Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
Читать онлайн книгу.gebe. Vor allen Dingen dürfe er ihr keinen Einfluss auf die Regierungshandlungen gestatten, denn für diese müsse hauptsächlich der Wille Gottes und das Wohl der Kirche, teils aber auch die sogenannte raison d’état oder Staatsvernunft maßgebend sei. Es sei deshalb notwendig, dass kein weiblicher Einfluss, wie er im Ehebett sich allzu leicht geltend mache, sich eines Fürsten bemächtige und dass in seinen Verhältnissen zu den Weibern die Neigung zurücktrete. Die fleischlichen Triebe, die der Natur des Menschen anhafteten, dürften wohl befriedigt werden, aber es dürfe kein Verhältnis daraus erwachsen, das sein Fühlen und Denken dauernd in Anspruch nähme.
Zum ersten Male bemerkte der Beichtvater, dass sein sonst so williger Schüler ihm schweigend widerstrebte, weshalb er sich entschloss, die Gefahr, die sich hier entwickeln konnte, nachdrücklich zu bekämpfen. Er sprach eingehend über die Beschaffenheit des Weibes, die es wohl tauglich mache, ein Gefäß des Mannes, aber nicht würdig, seine Gefährtin zu sein. Viele Kirchenlehrer seien im Zweifel, ob das Weib fähig sei, in den Himmel, das heißt in die unmittelbare Nähe Gottes zu gelangen als höchstens mittelbar durch den Mann, da es keine persönliche Seele habe und des Eigenlebens bar sei, insofern etwa mit den Tieren auf einer Stufe. Geschaffen sei die Frau, ebenso wie das Tier, damit der Mann sich seiner nach Bedarf bediene, und sei deshalb seiner fleischlichen Natur entsprechend und auf sie wirkend gemacht, als derjenigen Seite seines Wesens, mit der er selbst verwerflich und vergänglich sei. Nur eine Frau habe auf Erden gelebt, die rein und von der Gebrechlichkeit der Weiber frei sei, die Heilige Jungfrau, und es sei die Meinung einiger gelehrter Väter des Ordens Jesu, dass das weibliche Geschlecht durch sie erlöst werden könne, während andere glaubten, dass Maria gewissermaßen die Darstellerin dieses niederen Geschlechtes sei und dasselbe in ihr Anteil an Gott habe, ohne selbst über seine kurze tierische Existenz hinauszukommen. Dieses alles bedenkend, könne ein Fürst der Weiber sich wohl bedienen, wenn es nötig sei, solle sich aber nicht zu ihrem Knecht machen, vor ihnen scharwenzeln und kniebeugen, sie etwa gar vergöttern, wie manche heidnischer- und schamloserweise täten. Die Königin des Himmels, die von Engeln Getragene, die unbefleckt empfangen habe, der solle er sein Herz weihen. Sie, die makellos Schöne, die unverwelkliche, nie sich entblätternde Rose, die wolkenlos Strahlende, die Holdselige, Gnadenreiche, Allverzeihende, sei die einzige Dame, der ein Fürst sich anbetend hingeben könne, ohne sich zu erniedrigen. Wer ihr hienieden niewankende Ergebenheit bewiese, den würde ihre Lilienhand am Tore des Himmels empfangen, um ihn in der Ewigkeit für die kurze Spanne irdischer Entsagung zu entschädigen.
