Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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sei ih­nen ge­lie­fert wor­den, ent­geg­ne­te Schen­kern kalt, sie hät­ten es aber all­zu schnell ver­braucht.

      Das Blut stieg der jun­gen Frau ins Ge­sicht. Nicht so viel sei ihr ge­reicht wor­den, wie sich zum Na­del­geld für eine un­ver­mähl­te Prin­zes­sin schi­cke. Was sie denn aus­ge­ge­ben hät­te? Ge­wän­der und Klein­odi­en hät­te sie mit­ge­bracht, hier nichts der­glei­chen er­hal­ten. Ob es ihr etwa ver­bo­ten sein sol­le, bei ih­rem täg­li­chen Gang in die Mes­se Al­mo­sen aus­zu­tei­len? Oder ob ih­nen das Brett- und Kar­ten­spiel als ihre ein­zi­ge Un­ter­hal­tung zu miss­gön­nen sei? Es gebe Un­ter­ta­nen des Her­zogs, die präch­ti­ger als sie und ihr Herr auf­zö­gen, aus­reis­ten, so oft und wo­hin es ih­nen be­lieb­te, und Gna­den ver­teil­ten wie re­gie­ren­de Fürs­ten. Da­bei lenk­te sie das zor­ni­ge Feu­er ih­rer dun­kelblau­en Au­gen ge­ra­de auf ihn.

      »Ich ge­nie­ße«, sag­te Schen­kern mit dreis­tem Lä­cheln, »was mei­ne Äm­ter mir ein­brin­gen. Ei­nem je­den das Sei­ne. Ihre Gna­den müs­sen mit Ihrem Ein­kom­men haus­hal­ten und sich in die Stel­lung Ihres Ge­mahls fü­gen ler­nen, die be­schei­de­ner ist als die hoch­fah­ren­den Mie­nen und Wor­te Eu­rer Gna­den. Denn bis jetzt ist der jun­ge Herr nur der ers­te Un­ter­tan un­se­res re­gie­ren­den Her­zogs.«

      »Der Rat, den Ihr mir gebt, ist gut für Euch«, rief Ja­ko­be auf­brau­send. »Wir wer­den se­hen, wer sich eher in die Stel­lung bücken muss, die ihm zu­kommt, Ihr oder ich.«

      Einst­wei­len frei­lich muss­te Ja­ko­be das kärg­li­che Le­ben fris­ten, das ihr vor­ge­schrie­ben war, wo­mit es eher schlim­mer als bes­ser wur­de, umso mehr, als sie nach Ver­lauf ei­ni­ger Jah­re noch im­mer nicht schwan­ger ge­wor­den war. Die Sucht, sich her­vor­zu­tun, zu der sie Jan Wil­helm an­ge­spornt hat­te, ließ gänz­lich bei ihm nach und wich trü­ben Ge­dan­ken, wie dass Gott ihn mit Kin­der­lo­sig­keit für sei­ne Sün­den stra­fe, als wel­che er vor­züg­lich an­sah, dass er sei­nem Va­ter ge­trotzt und dass er Elend über sei­ne Un­ter­ta­nen ge­bracht habe. Es wa­ren näm­lich in die Stadt We­sel, die er zur Ein­füh­rung ei­nes ka­tho­li­schen Pfar­rers hat­te zwin­gen wol­len, spa­ni­sche Trup­pen ein­ge­legt wor­den, die sich we­gen des Krie­ges mit den nie­der­län­di­schen Staa­ten an der Gren­ze be­fan­den, und er hat­te eine Bitt­schrift der Stadt ge­le­sen, in der sie über ihre Be­drän­gung Kla­ge führ­te. Ein Satz, der dar­in vor­kam, näm­lich: ›Schreit es nicht zum Him­mel, dass schutz­lo­se Wit­wen und Wai­sen, die kei­nes an­de­ren Ver­bre­chens schul­dig sind, als dass sie in ih­rem Glau­ben ver­har­ren wol­len, von ei­ner frem­den, grau­sa­men Sol­da­tes­ka un­aus­steh­li­che Mar­ter und Qual Lei­bes und der See­le er­dul­den müs­sen?‹, hat­te sich ihm so ein­ge­prägt, dass er durch nichts an­de­res zu ver­drän­gen war. We­der Schel­ten noch Schmei­cheln, wo­durch Ja­ko­be ihn wech­sel­wei­se um­zu­stim­men such­te, noch die sonst be­lieb­te Zer­streu­ung des Brett- oder Ball­spiels ver­fin­gen; ja, ei­nes Ta­ges kam es so weit, dass der Prinz sich auf­zu­ste­hen wei­ger­te, weil ihm die Lust am Le­ben ver­gan­gen sei.

      Um die­se Zeit starb Diet­rich von Horst, der Jan Wil­helm er­zo­gen hat­te und dem er, ob­wohl er von ihm mit Stren­ge be­han­delt wor­den war, so zärt­lich an­hing, dass man sich nicht ge­trau­te, sei­ne Schwer­mut durch die To­des­bot­schaft zu ver­meh­ren. Die Ärz­te des al­ten Her­zogs, un­ter de­nen ein sech­zig­jäh­ri­ger Mann, der Dok­tor So­len­an­der, das meis­te An­se­hen hat­te, er­teil­ten den Rat, den Kran­ken durch eine Rei­se zu ent­fer­nen; wäh­rend­des­sen kön­ne der von Horst be­stat­tet wer­den, und zu­gleich wür­den die neu­en Ein­drücke den jun­gen Her­zog auf an­de­re Ge­dan­ken brin­gen.

