Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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stür­misch des Pfalz­gra­fen Sinn auch war, wuss­te er doch, dass er sich einst­wei­len noch zu­rück­hal­ten muss­te, be­son­ders weil das Erbrecht sei­ner Frau durch einen Ver­zicht, den sie bei der Hei­rat ge­tan hat­te, zwei­fel­haft und sein Land zu klein und un­aus­gie­big war, als dass er ver­ein­zelt et­was hät­te aus­rich­ten kön­nen. Zu­nächst rie­fen die strei­ten­den Par­tei­en die höchs­te Macht des Kai­sers an, und Ge­sand­te und Be­voll­mäch­tig­te reis­ten zwi­schen Prag und Düs­sel­dorf er­geb­nis­los hin und wi­der. Die In­struk­tio­nen Kai­ser Ru­dolfs wa­ren näm­lich dar­auf zu­ge­rich­tet, dass der Zu­stand wo­mög­lich er­hal­ten blie­be, in dem alle Par­tei­en sich die Waa­ge hiel­ten, und höchs­tens etwa Schen­kern ein we­nig ge­schützt wür­de, von dem man sich am ehe­s­ten Nut­zen ver­sprach; denn so blieb der Kai­ser Schieds­rich­ter und konn­te nach dem Aus­ster­ben der re­gie­ren­den Fa­mi­lie de­sto bes­ser die Beu­te an sich rei­ßen.

      Zu­wei­len war Ja­ko­be nie­der­ge­schla­gen und wein­te ver­stoh­len, um nach­her de­sto fröh­li­cher zu sein. Es ge­hör­te zu ih­rem Hof­staat ein Narr, den sie wohl lei­den moch­te, weil er sie je­der­zeit zum La­chen brach­te. Er hat­te ein bart­lo­ses Ge­sicht, dem nicht an­zu­se­hen war, ob er jung oder alt sei, und eine jäm­mer­li­che Mie­ne, ob­wohl er sich ge­wöhnt hat­te, sei­nem Be­ru­fe ge­mäß be­stän­dig Spä­ße zu ma­chen, ja auch das Ernst­haf­te in al­ber­ner Form vor­zu­brin­gen. Ja­ko­be pfleg­te stun­den­lang tol­les Zeug mit ihm zu schwat­zen und lach­te bis zu Trä­nen da­bei, be­son­ders wenn ihre Schwä­ge­rin Si­byl­le da­zu­kam und schee­le Bli­cke auf ihre Aus­ge­las­sen­heit warf. Ein­mal be­riet sie mit dem Nar­ren, was sie an­stel­len könn­ten, um ih­ren schwer­mü­ti­gen Ge­mahl zu er­hei­tern, und nach al­ler­lei Vor­schlä­gen, mit de­nen sie sich ge­gen­sei­tig stei­ger­ten, ka­men sie über­ein, der Narr sol­le Klei­der und Kopf­putz der Her­zo­gin an­le­gen und so zu Jan Wil­helm ge­hen und ihm schön­tun, wie wenn er Ja­ko­be wäre, was sie auch aus­führ­ten. Durch eine Spal­te der Tür sah Ja­ko­be zu, wie der Narr, den sie selbst aus­staf­fiert hat­te, sei­ne wei­ner­li­che Stim­me so süß an­schlug, wie er konn­te, um dem Kran­ken al­ler­lei ge­zier­te und fre­che Zärt­lich­kei­ten vor­zu­tra­gen, und ihn zu­letzt zu ei­nem Tänz­chen be­wog, wo­bei er sich ab­son­der­lich ver­dreh­te und mit der schwe­ren Schlep­pe ih­res Ge­wan­des schar­wen­zel­te. »Gott steh mir bei«, sag­te Ja­ko­be, wäh­rend sie den seuf­zen­den Nar­ren aus sei­ner Ver­mum­mung be­frei­te, »was für ein Scheu­sal bin ich in mei­nes Ge­mahls Au­gen! Mich nimmt wun­der, wie er doch al­le­we­ge so sehr in mich ver­liebt sein mag.«

      In­des­sen muss­te Ja­ko­be wahr­neh­men, dass die An­häng­lich­keit ih­res Man­nes, der sie sich nach fast zehn­jäh­ri­ger Ehe und nach so vie­len Pro­ben si­cher wähn­te, ab­nahm, ja zu­wei­len sich in das Ge­gen­teil ver­kehr­te. Mein­te sie an­fäng­lich, dass es sich nur um eine der sinn­lo­sen Lau­nen hand­le, wie sei­ne Krank­heit sie mit sich brach­te, so über­zeug­te sie sich all­mäh­lich, dass et­was an­de­res da­hin­ter­steck­te, und rich­te­te ih­ren Ver­dacht auf Schen­kern, der nebst sei­nen An­hän­gern den Her­zog häu­fig be­such­te und auf ihn ein­re­de­te. Als sie nun den Die­nern Be­fehl gab, nie­man­den mehr ohne ihr Wis­sen zu ih­rem Ge­mahl zu las­sen, kam ei­nes Ta­ges Herr von Os­sen­bruch, in al­len Din­gen Schen­kerns Hel­fer und Ge­sel­le, das Kam­mer­fräu­lein bei­sei­te schie­bend in ihr Ge­mach und be­klag­te sich, dass sie den Her­zog ab­sper­re.

