Vom Kriege. Carl von Clausewitz
Читать онлайн книгу.selbständigen Gefechts näher bestimmt, an welche Bedingungen diese Einheit gebunden ist, werden wir [95] erst ganz deutlich machen können, wenn wir das Gefecht näher betrachten; jetzt müssen wir uns begnügen zu sagen, daß in Beziehung auf den Raum, also unter gleichzeitigen Gefechten, die Einheit gerade so weit reicht wie der persönliche Befehl, in Beziehung auf die Zeit aber, also unter Gefechten, die einander nahe folgen, so weit, bis die Krise, welche jedes Gefecht hat, ganz vorüber ist.
Daß hier zweifelhafte Fälle vorkommen können, nämlich solche, wo mehrere Gefechte auch allenfalls als ein einziges betrachtet werden können, wird unserem Einteilungsgrunde nicht zum Vorwurf gereichen, denn das hat er mit allen Einteilungsgründen wirklicher Dinge gemein, deren Verschiedenheiten immer durch abstufende Übergänge vermittelt sind. Es kann also allerdings einzelne Tätigkeitsakte geben, die ebensogut, und zwar ohne Veränderung des Gesichtspunktes, zur Strategie als zur Taktik zu zählen sind, z. B. sehr ausgedehnte Stellungen, die einer Postierung ähnlich werden, die Anordnung mancher Flußübergänge usw.
Unsere Einteilung trifft und erschöpft nur den Gebrauch der Streitkräfte. Nun gibt es aber im Kriege eine Menge von Tätigkeiten, die ihm dienen, aber von ihm doch verschieden, ihm bald näher verwandt, bald fremdartiger sind. Diese Tätigkeiten alle beziehen sich auf die Erhaltung der Streitkräfte. So wie die Schaffung und Ausbildung dem Gebrauch vorhergeht, so bleibt ihre Erhaltung demselben zur Seite und ist eine notwendige Bedingung. Genau betrachtet aber sind alle Tätigkeiten, die sich darauf beziehen, immer als Vorbereitungen zum Kampf zu betrachten, nur freilich als solche, die der Handlung sehr nahe liegen, so daß sie den kriegerischen Akt mit durchziehen und mit dem Gebrauch abwechselnd vorkommen. Man hat also ein Recht, sie wie die andern vorbereitenden Tätigkeiten von der Kriegskunst im engeren Sinn, von der eigentlichen Kriegführung, auszuschließen, und man ist dazu genötigt, wenn man die Hauptaufgabe jeder Theorie, die Trennung des Ungleichartigen, erfüllen will. Wer wollte die ganze Litanei der Verpflegung und Administration zur eigentlichen Kriegführung zählen, da sie mit dem Gebrauche der Truppen zwar in beständiger Wechselwirkung steht, aber etwas wesentlich Verschiedenes davon ist.
Wir haben in unserem zweiten Kapitel des ersten Buches gesagt, daß, indem der Kampf oder das Gefecht als die einzige unmittelbar wirksame Tätigkeit bestimmt wird, die Fäden aller andern, weil sie sich in ihm endigen, mit aufgenommen werden. Hiermit haben wir ausdrücken wollen, daß allen andern dadurch der Zweck gestellt wird, welchen sie nun nach ihren eigentümlichen Gesetzen zu erreichen suchen. Hier müssen wir uns über diesen Gegenstand näher auslassen.
Die Gegenstände der noch außer dem Gefecht vorhandenen Tätigkeiten sind sehr verschiedener Natur.
Der eine Teil gehört in einer Beziehung dem Kampf selbst noch an, ist identisch mit demselben, während er in einer anderen der Erhaltung [96] der Streitkräfte dient. Der andere Teil gehört bloß der Erhaltung an und hat nur wegen der Wechselwirkung mit seinen Resultaten einen bedingenden Einfluß auf den Kampf.
Die Gegenstände, welche in einer Beziehung dem Kampfe selbst noch angehören, sind Märsche, Lager und Quartiere, denn sie begreifen ebenso viele verschiedene Zustände der Truppen, und wo Truppen gedacht werden, muß immer die Idee des Gefechts vorhanden sein.
Die andern, welche nur der Erhaltung angehören, sind Ernährung, Krankenpflege, Waffen- und Ausrüstungsersatz.
Die Märsche sind mit dem Gebrauch der Truppen ganz identisch. Der Marsch im Gefecht, gewöhnlich Evolution genannt, ist zwar noch nicht eigentlicher Waffengebrauch, aber er ist so innig und notwendig damit verbunden, daß er einen integrierenden Teil dessen ausmacht, was wir Gefecht nennen. Der Marsch außer dem Gefecht ist aber nichts als die Ausführung der strategischen Bestimmung. Durch diese wird gesagt, wann, wo und mit welcher Streitkraft ein Gefecht geliefert werden soll, und dies zur Ausführung zu bringen, ist der Marsch das einzige Mittel.
