Mord im Hause des Herrn. Franziska Steinhauer
Читать онлайн книгу.Kirche auf Holm gefunden, erschlagen von einem massiven Glaskreuz. Das Ding war so schwer, dass wir extra ein Team mit einer Seilwinde anfordern mussten, um es zu heben.«
Hinter Lundquist waren schon die ersten Fotos aus der Kirche an der Magnetwand angepinnt worden.
Ole Wikström runzelte die Stirn.
»Wenn es so schwer war, können wir doch wohl kaum davon ausgehen, dass ein einzelner Kirchenbesucher es versehentlich umgestoßen hat, auch kann einer allein den anderen nicht damit erschlagen haben. Erdbeben?«
»Nein. Es gab kein Erdbeben. Wir haben schon mal vorsichtshalber nachgefragt. Keine seismologischen Besonderheiten«, antwortete Lundquist.
»Also doch Mord?«
Lundquist erhob sich etwas schwerfällig und zeigte auf die Aufnahmen.
»Es kann auch nicht einfach umgestoßen worden sein.«
Er wies auf einen Punkt auf einem der Fotos.
»Hier stand das Kreuz – der Fuß hat sich deutlich im Boden abgedrückt, und in der Umgebung finden sich jede Menge zum Teil tiefe Kratzer in den Dielen – und hier«, er wies auf den Toten, »und genau hier an dieser Stelle wurde das Opfer getroffen. Wir haben den Weg ausgemessen, und dabei wurde klar, dass das Kreuz um mindestens zwei Meter in Richtung Altar verschoben worden sein musste, um den Mann zu treffen.«
»Aber selbst wenn man es geschoben haben sollte – das ist doch laut. Warum hat sich der Mann nicht durch einen Sprung in Sicherheit gebracht?«, wollte Bernt Örneberg wissen.
»Vielleicht war er ja eingenickt. Viele Männer schlafen beim Gottesdienst ein«, stichelte Britta und sah Bernt herausfordernd an.
»Das ist eine der Fragen, die wir zu klären haben: Was wollte der Mann eigentlich um diese Zeit in der Kirche? Schließlich stammt er nicht aus dem Ort. Familiäre Krise? Suchte er Rat? – Vor der Kirche stand ein großer Saab mit dänischem Kennzeichen. Umgebaut für die Nutzung durch einen Rollstuhlfahrer. Was, wenn der Mann sich einfach nicht bewegen konnte?«, überlegte Lundquist laut.
Für einen Moment waren alle still.
Lähmendes Entsetzen lastete über dem Besprechungstisch. »Sich so was vorzustellen«, murmelte Ole leise, »jemand erschlägt mit diesem Riesending einen anderen, der die Gefahr zwar kommen sieht, aber hilflos der Situation ausgeliefert ist und ihm nichts anderes übrig bleibt, als darauf zu warten, dass der Mörder seine Tat vollendet. – Grausam.«
»Ja. Eine entsetzliche Vorstellung. – Nur haben wir es hier wohl nicht mit einem Einzeltäter zu tun. Es sei denn, er verfügt über übermenschliche Kräfte«, stellte Lundquist trocken klar. »Was die Sache allerdings keinesfalls erträglicher macht.«
»Und wie sollen wir uns das vorstellen? Mehrere Männer aus dem Ort treffen sich nachts in der Kirche, um dort einen wehrlosen Fremden zu erschlagen? Wieso sollten sie das tun?« Britta sah fragend in die Runde.
»Wenn dieses Kreuz so schwer war, warum wurde er dann nicht von der Wucht einfach zermalmt?«, warf Bernt ein.
»Die Spurensicherung meint, das läge daran, dass die vorderen Reihen des Gestühls fest mit dem Boden verschraubt sind. Weiter hinten stehen lockere Bankreihen, die sich automatisch verschoben hätten. Aber die ersten fünf Reihen sind fest verankert. Außerdem hatte sich das Kreuz mit einer Ecke an der Säule verkantet, es wurde so stark abgebremst, dass nur eine Ecke des linken Seitenarms ins Gestühl einschlug. Es entstand eine tiefe Kerbe, mehr nicht. Und da die Bänke verschraubt sind ... Natürlich wäre das Holz des Gestühls bei einem ungebremsten Aufschlag völlig zersplittert.«
»Wieso glaubst du denn, dass die Täter aus dem Ort gekommen sind?«, fragte Ole bei Britta nach.
Achselzucken in der Runde.
»Wir müssen so schnell wie möglich rauskriegen, wer unser Toter ist«, stellte Lundquist fest. »Dann wird sich bald zeigen, ob er eine Verbindung zu Holm hatte oder nicht.«
Es klopfte.
