Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Des­halb nä­her­te er sich all­mäh­lich der Si­byl­le, die küm­mer­lich und sor­gen­voll als eine frei­wil­lig Ge­fan­ge­ne im Schlos­se leb­te und sich ge­gen je­der­mann be­klag­te, dass die Schwä­ge­rin sie nicht zu ih­rem Bru­der las­se und dass sie seit dem Tode ih­res Va­ters ver­ach­tet und ver­sto­ßen in ste­ten Ängs­ten le­ben müs­se. Er hin­ter­brach­te ihr, wie das Un­kraut der Ket­ze­rei im Lan­de fort­wu­che­re, da es nicht aus­ge­reu­tet wer­de, son­dern un­ter dem Schut­ze der Her­zo­gin sich frech aus­sprei­zen kön­ne; wie die pro­tes­tan­ti­schen Fürs­ten sich schon als Her­ren ge­bär­de­ten und wie man ihr, der Si­byl­le, zu gu­ter Letzt auch noch einen ket­ze­ri­schen Ge­mahl auf­zwin­gen wer­de.

      Das sol­le nie­mals ge­sche­hen, sag­te Si­byl­le, lie­ber wol­le sie un­ter aus­ge­such­ten Mar­tern ster­ben; sie habe es aber auch schon be­merkt, dass man sie her­um­zu­krie­gen hof­fe.

      Wenn sie nur eine Stüt­ze an ih­rem Bru­der hät­te, sag­te Schen­kern. Es sei doch wun­der­lich, wie Jan Wil­helm vor der Hoch­zeit ein so ge­sun­der, from­mer und treff­li­cher Herr ge­we­sen sei und wie mit dem Ein­zu­ge der Ja­ko­be das Un­we­sen sei­nen An­fang ge­nom­men habe.

      Nie­mals habe sie ihr trau­en mö­gen, sag­te Si­byl­le; schau­rig sei es ihr über die Haut ge­lau­fen, als sie sie zu­erst er­blickt habe, und auch ihr ar­mer Bru­der habe oft wun­der­li­che Re­den über sie ge­führt, wenn er sich auch nicht of­fen her­aus­ge­traut hät­te, da er of­fen­bar von ihr ver­strickt und ver­zau­bert ge­we­sen sei. Dass sie ihm nie­mals mit rech­ter ehe­li­cher Lie­be zu­ge­tan ge­we­sen sei, kön­ne sie, Si­byl­le, ge­nug­sam be­wei­sen; was für Teu­fe­lei­en sie mit ihm und ih­nen al­len vor­ha­be, wis­se kei­ner ge­nau, und es sei wohl an­ge­zeigt, sich recht­zei­tig in De­fen­si­on zu set­zen. Es hielt nicht schwer, die Prin­zes­sin in der Über­zeu­gung zu be­stär­ken, es wer­de nicht eher gut, als bis Ja­ko­be mit ih­ren Teu­fels­küns­ten fort­ge­räumt sei; dann erst wer­de es mit der Re­li­gi­on, dem Her­zog und dem gan­zen Lan­de wie­der in den al­ten Flor kom­men. Als eine flei­ßi­ge Schrei­be­rin setz­te Si­byl­le die Punk­te auf, durch wel­che ihre Schwä­ge­rin sich von An­fang an ver­däch­tig ge­macht habe, ging sie mit Schen­kern durch, der noch dies und je­nes hin­zu­setz­te, und gab das Ver­spre­chen, vor Ge­richt al­les münd­lich zu wie­der­ho­len und zu be­kräf­ti­gen, wenn der Pro­zess nur stracks an­ge­zet­telt und eif­rig ge­för­dert wür­de.

      Bald da­nach kam Herr von Bon­gart in großer Er­re­gung zu Ja­ko­be: Schen­kern habe al­len Stän­den, Be­am­ten und her­zog­li­chen Die­nern an­ge­zeigt, der Her­zog wer­de un­ter dem Vor­ge­ben, dass er krank sei, von sei­ner Ge­mah­lin in ge­fäng­nis­haf­ter Ein­sper­rung ge­hal­ten; nie­mand sol­le ihr bei Stra­fe Lei­bes und Le­bens mehr die­nen, er wol­le den Her­zog be­frei­en, da­mit die Un­ter­ta­nen ih­res recht­mä­ßi­gen Herrn wie­der ge­nie­ßen könn­ten. Ja­ko­be sol­le nicht mei­nen, dass dies nur lee­re Dro­hun­gen wä­ren; man munkle schon, dass auf ein ge­ge­be­nes Zei­chen die Spa­nier ein­fal­len und eine neue Bar­tho­lo­mäus­nacht ver­an­stal­ten wür­den, wel­cher kei­ner ent­rin­nen soll­te, der re­for­mier­ten Glau­bens sei oder sich Schen­kern wi­der­set­zen wür­de. Die Her­zo­gin müs­se sich nun ent­schei­den, ob sie es mit ih­nen hal­ten wol­le, so woll­ten sie auch Gut und Blut an ihre Ret­tung wa­gen. Sie sol­le ih­rem Glau­ben in Frie­den an­hän­gen und ihn im Schlos­se aus­üben, eben­so soll­ten ihre Glau­bens­ge­nos­sen, so­fern sie sich be­schei­den hiel­ten, vor ge­walt­sa­mer Be­drän­gung si­cher sein; doch müs­se sie ih­rer­seits den Re­for­mier­ten ih­ren Glau­ben und sons­ti­ge Rech­te ver­bür­gen und ih­nen Si­cher­heit ge­gen die Spa­nier und Je­sui­ten ge­ben. Sie woll­ten sich jetzt mit ih­rem fürst­li­chen Wort zu­frie­den­stel­len, weil Ge­fahr im Ver­zu­ge sei, spä­ter, wenn sie erst freie Hand vor den Ty­ran­nen hät­ten, kön­ne der Ver­trag im ein­zel­nen aus­ge­macht wer­den.

