Mord im Hause des Herrn. Franziska Steinhauer

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Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer


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      Einar schüttelte sich.

      »Was kam bei der Untersuchung raus?«

      »Er wurde obduziert. Als Todesursache hat der forensische Pathologe einen schweren Hieb auf den Hinterkopf festgestellt. Er war wohl vom umherschlagenden Segel getroffen worden und ist dann über Bord gegangen. Fremdverschulden war nicht anzunehmen – schließlich war er ja allein unterwegs. Man muss auch zugeben, dass es nicht mehr allzu viel gab, was der Rechtsmediziner hätte untersuchen können – du weißt schon, die Fische. Bei der feierlichen Beisetzung gab’s einen großen Auflauf. Alle waren da. Die ganze Insel.«

      Er war sichtlich ergriffen.

      »Wie konntest du ihn dann überhaupt identifizieren?«, fragte Ole.

      »Na, er sah schon ziemlich schrecklich aus – unvorstellbar, so zerfetzt schon nach ein paar Tagen. Noch heute träume ich manchmal von diesem Gesicht, dann wache ich schweißgebadet auf. Nach so langer Zeit! Der Arzt meinte damals, vielleicht habe auch die Brandung das ihre dazu beigetragen. Jedenfalls hat der Gerichtsmediziner die eindeutige Identifizierung anhand der Zahnarztunterlagen vornehmen müssen.«

      »Also gut. Wen kann ich denn sonst noch fragen?«

      »Jens, dem gehört der kleine Supermarkt am Ende der Straße. Alle kaufen bei ihm ein – und dabei schütten wohl manche auch gleich ihr Herz bei ihm aus. Der weiß mehr, als ihm lieb sein kann.«

      ****

      »Schön, dass du gerade kommst, Sven«, begrüßte Dr. Haakan Wennerström Hauptkommissar Lundquist. »Da kann ich dir gleich meine vorweihnachtliche Überraschung zeigen.«

      Er nahm einen Objektträger vom bereitstehenden Instrumentenwagen und wies auf einen winzigen Span.

      »Das ist ein Holzspan, lackiert. Unter dem Mikroskop sieht er irgendwie gerundet aus. Er stammt also nicht von einem Brett, einem Paddel oder so was. Ein Besenstiel oder Baseballschläger kämen eher in Betracht.«

      Beifall heischend beobachtete er Lundquists Reaktion. Doch der Ermittler schien immer noch nichts mit der Information anfangen zu können.

      »Verstehst du nicht, Sven? Dieser Span stammt von der Leiche aus der Kirche!«

      »Was?«

      »Ja. Den hab ich vorhin aus seinem Nacken präpariert – anders ausgedrückt: gepopelt. War gar nicht so einfach.«

      »Er wurde aber von einem massiven Glaskreuz erschlagen. Wie kommt dann der Holzspan ins Spiel? Vom Kirchengestühl?«

      »Vom Gestühl eher nicht. Schließlich lag er ja mit dem Kopf nach vorne, die Stirn berührte den vorderen Teil der Bank. Die Prellmarke passt auch nicht zu einem geraden Brett, und der Span auch nicht. Nein, nein. Ich glaube, er wurde mit einem schweren Gegenstand aus Holz erschlagen. Und anschließend arrangierte man alles so, dass alle glauben sollten, er sei durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen.« Wennerström wies mit dem Finger auf den Nacken des Toten.

      »Es sieht sogar so aus, als hätte er mehrere Schläge abbekommen. Hier am Rand finden sich unterblutete Bereiche, siehst du, hier«, er wies mit seinem gelblichblassen Latexfinger auf einige Stellen im Nacken des Opfers, »– das bedeutet, dass er nach den Schlägen, zumindest nach den ersten, noch gelebt haben muss.«

      »Dann diente das Kreuz also nur zur Tarnung. Wenigstens ein Trost für Pfarrer Landulf, wenn auch sicher nur ein schwacher.«

      »Ja, sieht ganz nach einer gestellten Szene aus. Ich glaube, es wurde ganz vorsichtig auf ihm abgelegt.«

      »Abgelegt? Du sprichst in Rätseln!«

      »Ich weiß, dass es seltsam klingt. Bei der äußerlichen Inspektion konnte ich keine Verletzung finden, die eindeutig dem Kreuz hätte zugeordnet werden können – vielleicht eine Quetschung, aber das klären wir ja jetzt.«

      Wennerström warf Lundquist eine Plastikschürze und eine Hygienehaube zu.

