Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Bäckers­sohn bei­na­he die ein­fluss­reichs­te Per­son in Ös­ter­reich ge­wor­den war, ihm ein­blies. »Ge­hen Sie nach Prag«, sag­te ihm Khlesl, »und ver­lan­gen Sie vom Kai­ser Au­di­enz. Sie dür­fen sich nicht ab­schre­cken las­sen, wenn er Sie ab­weist, am Ende muss er den Bru­der doch vor­las­sen. Tre­ten Sie dann ehr­er­bie­tig auf, aber fest, im Be­wusst­sein des Rech­tes. Der Kai­ser ist ein Schwäch­ling und hat ein bö­ses Ge­wis­sen, ein red­li­cher Fürst muss leicht mit ihm um­sprin­gen kön­nen.« Auch mit Ver­hal­tungs­maß­re­geln für den Ver­kehr mit dem evan­ge­li­schen böh­mi­schen Adel ver­sah ihn Khlesl. »Die Ket­zer wer­den Ih­nen alle zu­fal­len, denn sie sind nun ein­mal der Mei­nung, Sie gli­chen Ihrem Herrn Va­ter, dem hoch­se­li­gen Kai­ser Ma­xi­mi­li­an, und wä­ren heim­lich den Pro­tes­tan­ten hold. Benüt­zen Sie das ge­trost; denn warum soll­ten Sie aus dem Irr­tum oder der Dumm­heit re­bel­li­scher Un­ter­ta­nen nicht Vor­teil zie­hen? Nur einen schrift­li­chen Ver­trag dür­fen Sie nicht un­ter­zeich­nen und über­haupt in kei­ner Wei­se sich förm­lich bin­den, sonst aber sol­len Sie ge­gen je­der­mann leut­se­lig, kai­ser­lich, will­fäh­rig sein. Kommt es nach­her an­ders, so ist der Khlesl da, der al­les auf sich nimmt. Ich ma­che mir nichts aus ih­rem To­ben; aber ich will nicht ster­ben, be­vor ich nicht die habs­bur­gi­schen Lan­de al­le­samt un­ter das­sel­be ka­tho­li­sche Hüt­lein ge­bracht habe.«

      Am liebs­ten wäre Khlesl selbst nach Prag ge­gan­gen, um al­les ein­zu­lei­ten; aber er wuss­te, dass er in dem hus­si­ti­schen Lan­de un­be­liebt war und dass er sei­ner Sa­che scha­den könn­te, wenn er zu früh in den Vor­der­grund trat. So mach­te sich denn Matt­hi­as al­lein auf und setz­te sich mit der spa­ni­schen Par­tei und dem Beicht­va­ter des Kai­sers in Ver­bin­dung. Die­ser, ein be­trieb­sa­mer Mann, der die See­len sei­ner Zög­lin­ge so gut kann­te, wie etwa ein Koch die Ei­gen­heit, Tüch­tig­keit und Ver­wend­bar­keit sei­ner Schüs­seln und Pfan­nen un­ter­schei­det, ging auf die Ab­sich­ten des Matt­hi­as umso ver­ständ­nis­vol­ler ein, als er ein Spa­nier war und Spa­ni­en eben nicht in gu­tem Ver­neh­men mit Ru­dolf stand. Bei nächs­ter Ge­le­gen­heit stell­te er dem Kai­ser sei­ne Pf­licht vor, sei­nen Bru­der Matt­hi­as wie einen Sohn zu lie­ben, was er doch als sein Nach­fol­ger auch dem Her­kom­men ge­mäß sei. Als er das in­ne­re Wi­der­stre­ben des Kai­sers spür­te, mach­te er eine ge­schick­te Wen­dung, sprach miss­bil­li­gend von dem Neid und der Herrsch­be­gier­de des Matt­hi­as und ent­lock­te ihm da­durch am Ende das Zu­ge­ständ­nis, dass er sei­nem Bru­der den Tod wün­sche. Kaum hat­te der Kai­ser die Wor­te aus­ge­spro­chen, als sein Äu­ße­res sich zu ver­än­dern be­gann; sei­ne Au­gen wank­ten ei­ni­ge Au­gen­bli­cke un­s­tet hin und her und hef­te­ten sich dann starr auf den Geist­li­chen, bis sie sich plötz­lich nach oben ver­dreh­ten, sei­ne Arme und Bei­ne durch­fuhr ein Zu­cken. Zu­erst dach­te der Beicht­va­ter, dies sei ein An­fall von Wut oder eine Ma­chi­na­ti­on, um das eben Ge­sag­te als in der Be­sin­nungs­lo­sig­keit von sich ge­ge­ben er­schei­nen zu las­sen oder um wei­te­ren Fra­gen zu ent­ge­hen; aber die ab­scheu­lich ver­zerr­ten Züge und hin und her zu­cken­den Glied­ma­ßen schie­nen doch nicht will­kür­lich her­vor­ge­ru­fen wer­den zu kön­nen, und so rief er denn Arzt und Die­ner­schaft und ver­such­te in­zwi­schen mit Be­ten ge­gen das Teu­fels­werk an­zu­kämp­fen, was da im Spie­le zu sein schi­en.