Der Marsch außer dem Gefecht ist also ein strategisches Instrument, aber darum nicht bloß ein Gegenstand der Strategie, sondern, weil die Streitkraft, die ihn ausführt, in jedem Augenblick ein mögliches Gefecht konstituiert, so steht auch seine Ausführung unter taktischen und strategischen Gesetzen. Wenn wir einer Kolonne den Weg diesseits eines Flusses oder Gebirgsarmes vorschreiben, so ist das eine strategische Bestimmung, denn es liegt darin die Absicht, dem Gegner, wenn während des Marsches ein Gefecht nötig werden sollte, dasselbe lieber diesseits als jenseits anzubieten.
Wenn aber eine Kolonne, statt im Tale der Straße zu folgen, auf dem sie begleitenden Höhenrücken fortzieht oder sich des bequemen Aufmarsches wegen in mehrere kleine Kolonnen spaltet: so sind das taktische Bestimmungen, denn sie beziehen sich auf die Art, wie wir im vorkommenden Gefecht unsere Streitkräfte brauchen wollen.
Die innere Ordnung des Marsches hat eine konstante Beziehung zur Gefechtsbereitschaft, ist also taktischer Natur, denn sie ist ja nichts anderes als die erste, vorläufige Disposition zu dem Gefechte, welches vorkommen könnte.
Da der Marsch das Instrument ist, durch welches die Strategie ihre wirksamen Prinzipe, die Gefechte, verteilt, diese aber oft bloß mit ihrem Resultate und nicht mit ihrem faktischen Verlauf eintreten: so hat es nicht fehlen können, daß man in der Betrachtung oft das Instrument an die Stelle des wirksamen Prinzips gesetzt hat. So spricht man von entscheidenden, von gelehrten Märschen, und meint diejenigen Gefechtskombinationen, zu denen sie geführt haben. Diese Substitution der Vorstellungen ist zu natürlich und die Kürze des Ausdrucks zu wünschenswert, um sie zu verdrängen, aber immer ist es nur eine zusammengeschobene Vorstellungsreihe, bei [97] der man nicht versäumen muß, sich das Gehörige zu denken, wenn man nicht auf Abwege geraten will.
Ein solcher Abweg ist es, wenn den strategischen Kombinationen eine von den taktischen Erfolgen unabhängige Kraft zugeschrieben wird. Man kombiniert Märsche und Manöver, erreicht seinen Zweck, und es ist von keinem Gefecht dabei die Rede, woraus man schließt, daß es Mittel gibt, den Feind auch ohne Gefecht zu überwinden. Wir werden erst in der Folge die ganze folgenreiche Größe dieses Irrtums zeigen können.
Aber wenngleich der Marsch vollkommen als ein integrierender Teil des Kampfes betrachtet werden kann: so gibt es doch auch in ihm schon gewisse Beziehungen, die nicht dazu gehören, also weder taktisch, noch strategisch sind. Dazu gehören alle Einrichtungen, die bloß zur Bequemlichkeit der Truppen dienen, die Ausführung von Brücken- und Wegebau usw.; dies sind bloße Bedingungen, sie können unter manchen Umständen dem Gebrauch der Truppen sehr nahetreten und sich fast mit demselben identifizieren, wie der Bau einer Brücke unter den Augen des Feindes; aber an sich sind es immer fremdartige Tätigkeiten, deren Theorie nicht in die Theorie der Kriegführung gehört.
Lager, worunter wir jede versammelte, also schlagfertige Aufstellung der Truppen begreifen, im Gegensatze der Quartiere, sind ein Zustand der Ruhe, also der Erholung, aber sie sind auch zugleich die strategische Feststellung eines Gefechts an der Stelle, wo sie genommen werden; durch die Art aber, wie sie genommen werden, enthalten sie schon die Grundlinien des Gefechts, eine Bedingung, von der jedes Verteidigungsgefecht ausgeht; sie sind also wesentliche Teile der Strategie und Taktik.
Quartiere vertreten zu besserer Erquickung der Truppen die Stelle der Lager, sie sind also wie jene der Lage und Ausdehnung nach strategische, der auf die Gefechtsbereitschaft gerichteten inneren Einrichtung nach taktische Gegenstände.
Der Zweck der Lager und Quartiere ist freilich neben der Erholung der Truppen gewöhnlich auch noch ein anderer, z. B. die Deckung einer Gegend, die Behauptung einer Stellung; aber er kann sehr wohl bloß der erstere sein. Wir erinnern uns, daß die Zwecke, welche die Strategie verfolgt, eine sehr große Mannigfaltigkeit haben können, denn alles, was als ein Vorteil erscheint, kann der Zweck eines Gefechts sein, und die Erhaltung des Instruments, mit dem man den Krieg führt, muß notwendig sehr häufig der Zweck ihrer einzelnen Kombination werden.
Wenn also in einem solchen Falle die Strategie der bloßen Erhaltung der Truppen dient: so befinden wir uns dadurch nicht etwa in einem fremden Felde, sondern wir sind immer beim Gebrauche der Streitkraft, weil jede Aufstellung derselben auf irgendeinem Punkte des Kriegstheaters ein solcher ist.
[98] Wenn aber die Erhaltung der Truppen ín Lagern und Quartieren Tätigkeiten hervorruft, die kein Gebrauch der Streitkräfte sind, wie der Bau der