      Nein, rief Ja­ko­be auf­flam­mend, sie kenn­ten sie schlecht, wenn sie glaub­ten, dass sie et­was zur Ver­klei­ne­rung ih­rer Re­li­gi­on un­ter­neh­men wür­de. Dann wür­de Gott frei­lich die Hand von ihr ab­zie­hen, wenn sie Land und Leu­te den Ket­zern aus­lie­fer­te. Sie wol­le mit Hil­fe Got­tes und auf sei­ne Ge­rech­tig­keit bau­end al­ler ih­rer Fein­de Herr wer­den. Da­von war sie nicht ab­zu­brin­gen, so­dass Bon­gart nach lan­ger ver­geb­li­cher Un­ter­re­dung mit düs­te­rer Mie­ne das Schloss ver­ließ.

      Ja­ko­be mein­te im Schlos­se si­cher wie in ei­ner Fes­tung zu sein; als aber die Dun­kel­heit des Abends her­ein­brach und sie vom Rhein her ein Plät­schern und Rau­schen zu hö­ren glaub­te, wur­de ihr ban­ge, und es fiel ihr ein, selbst an den Fluss zu ge­hen und den Fähr­leu­ten zu be­feh­len, dass sie wäh­rend der Nacht nie­man­den, wer es auch sei, über­setz­ten. Sie leg­te ih­ren Pelz an, denn es war Win­ter, und ging, nur von ei­ner ih­rer Kam­mer­frau­en be­glei­tet, zu den Hüt­ten der Fähr­leu­te, die ihr be­reit­wil­lig Ge­hor­sam zu­si­cher­ten. Über dem schwarz­blan­ken Stro­me wog­te kal­ter Dunst, und am Him­mel glit­zer­ten die Ster­ne mit Eis­glanz. Es könn­te leicht die käl­tes­te Nacht des Win­ters wer­den, sag­te ein Fähr­mann, in­dem er dem Rauch sei­nes Atems nach­blick­te. Sie wol­le ih­nen einen gu­ten Schlaf­trunk hin­un­ter­schi­cken, sag­te Ja­ko­be mun­ter; dann soll­ten sie sich aufs Ohr le­gen und aus­ru­hen, denn in die­ser Nacht sei ihr Dienst, kei­ne Diens­te zu leis­ten.

      Wie ehr­lich die Fähr­leu­te es auch im Au­gen­blick mein­ten, stimm­ten sie doch die Ver­spre­chun­gen Schen­kerns und noch mehr sei­ne Dro­hun­gen rasch um; denn wer, dach­ten sie, wür­de sie her­nach vor sei­nem Zor­ne be­schir­men? und so setz­ten sie die Ver­schwo­re­nen mit ih­ren Knech­ten und Waf­fen nach­ein­an­der über den Strom. Auch im Schlos­se fan­den die­se nur ge­rin­gen Wi­der­stand, be­setz­ten es, quar­tier­ten Jan Wil­helm in die Ge­mä­cher sei­ner Ge­mah­lin ein und führ­ten Ja­ko­be un­ter höh­ni­schen Dro­hun­gen und an­züg­li­chen Spä­ßen in das Zim­mer, das er seit drei Jah­ren nie ver­las­sen hat­te. Sie sei die Zau­be­rin Cir­ce und habe ih­ren ei­ge­nen Ge­mahl als ein ver­ächt­li­ches Schwein in einen Ko­ben ge­sperrt; aber wie der rühm­li­che Held Odys­seus die Lis­ti­ge über­lis­tet habe, so müs­se sie nun selbst in den un­flä­ti­gen Kä­fig wan­dern, wo sie zu­vor das Op­fer ih­rer Teu­fels­küns­te ge­hal­ten hät­te.

      Wie dann die förm­li­che An­kla­ge ans Licht trat, in wel­cher Ja­ko­be als eine Ehe­bre­che­rin und Zau­be­rin ab­ge­schil­dert war, die den Schei­ter­hau­fen ver­dient habe, ent­setz­te und ent­rüs­te­te sie sich zwar an­fäng­lich; aber sie trös­te­te sich ih­res Man­nes, der sie, wie sie mein­te, doch nicht ganz ver­ges­sen und ver­sto­ßen ha­ben könn­te, fer­ner des Kur­fürs­ten Ernst, des al­ten Her­zogs von Bay­ern, ih­res Pfle­ge­va­ters, und an­de­rer Freun­de, schließ­lich der Stell­ver­tre­ter Got­tes auf Er­den, des Paps­tes und des Kai­sers, wel­che bei­de oft­mals ihr vä­ter­li­ches Wohl­wol­len für sie um­ständ­lich an­ge­zo­gen hat­ten.

      Was Jan Wil­helm an­be­langt, so be­kam er krampf­haf­te Zu­fäl­le, wenn man nur den Na­men sei­ner Frau nann­te, und schimpf­te sie Be­trü­ge­rin, Zau­be­rin und Hexe, die ihm zu­erst mit gott­lo­sen Rän­ken den Kopf krank ge­macht und ihn dann für toll aus­ge­ge­ben habe, um die Her­rin zu spie­len und sei­ner zu spot­ten. Als es ihr ver­mit­telst ein paar treu­er Die­ner ge­lang, ihm einen Brief zu­zu­spie­len, in dem sie ihn an die ehe­li­che Lie­be und Treue mahn­te und an­fleh­te,


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