Marktsozialismus. Ernest Mandel

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Marktsozialismus - Ernest  Mandel


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2: Materielle Anreize: Markt, Lohn, Preis und Profit in der Planwirtschaft

      Im zweiten Kapitel wird die Debatte um „Marktsozialismus“ unter ost- und westeuropäischen ÖkonomInnen zwischen den 1960ern und 1980ern dargestellt.

      Liberman argumentiert hingegen, dass im bisherigen System die Anreize für die Betriebe falsch gesetzt werden. Betriebsleitungen verheimlichten Umfang der Betriebsvermögen und Ressourcen vor den Behörden, um möglichst niedrige Planziele zu bekommen oder im Falle von Ausfällen bei der Zulieferung auf Lager zurückgreifen zu können. Falls der Plan überfüllt wird, drohe eine Erhöhung der Vorgaben im nächsten Plan. Liberman schlägt als Alternative ein einheitliches System von Prämien in Form der Gewinnbeteiligung von Betrieben und Belegschaft vor, um gesellschaftliche und betriebliche Interessen zu harmonisieren. Die Kategorie „Gewinn“ sei völlig unterschiedlich zu der im Kapitalismus, weil sie dem Aufbau des Kommunismus und der ganzen Gesellschaft zugutekomme. Um Gewinne richtig abbilden zu können, müsse allerdings die Preisreform vorangetrieben werden. Sonst würden wegen der falschen politischen Festsetzung von Preisen einige Branchen leicht, andere aber nur schwer Gewinne machen können, so Liberman.

      In dem ausgewählten Auszug des Buches „Plan und Markt im Sozialismus“ (1965) von Ota Šik geht es um das Verhältnis der Einzelinteressen der Betriebe zur Gesamtplanung. Auch Šik tritt für ein Anreizsystem ein, indem die Betriebe, nach der Abführung eines Teils des Gewinns an den Staat, den Rest für verschiedene Fonds und Entlohnung einbehalten können. Im Unterschied zu Liberman glaubt Šik nicht an die Möglichkeit einer vollständigen Interessenseinheit von Betrieb und Staat. Betriebe würden immer versuchen, die Summe der Abführungen an den Staat zu reduzieren. Dieser nicht-antagonistische Widerspruch könne aber durch das richtige Maß der Besteuerung gemildert werden.

      Anlässlich der „Liberman-Reformen“ in der Sowjetunion lieferten sich der französische Ökonom Charles Bettelheim und der britische Ökonom Maurice Dobb 1965/1966 in der US-amerikanischen sozialistischen Zeitung Monthly Review einen Schlagabtausch. Dobb verteidigt die sowjetischen Reformen und die Rolle des Marktes im Sozialismus. Die Betonung von „materiellen Anreizen“ sei weder „revisionistisch“ noch neu, da zum Beispiel schon Lenin für Akkordlöhne eingetreten sei. Auch Rentabilitätsanreize für Betriebe hätte es schon in den 1930ern in der Sowjetunion gegeben. Dobb bezieht sich positiv auf Šik, der argumentiert, dass beim gegenwärtigen Stand der Produktivkräfte materielle Anreize der Hauptstimulus seien müssten. Im Sozialismus müsse die Planung versuchen, Marktbedürfnisse zu befriedigen. Der Markt nehme aber in Verbindung mit dem Plan andere Formen an als im Kapitalismus. Als Spitze gegen Bettelheim weist Dobb die „infantile, ultralinke Kritik“ Chinas an anderen sozialistischen Ländern zurück.

      Die feministische britische Ökonomin Diane Elson brauchte Ende der 1980er-Jahre neue Aspekte in die Debatte ein. In dem in diesem Band dokumentierten Artikel kritisiert sie sowohl Vertreter des Marktsozialismus wie den in Großbritannien lehrenden Ökonomen Alec Nove als auch den Trotzkisten Ernest Mandel. Letzterer war Anhänger eines Modells der Planwirtschaft, in der die Preisbildung auf den Märkten durch demokratische Entscheidungen der Produzierenden abgelöst werden sollte. Laut Elson gehen beide Ökonomen bei ihren Überlegungen von dem überwiegend männlichen Vollzeitarbeiter in der Industrie aus und vernachlässigen dabei Konsum, Reproduktion und die kostenlose Pflege- und Besorgungsarbeit der Frauen. Um die Abhängigkeit von Lohnarbeit zu reduzieren, sollte in einer post-kapitalistischen Gesellschaft allen ein „Basiseinkommen“ zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollte für alle Bürgerinnen, und gerade auch Bürger, eine Pflicht zur unbezahlten Beteiligung an Pflege- und Besorgungsarbeit eingeführt werden.


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