      Während Lundquist sich die Schürze zuband, richtete der forensische Pathologe mit knappen Bewegungen seine Instrumente auf einem Edelstahltablett. Eine Atmosphäre der Endgültigkeit hing über dem Sektionsraum.

      Nicht zum ersten Mal wünschte sich Hauptkommissar Lundquist weit weg von hier.

      Der Körper auf dem Tisch war groß und massig. Wennerström nahm ein Skalpell und schnitt in den Brustkorb. Es knirschte leicht, als liefe jemand über verharschten Neuschnee.

      »Er war sicher eine enorm stattliche Erscheinung. So groß und schwer – vielleicht Türsteher in einer Disko oder Leibwächter irgendeiner Unterweltgröße«, sagte Haakan Wennerström und griff nach der elektrischen Knochensäge.

      Eine Ewigkeit später – so schien es jedenfalls Lundquist – waren alle nötigen Proben entnommen, gesichert und die Organe einer ersten Untersuchung unterzogen.

      »Er war ungefähr Mitte vierzig bis Anfang fünfzig, litt an deutlichem Übergewicht, BMI bei 37. Aber nicht alles war Fett. Möglicherweise hat er seine beeindruckende Muskelmasse mit Hilfe anaboler Steroide aufgebaut ...«, mutmaßte Wennerström.

      »Er war behindert. Da mag es nicht so einfach sein, eine gute Figur zu behalten. Auf jeden Fall steht fest, dass er im Rollstuhl saß«, unterbrach ihn Lundquist. »Das Auto, das wir vor der Kirche gefunden haben, war speziell für Behinderte umgerüstet. Lars klemmt sich dahinter. Vielleicht finden wir über die Firma, die dieses Fahrzeug behindertengerecht umgebaut hat, seinen Namen raus.«

      Wennerström stand die Verblüffung deutlich ins Gesicht geschrieben.

      »Ich will dir ja nicht allen Wind aus den Segeln nehmen«, begann er zögernd, »aber dieser Mann wurde nicht nur nicht von diesem Glaskreuz erschlagen, er war auch nicht auf einen Rollstuhl angewiesen. Und wo wir gerade dabei sind: seine Haarfarbe ist auch nicht echt.«

      ****

      »So, dann lasst uns mal zusammentragen, was wir bisher über den Toten wissen«, eröffnete Sven Lundquist die Gesprächsrunde in seinem Büro.

      »Einar Dahl«, sagte Ole, »der Polizist von Holm, kann sich an keinen Rollstuhlfahrer in der Gemeinde erinnern. Sein Vorgänger kann nicht mehr befragt werden, er ist vor einigen Jahren bei einem Segelunfall ertrunken. Und Jens, der Besitzer des einzigen Supermarktes im Ort, war nicht da. Seine freundliche Tochter erklärte mir, er habe Saunatag, aber sie wisse nicht, in welche Sauna er gegangen sei. Er variiere da. Ich werde also morgen noch mal hinfahren müssen.«

      »Die Obduktion hat Haakan Wennerström durchgeführt«, berichtete Lundquist. »Demnach war der Tote etwa Mitte vierzig, groß und schwer, deutliches Übergewicht und verfügte über eine beeindruckende Muskelmasse. Seine letzte Mahlzeit muss er wohl bei McDonald’s eingenommen haben, etwa drei Stunden vor seinem Tod. Pommes, Burger, Cola, kein Salat. Die genaue Analyse steht noch aus. Auch die Blutwerte sowie die Gift- und Medikamentenanalyse kommen erst in einigen Tagen. Der Todeszeitpunkt war etwa zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens.«

      Er sah in die Gesichter seiner Kollegen, alle wirkten blass und übernächtigt.

      Lauter Wintergesichter, dachte er, dabei war es noch nicht einmal Weihnachten und der Frühling noch so weit.

      »Der Tote wurde weder vom Kreuz erschlagen, noch war er Rollstuhlfahrer!«, ließ er die Katze aus dem Sack.

      Sofort redeten alle durcheinander.

      »Wie, was soll das heißen: Er wurde nicht vom Kreuz erschlagen?« – »Wozu brauchte er dann ein umgerüstetes Auto?« – »Dann war er ja gar nicht hilflos der Situation ausgeliefert und hätte sich wehren können.« – »Wenn er nur so getan hat, als wäre er Rollstuhlfahrer – wozu sollte das gut sein? Ich meine, welchen Vorteil sollte das haben?«

      Ja, welchen Vorteil hatte das schon, dachte Lundquist verbittert. Was würde sich in seinem Leben alles verändern müssen, wenn es bei ihm erst mal soweit wäre, die Multiple Sklerose ihm die Bewegungsfreiheit nahm.

      Er


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