»Der Rechtsmediziner hat einen ersten Kurzbericht geschickt.«
Ein Polizist reichte Lars einen Aktenordner und zog sich eilig wieder zurück.
»Hier steht, der Mann war 1,90 Meter groß und wog 134,2 Kilogramm. Die äußere Inspektion hat keinen Anhalt auf eine andere, als die vermutete Todesursache ergeben. Das Genick ist gebrochen. – Ganz schön schwerer Brocken«, sagte Lars.
Er selbst war beinahe zwei Meter groß und achtete akribisch auf sein Gewicht. Jedem Gramm zuviel wurde im Fitness-Studio sofort zu Leibe gerückt.
»Tja – vielleicht alles Muskulatur«, sagte Bernt, der selbst ständig gegen seinen Schwimmring und den leichten Bierbauch ankämpfte.
»Übrigens: Dr. Wennerström möchte einen von uns bei der Autopsie dabeihaben«, sagte Lars.
»Ich gehe«, legte Lundquist fest und trat wieder an die Magnettafel.
»Bernt, du sprichst mit den Leuten im Ort. Vielleicht fällt dem einen oder anderen ja doch noch ein, dass er einen Rollstuhlfahrer kennt. Über das Kennzeichen des Saab finden wir den Halter. Lars, du suchst in dieser Richtung – die dänischen Behörden sind gerne behilflich. Britta – du besuchst den Pfarrer. Sprich mit ihm über seine Kirche und die Leute, die regelmäßig zum Gottesdienst kommen. Wir müssen auch wissen, ob die Kirche nachts offen war. Ole, wie kam der Tote rein? Er musste doch mit dem Rollstuhl über den Kiesweg. Das war sicher gar nicht so einfach. Frag bei den Kollegen von der Spurensicherung nach, ob sie tiefe Furchen gefunden haben. Wir haben auch bisher den Rollstuhl nicht entdeckt. Für mich sieht das so aus, als wollte jemand dieses Beweisstück verschwinden lassen. Vielleicht stand der Name des Opfers darauf oder es gibt eine Art Registriernummer. Und kläre, ob in der Gegend bei einem Feuer Metallteile die zu einem Rollstuhl gehören könnten, gefunden wurden. Wäre doch möglich, dass der Täter ihn auf diese Weise verschwinden lassen wollte.«
Lundquist streckte sich.
»Jetzt ist es 14 Uhr. Wir treffen uns um 19 Uhr wieder hier. Vielleicht wissen wir dann schon deutlich mehr.«
Er verließ den Raum und hoffte wie schon so oft, dass sein etwas unsicherer Gang keinem aus dem Team auffallen möge.
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Nachdenklich betrachtete Dr. Wennerström den Toten, bevor er mit der Lupe Hals und Hinterkopf untersuchte, wo sich ein großes Hämatom gebildet hatte. Inzwischen war er sich sicher, dass das Opfer den ersten Schlag überlebt haben müsse.
Als er einen Blick auf die Fotos in der Akte warf, schnalzte er mit der Zunge. Ein liebenswerter Tick von ihm, an den sich inzwischen alle längst gewöhnt hatten, selbst sein Hund zuckte bei diesem Geräusch nicht mehr wie elektrisiert zusammen.
»Zwei Schläge mit so einem schweren Ding? Das ist doch wirklich mehr als unwahrscheinlich.«
Wieder schnalzte er mit der Zunge und richtete die Lichtquelle neu aus.
»Ja, was haben wir denn da?«
Er beugte sich noch tiefer über den Toten und stocherte vorsichtig mit einer langen Pinzette, die er von einem Tablett neben dem Seziertisch genommen hatte, in der Wunde herum. Schließlich zog er mit einiger Mühe einen winzigen Span heraus, den er behutsam auf einen Objektträger legte.
Leise summend trug er seinen Fund zum Mikroskop hinüber, nahm ungelenk die Brille ab und betrachtete den Span genauer.
Dann stieß er einen unmelodischen Pfiff aus.
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»Wie soll ich das verstehen?«
Lars Knyst war gereizt.
»Wir ermitteln in einem Mordfall, Mann! Ich möchte doch nur wissen, wem der Wagen mit dem Kennzeichen Rufus 15 gehört. Und du erklärst mir, das sei nicht so einfach!«, fauchte er seinen Gesprächspartner am Telefon an. »Ach – das ist ein Leihwagen? Und von welcher ...? Aha. Na, geht doch. Jetzt muss