Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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stra­fend, be­wei­se ihr Be­neh­men. Dann be­trach­te­te sie das Bild­chen, stell­te ei­ni­ge Fa­mi­li­en­ähn­lich­keit fest und mein­te, es sei über­haupt frag­lich, ob der Prinz selbst dazu ge­ses­sen habe; denn der alte Kö­nig habe sei­ne Kin­der nicht mehr kon­ter­fei­en las­sen, seit ihm meh­re­re bald nach dem Ab­ma­len ge­stor­ben sei­en.

      Ob denn etwa die Ma­ler in Spa­ni­en als Zau­be­rer ver­brannt wür­den? frag­te die Klei­ne neu­gie­rig. Es gehe eben selt­sam zu in Spa­ni­en, sag­te Ma­ria, der alte Kö­nig habe zu­letzt voll Bos­heit und Narr­heit ge­steckt, es kom­me ihr wohl, dass er noch ge­ra­de ge­stor­ben sei. Die spa­ni­schen Ver­wand­ten sei­en alle ein we­nig ver­stockt und ver­dreht, man hei­ße das die spa­ni­sche Krank­heit, und sie kön­ne es sich gut vor­stel­len, wenn sie die wi­der­wär­ti­gen Spa­nier sähe, in de­ren Ge­sell­schaft es ei­nem eng ums Herz wer­de. Zwi­schen die­ser gel­ben, lang­na­si­gen, ran­zi­gen Na­ti­on und den Ju­den sei kaum ein Un­ter­schied.

      Vi­el­leicht be­kom­me sie die­se Krank­heit auch, wenn sie erst in Spa­ni­en sei, sag­te Mar­ga­re­ta, so wol­le sie sich bis da­hin noch recht lus­tig ma­chen. Da­mit war auch Ma­ria ein­ver­stan­den. Die vie­len Ge­schen­ke, die den ho­hen Rei­sen­den un­ter­wegs von Fürs­ten und Städ­ten über­reicht wur­den, die Kost­bar­kei­ten und Hei­lig­tü­mer, die die Erz­her­zo­gin ein­kauf­te, wur­den abends beim Glücks­topf ver­spielt in der Art, dass für die da­heim zu­rück­ge­las­se­nen Kin­der mit ge­setzt wur­de. In Mai­land ge­fiel der Klei­nen nächst den vie­len Kir­chen und Klös­tern ein Floh­thea­ter am bes­ten, und sie lag der Mut­ter mit drin­gen­den Bit­ten an, es ihr zu kau­fen. In­des­sen schlug es ihr Ma­ria ab, weil die lei­di­gen Spa­nier, wenn sie da­hin­ter­kämen, es ihr übel aus­le­gen könn­ten, ob­wohl sie selbst ge­wiss mehr Flö­he, Läu­se und Wan­zen hät­ten als ein Bau­ern­kind auf dem Mis­te.

      Gro­ßen Trost fand Ma­ria in der Beglei­tung des Hans Ul­rich von Eg­gen­berg, der, aus ei­ner lu­the­ri­schen, durch Geld­ge­schäf­te reich ge­wor­de­nen Fa­mi­lie stam­mend, sich, seit er er­wach­sen war, zur ka­tho­li­schen Kir­che ge­hal­ten hat­te, kürz­lich vom Kai­ser in den Frei­herrn­stand er­ho­ben und bei der Erz­her­zo­gin und ih­rer gan­zen Fa­mi­lie sehr be­liebt war. Sei­ne of­fe­nen blau­en Au­gen und sein ge­müt­li­ches We­sen ver­sinn­bild­lich­ten ihr un­ter den Frem­den die deut­sche Hei­mat. Wenn sie eine Wei­le mit ihm ge­schwatzt habe, sag­te sie zu ihm, sei ihr zu­mut, als sei sie da­heim im Wal­de spa­ziert und habe Ei­chen und Bu­chen rau­schen hö­ren, und hät­te sie nicht von Zeit zu Zeit eine sol­che Er­qui­ckung, möch­te sie es nicht so lan­ge zwi­schen den stin­ken­den spa­ni­schen Zwie­bel­fel­dern aus­hal­ten. Auch die klei­ne Mar­ga­re­ta sag­te, sie wür­de lie­ber nach Ma­drid rei­sen, wenn Eg­gen­berg noch kein Weib hät­te und Kö­nig von Spa­ni­en wäre; wor­auf Eg­gen­berg er­wi­der­te, er wür­de ihr dann ge­wiss auch so vie­le Flö­he fan­gen, dass die Hof­da­men sich ih­ren Be­darf aus Aran­juez müss­ten kom­men las­sen.

