Die verbannte Prinzessin. Heinrich Thies

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Die verbannte Prinzessin - Heinrich Thies


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      »Das darfst du nicht von mir verlangen, dass ich bei dieser Madame zu Kreuze krieche«, wandte die Herzogin zunächst ein. Aber dann begriff sie, dass sie keine andere Wahl hatte. Um zu verhindern, dass die gewaltige Mitgift dem Feind zufiel, musste sie klein beigeben und in Celle um die Hand Sophie Dorotheas anhalten – stellvertretend für ihren Ältesten, stellvertretend für Georg Ludwig.

      Ohne anzuklopfen ging sie ins Schlafgemach. Der Heideherzog saß gerade am Frisiertisch, um sich die Morgenperücke aufsetzen zu lassen. Sein kurzgeschorenes fuchsrotes Haar leuchtete in der Sonne, die durch das Schlossfenster schien. Neben Tabak- und Puderdosen, Parfümflakons und Frisierspiegeln dampfte die heiße Frühstücksbouillon. Doch Sophie achtete nicht darauf. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, setzte sie sich neben den einstigen Verlobten. Dem Herzog, sonst nie um einen deftigen Spruch verlegen, fiel es schwer, seine Verblüffung in Worte zu fassen.

      »Du? Sophie? Wo kommst du her?«

      Die Angesprochene nutzte die Verwirrung des Schwagers und bestimmte von vornherein die Richtung des Gesprächs.

      »Ich bin gekommen, weil ich Deiner Tochter zum Geburtstag gratulieren wollte«, begann sie. »Ich war die ganze Nacht unterwegs, entschuldige also bitte, wenn ich ein wenig abgehetzt bin.«

      »Natürlich, selbstverständlich. Schön, dass du da bist. Du musst durstig sein. Was darf ich dir …?«

      »Danke, nicht nötig.«

      Der Herzog von Celle hatte in dieser frühen Morgenstunde immer noch nicht begriffen, wie ihm geschah. Doch die Besucherin gab ohnehin den Ton an.

      »Schön ist es hier geworden. Wundervoll, wirklich. Was für prächtige Leuchter?«

      »Ja, die sind wirklich sehr schön, wir haben das Glas aus Murano kommen lassen. Oh ja, Venedig, das waren noch Zeiten. Ich darf gar nicht daran denken.«

      Die altbekannten Fernwehattacken, Sophie ging erst gar nicht darauf ein. »Auch die Decke scheint neu zu sein«, fuhr sie fort. »Schön, diese weißen Stuckarbeiten. Wirklich, sehr geschmackvoll.«

      »Ja, die hat uns ein Italiener gemacht. Wie heißt er noch? Tonelli?

      »Du meinst Tornielli – Giovanni Batista Tornielli.«

      »Natürlich, Tornielli, der war’s. Meine Frau hätte es sofort gewusst, aber ich kann mir diese Namen einfach nicht merken.«

      »Wo ist denn eigentlich die Madame, äh, ich meine, die Herzogin?«

      Anstatt zu antworten, zeigte Georg Wilhelm zunächst nur auf die halb geöffnete Tür. Er räusperte sich. »Die Herzogin liegt noch im Bett.«

      Doch sie war offenkundig bereits wach. »Was ist denn da los?«, rief Eleonore plötzlich mit verschlafener Stimme aus dem Nachbarraum. »Was macht ihr für einen Lärm so früh am Morgen.«

      »Besuch aus Hannover, mein Schatz. Sophie ist gekommen«, antwortete der Herzog. »Aber lass dich durch uns nicht stören, schlaf ruhig noch ein wenig, mein Liebling.«

      Nun sah sich auch die Besucherin genötigt, ein Wort der Begrüßung an die Unsichtbare unterm Baldachin im Nebenzimmer zu entrichten. »Guten Morgen, Gnädigste. Ich bin gekommen, Eurer Tochter meine Glückwünsche zum Geburtstag zu entrichten.«

      »Wie freundlich.«

      Doch Eleonore d’Olbreuse war so entsetzt über den unerwarteten Besuch, dass sie sofort wieder verstummte.

      Mit gedämpfter Stimme fuhr Sophie fort, auf ihren Schwager einzureden. Bevor sie zur Sache kam, umgarnte sie ihren Gesprächspartner weiter mit Freundlichkeiten.