      Wie er sich er­dreis­ten kön­ne, so gröb­lich zu ihr her­ein­zu­fah­ren, herrsch­te sie ihn an. Sie sol­le ihn doch nicht für ih­ren Feind an­se­hen, sag­te nun Os­sen­bruch, sie sei ein viel zu schö­nes Weib­chen, als dass ein Mann sie has­sen kön­ne. Sie ste­he ja auch so ver­las­sen da, und wenn sie des Tros­tes be­dür­fe, möch­te sie sich doch an ihn hal­ten, er sei ein Mann für zehn Män­ner, er sei ein Fels, sie sol­le es nur mit ihm ver­su­chen, und so wei­ter. Wie er ihr da­bei zu­dring­lich nä­her kam und sein duns­ti­ger Atem sie streif­te, rief sie, er sei be­trun­ken und sol­le sie auf der Stel­le ver­las­sen, was er aber nicht für Ernst nahm; so schlug sie ihn mit der Hand in das ge­dun­se­ne Ge­sicht und ge­bot den Die­nern, die in­zwi­schen her­bei­ge­eilt wa­ren, ihn fort­zu­schaf­fen.

      Hier­über kam es zu ei­nem Streit mit Schen­kern, der Ge­nug­tu­ung für den sei­nem Freun­de zu­ge­füg­ten Schimpf for­der­te, wäh­rend Ja­ko­be ver­lang­te, dass Os­sen­bruch be­straft und dass sie ins­künf­tig vor ähn­li­cher Un­ge­bühr ge­si­chert wür­de. Es wun­de­re ihn, sag­te Schen­kern, was für über­spann­te Prä­ten­tio­nen sie stel­le, da sie doch ihre Pf­lich­ten als Ge­mah­lin des Her­zogs nicht er­fül­le, viel­mehr ih­ren Mann ein­schlie­ße, um al­lein zu herr­schen, ihm auch nicht ein­mal einen Er­ben ge­bo­ren habe, was ihn füg­lich ver­an­las­sen könn­te, das un­frucht­ba­re Bünd­nis auf­zu­lö­sen, wo­für es an Bei­spie­len aus der al­ten und neu­en Ge­schich­te nicht feh­le. Mit spöt­ti­schem Lä­cheln ent­geg­ne­te Ja­ko­be, er habe wohl ver­ges­sen, dass sie und ihr Ge­mahl der hei­li­gen ka­tho­li­schen Kir­che an­ge­hör­ten, wel­che die Ehe­schei­dung nicht zu­las­se; so­lan­ge sie am Le­ben sei, kön­ne der Her­zog nur Ba­star­de zeu­gen, wenn er über­haupt dazu fä­hig sei.

      Schen­kern ant­wor­te­te dar­auf nicht; denn es traf ihn, dass sie recht ha­ben könn­te: so­lan­ge sie am Le­ben sei, wür­de er nichts Durch­grei­fen­des aus­rich­ten kön­nen. Es war in der Tat un­wahr­schein­lich, dass der Papst sich zur Schei­dung der Ehe be­reit­fin­den las­sen wür­de; woll­te er, Schen­kern, den Her­zog an­der­wei­tig ver­mäh­len, so müss­te Ja­ko­be ster­ben. Nach­dem er sich dies eine kur­ze Zeit hat­te durch den Kopf ge­hen las­sen, schrieb er an den Dok­tor So­len­an­der, der mit Gif­ten wie mit Heil­mit­teln Be­scheid wuss­te, weil es zum ge­mei­nen Nut­zen not­wen­dig sei, sol­le er die Her­zo­gin Ja­ko­be, die den Tod viel­fach aus die­sen und je­nen Grün­den ver­dient habe, ganz heim­lich mit ei­nem ge­eig­ne­ten Gif­te, das etwa ei­ner Arz­nei oder den Spei­sen bei­ge­mischt wer­den kön­ne, ver­ge­ben; zu­gleich ihn mit nicht aus­blei­ben­der schreck­li­cher Stra­fe be­dro­hend, falls er von dem hei­klen Ge­schäft et­was ruch­bar wer­den lie­ße.

      So­len­an­der be­ant­wor­te­te dies Schrei­ben mit ei­nem Brie­fe des In­halts: Ei­nem Arz­te, der im Na­men Got­tes die Kunst, zu hei­len und die Men­schen an Leib und Le­ben zu för­dern, aus­übe, sei es de­sto schänd­li­cher, sei­ne Wis­sen­schaft zum Zwe­cke des Mor­des zu be­nüt­zen, und we­der die Furcht vor Ra­che noch die Gier nach Be­loh­nung wür­de ihn je dazu be­we­gen, sich an ir­gend­je­man­dem, ge­schwei­ge an der Her­zo­gin zu ver­grei­fen. Habe die­sel­be eine Schuld auf sich ge­la­den, so soll­ten Rich­ter, de­nen es zu­ste­he, dar­über er­ken­nen; er sei aber der Mei­nung, wenn er auch den Staats­ge­schäf­ten fern­ste­he, dass sie sich kein so bar­ba­ri­sches Ur­teil mit Recht zu­ge­zo­gen habe, da viel­mehr, selbst wenn sie aus Ju­gend und Un­be­dacht sich ein­mal ver­fehlt hät­te, die trau­ri­ge und höchst schwie­ri­ge Lage, in die sie un­vor­be­rei­tet ge­ra­ten sei, sie von je­dem Vor­wurf frei­spre­chen müs­se.

      Nicht ohne Be­sorg­nis be­trach­te­te So­len­an­der seit­dem die Her­zo­gin, die er von dem Mord­wil­len ei­nes fast all­mäch­ti­gen Man­nes um­kreist wuss­te, und er sann ver­geb­lich, wie sie aus dem Feu­er­gür­tel, der sie um­zün­gel­te, zu ret­ten sei. Das ge­fähr­li­che Ge­heim­nis je­man­dem an­zu­ver­trau­en, wag­te er nicht; es hät­te wohl auch nicht ein­mal ein Fürst den Ge­walt­ha­ber, der den Kai­ser


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