      Nach Ver­lauf ei­ni­ger Wo­chen er­reich­te zwar Matt­hi­as eine Au­di­enz; aber nicht ohne dass er sich zu­vor ver­pflich­tet hat­te, ein von den Rä­ten auf­ge­setz­tes und von sei­nem kai­ser­li­chen Bru­der ge­bil­lig­tes Ge­spräch ein­zu­hal­ten, wel­ches nur die all­ge­mei­nen Fra­gen des bei­der­sei­ti­gen Wohl­er­ge­hens und der ge­gen­sei­ti­gen Ge­neigt­heit be­zie­hungs­wei­se De­vo­ti­on be­rühr­te. Da­ge­gen ver­si­cher­ten die Räte, wel­che be­trächt­li­che Sum­men von Matt­hi­as emp­fan­gen hat­ten, um die Zu­sam­men­kunft zu­we­ge zu brin­gen, sie wür­den die An­ge­le­gen­heit, de­ren hohe Wich­tig­keit of­fen­kun­dig sei, in dienst­wil­li­ge Über­le­gung zie­hen, und zwei­fel­ten nicht, dass der Kai­ser sich wil­lig fin­den las­sen wür­de, das Not­wen­di­ge zu ver­fü­gen; der Erz­her­zog wer­de mit sei­nem fürst­li­chen Ver­stan­de be­grei­fen, dass eine so wei­taus­se­hen­de Sa­che nicht von heu­te auf mor­gen kön­ne ent­schie­den wer­den, son­dern für­sorg­lich und acht­sam von al­len Sei­ten müs­se er­wo­gen wer­den.

      Zwei Män­ner ge­wan­nen auf Ru­dolf Ein­fluss, die sei­ne Stim­mung voll­stän­dig ver­än­der­ten, was frei­lich auch im Zu­sam­men­hang mit dem auf und ab ge­hen­den Lau­fe sei­ner Krank­heit ste­hen moch­te. Der eine war der aus Ti­rol ge­bür­ti­ge Phil­ipp Lang, der sich ihm zu­erst in ge­schäft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten nütz­lich er­wie­sen hat­te. Ein Ju­we­lier näm­lich bot dem Kai­ser meh­re­re Sä­cke voll Edel­stei­ne, Ru­bi­ne, Sma­rag­de und Opa­le, zum Kauf an und for­der­te eine ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­ge Sum­me da­für, die aber bar aus­ge­zahlt wer­den soll­te, da der Kai­ser ihm be­reits viel Geld schul­de­te und er Ur­sa­che hat­te zu zwei­feln, ob er je­mals be­frie­digt wer­den wür­de. Aus der Finanz­kam­mer kam der Be­scheid, dass kein Geld vor­han­den sei, nicht ein­mal das Not­wen­di­ge kön­ne be­strit­ten wer­den, es hät­te sich so­gar der Apo­the­ker end­lich ge­wei­gert, die Dat­teln, Mor­sel­len und den Ro­sen­zu­cker auf die kai­ser­li­che Ta­fel zu lie­fern, wenn er nicht zu­vor we­nigs­tens teil­wei­se aus­ge­zahlt wür­de. Wenn der Kai­ser die Edel­stei­ne ha­ben wol­le, ließ man ihm sa­gen, sol­le er sie aus sei­ner ei­ge­nen Scha­tul­le zah­len, und deu­te­te an, er müs­se doch durch die Gold­ma­che­rei, für die er so viel auf­wen­de, ge­nug er­üb­rigt ha­ben. Hier­über ge­riet der Kai­ser in Zorn und tob­te und jam­mer­te ab­wech­selnd, dass er Blut­sau­gern aus­ge­lie­fert und von Räu­bern um­ringt sei. In die­ser Not er­bot sich Phil­ipp Lang, einen Aus­weg zu fin­den, und be­haup­te­te so­gar, dass dies leicht und dass nur das Un­ge­schick oder der böse Wil­le der Finanz­rä­te an ei­ner sol­chen Ver­le­gen­heit schuld sei. Ers­tens gebe es meh­re­re rei­che Leu­te in Prag, die da­hin be­ar­bei­tet wer­den könn­ten, dass sie eine pas­sen­de Sum­me her­lie­hen; fer­ner sei es be­kannt, dass ei­ni­ge von den wohl­ha­bends­ten Zünf­ten der Städ­te sich zu­sam­men­ge­tan hät­ten, um auf die Aus­schaf­fung der Ju­den aus Prag an­zu­tra­gen, und dass sie da­hin be­schie­den sei­en, sie möch­ten es un­ter­las­sen, da es bei Hofe un­lieb­sam auf­ge­nom­men wer­den wür­de. Dies sei ein großer Feh­ler ge­we­sen; denn den Zünf­ten sei an der Sa­che viel ge­le­gen, und sie wür­den ge­wiss den höchs­ten Preis da­für ge­zahlt ha­ben. Die Ju­den trü­gen ihm aber doch noch mehr, wen­de­te der Kai­ser ein. Es sei ja auch nicht sei­ne Mei­nung, sag­te Lang, die Ju­den aus­zu­wei­sen; einst­wei­len kön­ne man aber doch den Zünf­ten eine ge­wis­se Aus­sicht er­öff­nen und sie zah­len las­sen, das üb­ri­ge kön­ne man ge­trost der Zu­kunft über­las­sen. Man wür­de eine Un­ter­su­chung ein­lei­ten und auch die Ju­den­schaft ver­neh­men, die sich ge­wiss dem Kai­ser auch ih­rer­seits nicht ver­ächt­lich emp­feh­len wür­de. Über­haupt, sag­te Phil­ipp Lang, wür­de der Kai­ser viel mehr Mit­tel ha­ben, wenn sei­ne Um­ge­bung red­lich sei; er sei arm und habe rei­che Die­ner, das kön­ne nicht mit rech­ten Din­gen zu­ge­hen; er, Phil­ipp Lang, könn­te ihm über man­ches die Au­gen öff­nen, wenn der Kai­ser ihn be­schüt­zen und sei­ner Huld ver­si­chern woll­te.

      Die­se An­deu­tung be­zog sich auf Mat­kow­sky,


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