Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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recht er­kenn­te und an­wen­de­te. Was ver­möch­te sein Bru­der Matt­hi­as ge­gen ihn? Der­sel­be sei ein vor­zei­tig ge­al­ter­ter Mensch, ohne Nach­kom­men­schaft, arm und von ihm ab­hän­gig, eine Pup­pe in den Hän­den des Bi­schofs von Wien, der doch schließ­lich nur des Kai­sers Un­ter­tan sei. Der Kai­ser sol­le Mat­kow­sky ent­fer­nen, der einen un­heil­vol­len Schat­ten auf sein Ge­müt ge­wor­fen habe und ein nichts­wür­di­ger Ket­zer sei; bei ei­nem Pro­zess wür­de sich er­ge­ben, dass er ein großes Ver­mö­gen be­sit­ze, wel­ches dem Kai­ser ab­ge­stoh­le­nes Gut sei, und die Kon­fis­ka­ti­on des­sel­ben wür­de bil­li­ger­wei­se die kai­ser­li­che Kas­se fül­len.

      Die­ser Rat wur­de be­folgt und er­wies sich nütz­lich, in­dem Mat­kow­sky in der Tat ein nen­nens­wer­tes Ver­mö­gen be­saß, wo­von Phil­ipp Lang sich die grö­ße­re Hälf­te an­eig­ne­te, wäh­rend der Rest an den Kai­ser kam.

      Der an­de­re Günst­ling des Kai­sers war Graf Her­mann Chri­stoph Ruß­worm, ein schö­ner, heiß­blü­ti­ger Of­fi­zier, der sich in den Tür­ken­krie­gen mehr­fach her­vor­ge­tan hat­te und nun der höchs­ten Stu­fe mi­li­tä­ri­scher Macht zu­streb­te. Die­ser herrsch­süch­ti­ge und rück­sichts­lo­se jun­ge Mann war we­der un­ter den Hof­her­ren noch beim Kriegs­ra­te, noch bei sei­nem Vor­ge­setz­ten, dem Feld­mar­schall Adolf von Schwar­zen­berg, be­liebt, ja sein Ver­hält­nis zu die­sem war so miss­lich, dass er sich kaum län­ger hät­te hal­ten kön­nen, wenn je­ner nicht kurz nach sei­nem großen Sie­ge bei Papa vom Tode wäre hin­ge­rafft wor­den. Ruß­worm hoff­te in die of­fe­ne Stel­le ein­zu­tre­ten, wozu der Kai­ser auch ge­neigt ge­we­sen wäre; aber er ge­trau­te sich nicht, ei­nem so jun­gen Men­schen ge­gen den all­ge­mei­nen Wunsch eine so ver­ant­wor­tungs­vol­le Wür­de zu über­tra­gen, und so er­hielt sie der Her­zog Phil­ipp Ema­nu­el von Mer­coeur, ein Mann, der mit dem Ruh­me der Kriegs­er­fah­rung den ed­ler Sit­ten ver­ei­nig­te.

      Auf der Rei­se nach Un­garn je­doch wur­de Mer­coeur in Nürn­berg von ei­nem bös­ar­ti­gen Fie­ber er­grif­fen. Durch den Arzt auf die Mög­lich­keit ei­nes töd­li­chen Aus­gangs hin­ge­wie­sen, bat er den Rat der Stadt um Er­laub­nis, einen ka­tho­li­schen Geist­li­chen kom­men zu las­sen, der ihm die Ster­be­sa­kra­men­te rei­chen soll­te, wur­de aber ab­schlä­gig be­schie­den, weil das den städ­ti­schen Sat­zun­gen zu­wi­der­lau­fe und ein be­denk­li­ches Bei­spiel ge­ben kön­ne. Als der Zu­stand des Kran­ken sich ge­gen den Abend ver­schlim­mer­te, schick­te er noch ein­mal an den Rat, der die Ant­wort gab, zu so spä­ter Stun­de kön­ne man nicht so vie­le Her­ren zu­sam­men­brin­gen, dass ein gül­ti­ger Be­schluss zu­stan­de kom­me, man wol­le die Sa­che am fol­gen­den Mor­gen in Er­wä­gung zie­hen und ihm dann Be­richt sa­gen. Von sei­nem Ster­be­bet­te aus ließ Mer­coeur dem Rate sa­gen, er habe nicht ge­wusst, dass die An­ge­le­gen­heit so schwie­rig sei, und bit­te um Ver­zei­hung, dass er den Her­ren eine sol­che Un­ge­le­gen­heit be­rei­tet habe; wor­auf er sei­nen Geist auf­gab.