      Ja­ko­ben, die ih­ren Ge­mahl be­glei­ten woll­te, riet So­len­an­der freund­lich da­von ab; er ehre und ver­ste­he ihre Lie­be und Treue, ur­tei­le je­doch als Arzt, dass eine voll­stän­di­ge Ver­än­de­rung der Um­ge­bung dem Kran­ken am dien­lichs­ten sei, be­son­ders auch, weil es nicht an­ders sein kön­ne, als dass die Nähe sei­ner jun­gen und schö­nen Frau ihn zu al­ler­hand Zärt­lich­kei­ten ehe­li­cher Lie­be rei­ze, wo­durch er sei­ne Kraft er­schöp­fe, und das müs­se eben jetzt am al­ler­meis­ten ver­mie­den wer­den. Trotz ih­res Vor­ur­teils ge­gen den Arzt, der kal­vi­nisch war, flö­ßte sein red­li­ches und wür­di­ges We­sen ihr Ver­trau­en ein, so­dass sie ihm mit kind­lich huld­vol­lem Lä­cheln er­wi­der­te, sie wol­le sich sei­nen An­ord­nun­gen fü­gen. Frei­lich war es ihr aufs bit­ters­te zu­wi­der, dass es Schen­kern war, dem ihr Mann an­ver­traut wur­de und der ihn wie einen Ge­fan­ge­nen mit sich führ­te; al­lein sie trös­te­te sich da­mit, dass Jan Wil­helm in ei­nem leid­li­chen Zu­stan­de wie­der­kom­men und dass sie zu­nächst ein­mal von dem Druck sei­ner selt­sa­men Me­lan­cho­lie frei sein wer­de.

      So recht von Her­zen frei und fröh­lich, ob man das in dem weit­läu­fi­gen Schlos­se von Düs­sel­dorf sein kön­ne, dar­an zwei­fel­te sie zwar. Oft­mals stand sie vor dem Bil­de der ver­stor­be­nen Her­zo­gin Ma­ria, der Mut­ter ih­res Man­nes, die, wie man ihr er­zählt hat­te, jah­re­lang voll ir­rer und trüb­se­li­ger Ge­dan­ken, fast ab­we­sen­den Geis­tes ge­we­sen war. Nicht ohne Grau­en be­trach­te­te sie die schma­le, in sich zu­sam­men­ge­kro­che­ne Ge­stalt, die von dem schar­lach­far­be­nen Bro­kat­kleid er­drückt schi­en, das spuk­haft blei­che, angst­vol­le Ge­sicht un­ter den gelb­lich-ro­ten Haa­ren und die dünn­fing­ri­gen Hän­de, die sich wäch­sern um ein An­dachts­buch bo­gen. Auch ihr ge­fiel es, Schwie­ger­toch­ter ei­ner Toch­ter des hoch­se­li­gen Kai­sers Fer­di­nand I. und Tan­te des re­gie­ren­den Kai­sers Ru­dolf zu sein; trotz­dem mach­te es sie ein we­nig la­chen, dass man sich hier auf die­se miss­ra­te­ne Per­son so viel zu­gu­te tat. Wie ein Ge­s­penst vor der Mor­gen­rö­te muss­te dies Jam­mer­bild vor ih­rer Kraft und Schön­heit er­lö­schen! Ver­se aus ei­nem Ge­dicht fie­len ihr ein, das Graf Phil­ipp von Man­der­scheid einst für sie ge­macht hat­te, ihr Ge­lieb­ter, den ihre Hei­rat in Ra­se­rei und selbst­mör­de­ri­schen Tod ge­trie­ben hat­te, und die lau­te­ten: ›Kö­ni­gin Son­ne, du leuch­test so! Ich und der Som­mer, wir bren­nen lich­ter­loh!‹

      Ein tiefer Un­mut stieg in ihr auf: wäh­rend die Welt über­all voll Lust und Pran­gen war, muss­te sie in die­sem Schlos­se ein­ge­sperrt sein, des­sen Luft Gott weiß wo­her von ver­derb­li­chen Übeln voll zu sein schi­en. Kaum war sie der düs­te­ren Ge­sell­schaft ih­res Man­nes le­dig, so kam der alte Her­zog und klag­te sich un­ter Wei­nen und Seuf­zen an, er habe den ein­zi­gen Sohn, der ihm üb­rig­ge­blie­ben sei, zur Verzweif­lung ge­trie­ben, in­dem er ihn nicht zur Re­gie­rung habe zu­las­sen wol­len; das habe ihn mit arg­wöh­ni­schen und wi­der­wär­ti­gen Ge­dan­ken er­füllt; er sei ein har­ter, un­ge­rech­ter Va­ter ge­we­sen, zur Stra­fe wer­de nun sein Haus aus­ster­ben und Un­glück über sein Land kom­men. Ja­ko­be dach­te bei sich, dass dem Al­ten recht ge­sch­ehe; aber lan­ge moch­te sie ihn doch nicht wei­nen se­hen und be­schwich­tig­te ihn mit mit­lei­di­gen Wor­ten und aus­ge­las­se­nen Ne­cke­rei­en, so­dass er sie zu­letzt aus sei­nem Jam­mer kläg­lich an­la­chen muss­te. Er und Si­byl­le schrie­ben lan­ge Brie­fe an Jan Wil­helm, er sol­le sich nur lus­tig ma­chen, da­heim gehe al­les gut und nach Wunsch; denn Dok­tor So­len­an­der hat­te ih­nen ge­sagt, es sei wich­tig, dass der Kran­ke hei­te­re Ein­drücke er­hal­te.

      Drei Tage spä­ter je­doch wur­de der Rei­sen­de von Schen­kern zu­rück­ge­bracht, der er­klär­te, nach ei­ner an­fäng­li­chen Bes­se­rung


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