      Gleich­zei­tig fand eine an­de­re habs­bur­gi­sche Ver­mäh­lung statt, durch wel­che Fer­di­n­ands Aus­sich­ten einen un­er­war­te­ten Nie­der­schlag er­lit­ten; sein Oheim Al­brecht näm­lich hei­ra­te­te die Prin­zes­sin Isa­bel­la von Spa­ni­en, die ein­zi­ge, we­gen ih­res Ver­stan­des und ih­rer Tüch­tig­keit be­rühm­te Toch­ter Phil­ipps II., die seit so vie­len Jah­ren mit ih­rem Vet­ter Ru­dolf, dem Kai­ser, ver­lobt ge­we­sen war, dass man sich ge­wöhnt hat­te, dies als einen dau­ern­den Zu­stand zu be­trach­ten. Die Ge­schwis­ter ki­cher­ten und war­fen lis­ti­ge Bli­cke auf Fer­di­nand, Leo­pold streck­te ihm hin­ter dem Rücken der Mut­ter die Zun­ge aus. Da er sei­ne Wut an dem jün­ge­ren Bru­der nicht selbst aus­las­sen konn­te, der eine brei­te Brust und star­ke Mus­keln be­kom­men hat­te, mach­te Fer­di­nand die Mut­ter auf­merk­sam, die dann auch mit der Stra­fe nicht zö­ger­te. Ei­nen sol­chen Rü­pel kön­ne sie den Pas­sau­ern nicht als Bi­schof an­bie­ten, fuhr sie Leo­pold an; sie müs­se so von ih­rer ei­ge­nen Fa­mi­lie ge­nug dar­über hö­ren, dass sie alle geist­li­chen Wür­den für ih­ren un­mün­di­gen Bu­ben wol­le. »Ich speie Euch auf den Pas­sau­er Bi­schofs­hut!« sag­te Leo­pold trot­zig, wor­auf er mit ei­nem Ge­bet­bu­che ein­ge­sperrt wur­de, kei­nen an­de­ren Be­such als den des Beicht­va­ters emp­fan­gen durf­te und durch mehr­tä­gi­ges Fas­ten auf die sei­nem Stan­de ge­zie­men­de Sanft­mut her­un­ter­ge­bracht wur­de.