      Sie­ges­nach­rich­ten vom Schau­plat­ze des Tür­ken­krie­ges tru­gen dazu bei, den Kai­ser in Vor­stel­lun­gen von un­er­schüt­ter­li­cher Macht zu wie­gen. Der Bild­hau­er Adriaen de Vries er­hielt den Auf­trag, ihn ge­har­nischt, in olym­pi­scher Hal­tung, gleich­sam als einen Ju­pi­ter dar­zu­stel­len, und durf­te so­gar zu­wei­len in Ru­dolfs Ge­gen­wart, mit Be­nut­zung sei­ner Per­son ar­bei­ten. Der ihm von Phil­ipp Lang dar­ge­brach­te Glück­wunsch, dass er nach Über­win­dung der häss­li­chen Krank­heit als ein an­de­rer Her­ku­les ver­gnügt und ver­gött­licht aus der Asche des Schei­ter­hau­fens stei­ge, leuch­te­te ihm ein, und er be­eil­te sich, die Erde so­weit wie mög­lich vor sei­ner Macht er­zit­tern zu las­sen.

      Stau­nend und mit Kopf­schüt­teln hör­ten die Pra­ger zu, wie auf den Gas­sen und Plät­zen un­ter Trom­pe­ten­schall ein jahr­hun­der­tal­tes Edikt ver­le­sen wur­de, wel­ches die An­hän­ger der Böh­mi­schen Brü­de­ru­ni­tät mit dem Tode be­droh­te. Der pro­tes­tan­ti­sche Her­ren­stand über­leg­te sich, ob et­was vor­zu­neh­men, etwa ein Auf­stand ein­zu­lei­ten sei; aber da ge­rau­me Zeit ver­ging, ohne dass dem wun­der­li­chen Er­lass et­was Wei­te­res folg­te, viel­mehr al­les beim al­ten blieb, ließ man es hin­ge­hen. So konn­te dem Kai­ser be­rich­tet wer­den, das Edikt sei vom gan­zen Vol­ke mit still­schwei­gen­der Un­ter­wür­fig­keit auf­ge­nom­men, wor­auf eine weit schär­fe­re Maß­re­gel, um Un­garn zu schre­cken, er­folg­te: es wur­den näm­lich alle Ge­set­ze und Ver­ord­nun­gen be­stä­tigt, die seit Kö­nig Ste­phans Zei­ten zum Schut­ze der ka­tho­li­schen Re­li­gi­on er­las­sen wa­ren.

      Dies ge­walt­sa­me Ge­setz, das nichts we­ni­ger als die Aus­rot­tung des Pro­tes­tan­tis­mus be­deu­te­te, schlug in Un­garn, das sich oh­ne­hin in ei­nem Zu­stan­de dau­ern­der Gä­rung be­fand, als ein Zei­chen zum Aufruhr ein, der so­gleich auch Sie­ben­bür­gen er­griff und Mord und Blut­ver­gie­ßen in dem wil­den Lan­de her­vor­rief. Un­be­ha­gen er­fass­te die habs­bur­gi­sche Fa­mi­lie und auch die kai­ser­li­chen Räte; denn wenn man die schwie­ri­ge Stim­mung der Pro­tes­tan­ten im Reich be­dach­te und wie sie je­der­zeit im trü­ben zu fi­schen ge­neigt wä­ren, fer­ner, dass der Kai­ser kein Geld hat­te und in­fol­ge­des­sen auch kein zu­ver­läs­si­ges Heer auf­brin­gen konn­te, um ei­ner großen Kriegs­macht zu wi­der­ste­hen,


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