      »Wie lange ist es nur her, dass wir zusammengesessen haben. Ach, es ist alles so schwierig geworden, mein Lieber. Ich finde, es wird Zeit, dass wir unsere Empfindlichkeiten allmählich überwinden und miteinander verkehren, wie es sich für eine Familie gehört. Meinst du nicht auch?«

      »Du sprichst mir aus dem Herzen.«

      »Wunderbar. Das wird auch dein Bruder gern hören, er sehnt sich schon lange danach, wieder einmal mit dir zur Rebhuhnjagd zu fahren. Ich soll übrigens herzliche Grüße von ihm ausrichten.«

      »Vielen Dank, Sophie. Sehr freundlich. Bitte grüße ihn auch von mir.«

      »Mit dem größten Vergnügen.«

      Sie faltete die Hände. »Georg Wilhelm«, setzte sie neu an. »Du weißt, Ernst August schätzt dich wirklich sehr, und er bedauert, dass ihr euch in den vergangenen Jahren so weit voneinander entfernt habt.«

      »Mir geht es genauso.«

      »Da wirst du mir zustimmen, dass wir alles tun sollten, um das Band zwischen Celle und Hannover wieder enger zu knüpfen.«

      Sie nahm einen Schluck von der heißen Schokolade, die ihr ungebeten gebracht worden war.

      »Ich glaube, die Chancen sind ausgezeichnet. Ich möchte dir einen Vorschlag machen.«

      Daraufhin präsentierte sie dem Herzog ihren Heiratsplan.

      Georg Wilhelm war so gerührt von den versöhnlichen Worten, so erfüllt von der Hoffnung auf ein Ende der Eiszeit zwischen Hannover und Celle, dass es ihm gar nicht in den Sinn kam, Bedenken zu äußern. Das Problem war nur: Wie konnte er seine Frau und seine Tochter von dem neuen Plan überzeugen?

      Er wandte all sein diplomatisches Geschick auf, doch die Floskeln und Liebenswürdigkeiten prallten ab an der Herzogin von Celle. Die sonst so charmante Französin tobte, als Georg Wilhelm ihr das Ergebnis seiner Unterredung mit Sophie mitteilte.

      »Wie kannst du mir das antun?«, fauchte sie ihn an. »Wie kannst du es wagen! Unser Kind mit diesem plumpen Kerl zu verheiraten? Unseren Schatz in die Hände einer Frau zu geben, die mich bisher nur verachtet hat, die mich behandelt hat wie, wie eine Zofe, ja schlimmer: wie eine dahergelaufene Küchenmagd. Wie den letzten Dreck!«

      Und dann erstarben ihre Worte in heftigem Schluchzen.

      Georg Wilhelm ließ der Gefühlsausbruch nicht kalt. »Eleonore bitte, du musst verstehen, mir fällt es auch nicht leicht«, redete er auf sie ein, während er nervös an seiner Perücke herumnestelte. »Du weißt, was mir unsere Tochter bedeutet. Sophie Dorothea ist mir das Liebste auf der Welt, neben dir selbstverständlich. Aber glaub mir, es ist das Beste für sie. Sie wird eine glänzende Zukunft haben. Und für uns, Eleonore, für uns ist es auch gut so. Wir werden endlich wieder mit Ernst August und Sophie verkehren, wie es sich für eine Familie gehört. Du wirst sehen, Sophie meint es gut. Sie wird dich in ihre Arme schließen wie eine Schwester. Glaub mir …«

      »Das kann nicht dein Ernst sein.« Eleonore schlug sich die Hände vor die Augen. »Lieber werde ich eine Natter an meine Brust drücken, als mich von diesem Biest in die Arme nehmen zu lassen. Ich habe nichts vergessen. Nichts.«

      Der Herzog wusste, wie groß die Verletzung war, die Sophie seiner Braut zugefügt hatte, als sie aus ihrem holländischen Exil gekommen war. Wie eine Freundin hatte sie Eleonore auf dem Schloss in Osnabrück empfangen, wo sie damals an der Seite ihres Mannes Ernst August als Fürstbischöfin residierte. Doch dann war immer deutlicher geworden, dass sie Eleonore nicht als seine rechtmäßige Gemahlin betrachtet hatte, sondern als eine gewöhnliche Mätresse. Nicht einmal an der herrschaftlichen Tafel durfte sie sitzen. Und Georg Wilhelm war sich bewusst, dass er die Schuld an all dem trug. Er selbst hatte ja seinem Bruder versprochen, der Ehe zu entsagen, sich »keineswegs in eine Heirat einzulassen«, wie es in dem Kontrakt stand. Aber dann hatte er im holländischen Breda diese bildschöne Französin kennen gelernt und alle Vorsätze über Bord geworfen.

      Wer war diese Eleonore d’ Olbreuse? Sie entstammte der Provinz Poitou an der französischen Westküste, war 1639 auf dem Schloss Olbreuse zur Welt gekommen. Weil ihre Familie sich zu Calvin und dem Protestantismus bekannte, war sie den Reformierten, den Hugenotten zugerechnet und verfolgt worden. Schließlich entschloss sie sich, Frankreich zu verlassen und nach Holland zu emigrieren. Und in Breda traf sie Georg Wilhelm,


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