      Merk­li­che­re Auf­re­gung und Ver­än­de­rung rief die Nach­richt von der Ver­lo­bung am Hofe zu Prag her­vor. Ru­dolf näm­lich hat­te sich nie ent­schlie­ßen kön­nen, die spa­ni­sche Braut zu hei­ra­ten, aus Scheu vor je­der Fes­sel so­wohl, wie weil ihr fes­ter und ge­bie­ten­der Cha­rak­ter ihm ein un­be­stimm­tes Ge­fühl von al­ler­lei zu neh­men­den Rück­sich­ten ein­flö­ßte, dann auch, weil er das ge­wohn­te Zu­sam­men­le­ben mit ei­ner Frau aus ge­rin­ge­rem Stan­de, die ihm meh­re­re Kin­der ge­bo­ren hat­te und die jede sei­ner Lau­nen und Be­gier­den ge­hen ließ, durch­aus nicht hät­te auf­ge­ben mö­gen. An­de­rer­seits war ihm das Be­wusst­sein wert, die Prin­zes­sin je­den Au­gen­blick heim­füh­ren zu kön­nen, und es schi­en ihm nicht an­ders, als hät­te sie eine fre­vel­haf­te Treu­lo­sig­keit be­gan­gen, sein Bru­der aber sich ein Stück von sei­nem Be­sitz­tum an­ge­eig­net. Der Schmerz wur­de da­durch ver­bit­tert, dass Ru­dolf durch sei­nen Kam­mer­die­ner Mat­kow­sky ei­ni­ge Ein­zel­hei­ten der vom Mi­nis­ter Rumpf ge­führ­ten di­plo­ma­ti­schen Ver­hand­lun­gen er­fuhr, die der Ver­mäh­lung vor­an­ge­gan­gen wa­ren. Rumpf, von wel­chem man wuss­te, dass er das gan­ze Ver­trau­en des Kai­sers be­saß und das Trei­ben am Hofe durch und durch kann­te, hat­te dem spa­ni­schen Ge­sand­ten mit­ge­teilt, von ei­ner Hei­rat mit dem Kai­ser müs­se die Prin­zes­sin gänz­lich ab­se­hen, er kön­ne kei­nen Ent­schluss fas­sen, las­se al­les ge­hen, wie es wol­le, küm­me­re sich nur um sein leib­li­ches Wohl­er­ge­hen und et­li­che Lieb­ha­be­rei­en und sei über­haupt zum Re­gie­ren un­fä­hi­ger als ein ab­ge­rich­te­ter Pu­del.

      Ru­dolfs Er­stau­nen über die­se Be­lei­di­gung sei­ner Ma­je­stät ging in einen Zorn über, den er an­fäng­lich nur im Blu­te des Schul­di­gen küh­len zu kön­nen glaub­te, in­des­sen be­schwor ihn Mat­kow­sky selbst, von ei­nem Hoch­ver­ratspro­zess ab­zu­se­hen, der die ver­klei­nern­de Äu­ße­rung des Mi­nis­ters wei­ter­ver­brei­ten wür­de. Dem­nach be­gnüg­te sich Ru­dolf da­mit, den Nichts­ah­nen­den mit al­len Zei­chen der Un­gna­de zu ent­las­sen, so­dass er sich vor Un­ter­gang der schei­nen­den Son­ne aus Prag zu ent­fer­nen habe. Die­se nach­drück­li­che Jus­tiz, die sich nie­mand zu er­klä­ren wuss­te, ver­brei­te­te Schre­cken und un­be­stimm­te Er­war­tung; aber es folg­te zu­nächst nichts als eine große Stil­le. Da für den ge­stürz­ten Mi­nis­ter, durch des­sen Hand alle Ge­schäf­te ge­gan­gen wa­ren, nicht so­gleich ein Er­satz zur Stel­le war, blieb al­les lie­gen; der Kai­ser er­teil­te we­der Au­di­en­zen noch un­ter­zeich­ne­te er Er­las­se und Hand­schrei­ben, und man hät­te glau­ben kön­nen, er sei ge­stor­ben, wenn sich nicht hie und da sein blas­ses Ge­sicht an ei­nem Fens­ter des Schlos­ses ge­zeigt hät­te. Der Böh­me Mat­kow­sky war der ein­zi­ge, den er je­der­zeit gern um sich hat­te, und ihm er­zähl­te er un­ter Trä­nen, wie er seit sei­nen Jüng­lings­jah­ren die Prin­zes­sin Isa­bel­la ge­liebt habe, wie aber ihr Va­ter, Phil­ipp II., sich ge­wei­gert hät­te, ihm das Her­zog­tum Mai­land als Mit­gift zu ge­ben, wor­auf er als Kai­ser und Meh­rer


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