Solche Worte fachten allmählich Liebe zu der Himmelsjungfrau im Herzen des Prinzen an, freilich nicht ohne Kämpfe und Rückfälle. Um die Entwicklung zu befördern, legte der Beichtvater seinem Zögling allerlei geistliche Übungen auf, Versenkung in vorgeschriebene Betrachtungen, vielstündige Gebete und zwischendurch Geißelungen und Kasteiungen. In dem dadurch hervorgerufenen Zustande von Erregung erblickte der Prinz zufällig ein von dem Maler Rottmann verfertigtes Bild der Jungfrau Maria in einer von zahllosen Blumen durchsprossten Landschaft, von lachenden Engelskindern wie von einem Frühlingskranze umgeben, den Beschauer mit frauenhafter Güte und Lieblichkeit anlächelnd. Hingerissen von der Schönheit der unerreichbar Schwebenden, gelobte er ihr das reine Feuer seines Herzens und den Dienst seines ganzen Lebens, sodass er alle seine Taten in ihrem Namen und zu ihrer Verherrlichung tun wolle. Bald reiften ihm auch die Früchte seines Entschlusses, indem das Bewusstsein, der himmlischen Frau anzugehören, insgeheim mit ihr, der über allen irdischen Weibern, ja über allen Menschen Thronenden inbrünstig und auf ewig verbunden zu sein, ihn in erhabener Höhe unerschütterlich feststellte. Er begann die Frauen, die er mit der Vollkommenheit seiner Herrin verglich, geringzuschätzen und ungerührt an ihnen vorüberzugehen, während sie durch seine strenge Zurückhaltung doppelt angezogen wurden. Es wäre ihm nicht schwer geworden, unvermählt zu bleiben; aber da er für einen Nachfolger zu sorgen hatte, heiratete er seine Base Elisabeth Renate von Lothringen, übrigens ohne dass der Zweck der Verbindung erreicht wurde. Die Alleinherrschaft der Jungfrau Maria im Herzen Maximilians wurde durch die Ehe nicht angetastet, gründete sich vielmehr mit den Jahren immer fester und sicherer. Die oft langwierigen Regierungsgeschäfte erhielten eine gewisse Süßigkeit durch die Vorstellung, dass es sich um ihr Land und ihr Volk handle, welches er, als der Statthalter der angebeteten Königin, um sie zufriedenzustellen, in einen möglichst heiligmäßigen Zustand zu versetzen habe.
5.
Am pfälzischen Hofe war man der Meinung, dass die Katholiken zu einem großen Schlage ausholten, um die Protestanten zu vernichten; dafür sprachen allerlei bedenkliche Zeichen. Schon im Jahre 1601 war ein Reisender durch Heidelberg gekommen, der sich Brocardo Baronio nannte und ein Italiener zu sein vorgab, der zum protestantischen Glauben übergetreten sei und deshalb verfolgt werde, und da er sich ansehnlich und wohlredend zeigte, hatte man ihn im Schlosse empfangen. Dieser hatte allerlei hässliche Eröffnungen gemacht, wie dass eine Verschwörung unter den Katholiken bestehe mit dem Papst an der Spitze, dass eine ungeheure europäische Bartholomäusnacht vorbereitet und ein unauslöschlicher Blutstrom sich durch alle Länder ergießen werde. Die Schrift ›De autonomia‹, die von der Notwendigkeit, die Ketzer auszurotten, handelte, weil es nur eine Wahrheit gebe, und diese sei bei den Katholiken, bewies, wie sicher die Feinde sich fühlten. Denn wie hätten so unumwundene Gesinnungen und Drohungen sonst gedruckt und veröffentlicht werden können? Den Räten, Lingelsheim, Loefenius, Schug, Camerarius, stieg das Blut heiß zum Kopfe, wenn sie sich vorstellten, in welcher Verfassung diese Gefahren die protestantische Partei antrafen. Während das Heer der Jesuiten und Kapuziner in zahllosen Wellen, Rinnsalen und Bächen zusammenfloss und mit einem Male alles Land überschwemmen konnte, blieben die Protestanten vereinzelt, untereinander entzweit, kaum auf Verteidigung bedacht, geschweige denn, dass sie den Angriff wagen könnten. Soeben kam Loefenius von Stuttgart zurück, wo eine Vermählung stattgefunden hatte, zu der der Kurfürst geladen war, was man hatte benutzen wollen, um eine Vereinigung mit dem Herzog von Württemberg zu erzielen und dadurch die Grundlage zu einer weiteren Union zu gewinnen. In Lingelsheims Bibliothek berichtete er seinen Kollegen von dem Misserfolg seiner Sendung. Ihr Herr sei entweder auf der Jagd oder bei Tafel