anima! Ich will dir helfen. Was ist mir dir los? Warum schweigst du? Ich weiß doch, dass du da bist.«

      Es war zwecklos.

      Ich schluchzte.

      Es war mir unbegreiflich, warum sich Guray nicht meldete. Er musste doch inzwischen genau wissen, wer ich war und dass er von mir nichts zu befürchten hatte. Außerdem war er allgegenwärtig. Er steckte in Pflanzen, Tieren, Felsen und Gebäuden – zumindest aber in einem Teil dessen, was den Planeten Barquass bedeckte.

      Im Grunde genommen war Guray groß und mächtig, aber sein Mut war so klein wie der einer Maus in einem Tigerkäfig.

      Trotz packte mich.

      Ich spie gegen die Fensterscheibe (vielleicht war sie auch ein Teil von Guray). Erschrocken rieb ich den nassen Fleck mit dem Ärmel trocken. Ich wollte Guray ja nicht kränken.

      Verbittert starrte ich hinaus, über die künstlichen Hügel der Gebäudekomplexe, die sich hier im Zentrum der Stadt teilweise bis zu tausend Metern hoch auftürmten. Aus zahlreichen Fenstern fiel bleicher Lichtschein. Aber es wäre ein Trugschluss gewesen, dort Bewohner zu vermuten. Alle Piraten und auch alle anderen Bewohner hatten die Stadt und den Planeten verlassen, als Guray sie nicht mehr daran hinderte.

      Ich hatte gleich gewusst, was die unheimliche Stille zu bedeuten hatte, die sich damals über den Planeten gelegt hatte. Es war die Stille der Atemlosigkeit von Guray gewesen – und atemlos war Guray geworden, weil ihn ein mächtiger psionischer Impuls aus dem All erreicht hatte.

      Der Impuls, der den Beginn der Entscheidungsschlacht zwischen EVOLO und dem Erleuchteten ankündigte und damit das große Spiel um Gurays Schicksal.

      Denn eines war sicher.

      Wer immer diese Schlacht für sich entschied, der würde nach Barquass kommen, um auch hier zu triumphieren und in gewisser Weise den Kampf zu beenden, der vor unendlich langer Zeit zwischen Hartmann vom Silberstern und Vergalo getobt hatte.

      Ich war bereit, das Panier aufzunehmen, das meinem sterbenden Ritter damals entglitten war – und ich war bereit, zu siegen oder zu sterben.

      Etwas polterte.

      Ich fuhr herum.

      In meinem Bewusstsein jagten sich die Gedanken.

      Ich erinnerte mich, dass ich über Treppen und Treppchen, Gassen und Gässchen, Brücken und Brückchen an diesen Ort gekommen war. Eines der krummen Treppchen endete genau vor der Wohneinheit, in der ich mich befand – und sie war schadhaft, so dass ich auf ihr gestrauchelt war. Dabei hatte ich ein polterndes Geräusch verursacht.

      So eines, wie ich es jetzt gehört hatte!

      Jemand war draußen!

      Ich schrie, stürmte auf die Tür los, riss sie auf und sprang den Feind an, der sich über die Treppe angeschlichen hatte, um mich meuchlings zu ermorden.

      Allerdings war der Feind nicht nur unsichtbar, sondern auch masselos, so dass ich durch ihn hindurchfiel und ziemlich albern auf den Stufen landete.

      Es raubte mir die Fassung.

      Als ich wieder zu mir fand, saß ich auf der schmalen, krummen Treppe und lachte hysterisch.

      Ich war auf einen eingebildeten Feind hereingefallen.

      Mein Lachen blieb mir in der Kehle stecken, als ich schräg über mir zwei glühende Kohlen grünlich in der Dunkelheit glimmen sah.

      Ein Dämon!

      Ich rührte mich nicht, sondern durchbohrte die Dunkelheit mit den Blicken – und senkte beschämt den Kopf, als ich feststellen musste, dass der vermeintliche Dämon ein Nachtvogel war, der mit aufgeplustertem Gefieder auf dem wackligen Treppengeländer hockte und mit riesigen Pupillen das Restlicht verstärkte.

      Unwillkürlich musste ich an Urg denken, den großen flügellosen Vogel, dem ich damals, als Guray verrückt spielte, begegnet war. Es gab ihn nicht mehr. Manchmal war ich in den letzten Wochen versucht gewesen, den Keller aufzusuchen, in dem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Ich war immer wieder davon abgekommen. Zu groß war die Angst vor einer Enttäuschung gewesen, denn ich hatte damals gesehen, dass Urg nicht in die Kornkiste zurückgeklettert war, wie er mich hatte glauben machen wollen, sondern dass er sich dicht davor in Luft aufgelöst hatte.

      Was das bedeutete, war eigentlich völlig klar. Aber ich wollte es nicht wissen.

      Wieder polterte es.

      Ich sprang hoch und blickte mich um, am ganzen Körper zitternd vor Zorn, Furcht und Enttäuschung.

      Die gewundene Treppe, auf der ich stand, löste sich aus ihren Halterungen und schwankte zirka zwanzig Meter weit nach rechts. Dadurch verlor sie den Kontakt mit dem Mauerwerk der anliegenden Wohneinheiten.

      Ich stand plötzlich auf einem schwankenden, knarrenden und verdächtig knacksenden Gebilde – ungefähr hundert Meter über den flachen Dächern der tiefer liegenden Wohnkomplexe.

      Und plötzlich verflogen der Zorn, die Furcht und die Enttäuschung.

      Ich hörte und sah nichts mehr von den »normalen« Wahrnehmungen, sondern spürte nur mit übersinnlicher Eindringlichkeit die unmittelbare Nähe Gurays.

      »Ich verstehe dich!«, rief ich laut, obwohl ich wusste, dass er der akustischen Wahrnehmung nicht bedurfte. »Du bist für mich wie ein Bruder.«

      Ein Wetterleuchten tanzte lang anhaltend über einen Horizont. Unheimlich langsam schwang die Treppe zurück und rastete in ihren Halterungen ein.

      Ich stürzte und blieb liegen – und versuchte, das geistig zu verarbeiten, was gleichzeitig mit dem Wetterleuchten auf mich eingestürmt war.

      Der mentale Schrei Gurays, der seine Angst vor EVOLO ausdrückte, die Angst vor dem Geschöpf der Finsternis, das über den Erleuchteten gesiegt hatte und nunmehr die letzten Hindernisse beseitigen wollte, die seiner Ausbreitung im Wege zu stehen schienen.

      *

      Nur allmählich beruhigte ich mich wieder.

      Seltsamerweise war es nicht etwa neuerwachte Hoffnung, die mir meine ruhige Überlegung zurückgab. Ganz im Gegenteil, es war die sichere Gewissheit des Ausgeliefertseins an den Sieger der kosmischen Auseinandersetzung.

      Die Lage war so schlimm, dass sie nicht mehr schlimmer werden konnte.

      Das dachte ich jedenfalls, bis ich die Wiederholung jenes Schreies hörte, der mich erst vor kurzem aus dem Schlaf gerissen hatte.

      Und als mir klar wurde, dass er keineswegs mit dem mentalen Schrei Gurays identisch


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