Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo


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ihm bevorzugten Verhaltens- oder Glaubensrichtung folgt? Das ist der niemals verwirklichte Traum des Politikers, oder verwirklicht nur mit Hilfe eines gewaltsamen Druckes auf das menschliche Mental und Leben, jener neuesten Errungenschaft des Tat-Menschen. Die „inkarnierten“ Götter, also die Gurus und spirituellen Menschen, über die er sich so bitterlich beklagt, sind in ihren Hoffnungen viel bescheidener und zufrieden mit einer Handvoll oder aber – wenn du so willst – mit einem Ashram voller Schüler; doch selbst diese wollen sie nicht eigentlich – wenn sie da sind, sind sie da. Sind also diese verachteten „Inkarnierten“ der Vernunft und Weisheit nicht näher als die politischen Führer – ausgenommen natürlich, dass einer von ihnen den Fehler begeht, eine universale Religion zu gründen, doch das geht uns nichts an. Zudem tadelt dich dein Freund, du hättest deine Vernunft in blindem Glauben verloren. Doch was ist, außer einem vernunftmäßigen Glauben, seine eigene Ansicht der Dinge? Du glaubst deinem Glauben gemäß, was ganz natürlich ist, er glaubt seiner Meinung gemäß, was auch natürlich ist, doch keinesfalls besser, was die Wahrscheinlichkeit anbelangt, zur wahren Wahrheit der Dinge zu gelangen. Seine Meinung entspricht seiner Vernunft. Doch auch die Meinung seiner politischen Gegner entspricht deren Vernunft, dennoch ist die Idee, auf der sie beharren, das genaue Gegenteil der seinen. Kann man überhaupt durch Argumentation das Rechte aufzeigen? Die einander opponierenden Parteien können argumentieren, bis sie schwarz werden, und sind einer Entscheidung immer noch nicht nähergekommen. Am Ende gewinnt der, der die größere Macht hat oder der von der allgemeinen Richtung der Dinge begünstigt wird. Doch wer kann, wenn er die Welt betrachtet, behaupten, die allgemeine Richtung der Dinge bewege sich immer oder jemals der rechten Vernunft gemäß – was immer dies sein mag, das man die rechte Vernunft nennt. Tatsächlich gibt es keine universale, unfehlbare Vernunft, die zwischen gegensätzlichen Meinungen zu entscheiden und der Schiedsrichter zu sein vermöchte: es gibt nur meine Vernunft, deine Vernunft, Xs Vernunft, Ys Vernunft, die miteinander multipliziert ein misstönendes Vielfaches ergeben. Jeder urteilt nach seiner Einstellung zu den Dingen, nach seiner Meinung, das heißt seiner mentalen Beschaffenheit und Vorliebe gemäß. Welchen Wert hat es, den Glauben verächtlich zu machen, der uns letzten Endes etwas gibt, woran wir uns inmitten der Widersprüche eines rätselhaften Universums halten können. Wenn man zu einem Wissen, das weiß, zu gelangen vermag, dann ist es etwas anderes; doch solange wir nur ein argumentierendes Nicht-Wissen besitzen, nun, solange gibt es noch einen Platz für den Glauben; der Glaube kann sogar der Schimmer jenes Wissens sein, das weiß – wie fern es auch immer sei; und schließlich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass mit seiner Hilfe die Dinge geschehen. Hier hast du nun selbst ein Stück Argumentation – und wie alles übrige Argumentieren überzeugt es den Überzeugten, doch nicht den Unüberzeugbaren, also jenen, der den Boden, auf dem die Argumentation tanzt, nicht akzeptiert. Logik ist schließlich nichts anderes als ein abgewogener Tanz des Mentals.

      *

      Dein Traum war bestimmt kein Mondschein, er war eine innere Erfahrung, die als voll gültig angesehen werden kann. Was die anderen Fragen anbelangt, so sind sie sehr verwickelt, und ich fühle mich nicht gerüstet, den Gordischen Knoten mit einem Hieb zu durchhauen. Sicher hast du recht, wenn du unmittelbar deiner eigenen Wahrheit folgst, und du brauchst Xs oder anderer Leute Vorschläge und Lösungen nicht anzunehmen. Der Mensch braucht beides, Glauben und Vernunft, solange er keine bessere Einsicht und kein größeres Wissen erreicht hat. Ohne Glauben kann er mit Sicherheit auf keinem Pfad wandern, doch ohne Vernunft durchaus, besonders wenn ihn der Stab des Glaubens in der Dunkelheit stützt. X gründet seinen Glauben zwar nicht auf der Vernunft, doch auf dem Argument; selbst der Rationalist, der Rationalisierende oder der Argumentierende muss Glauben besitzen und sei es nur der Glaube an die Vernunft selbst als ausreichend und maßgebend; genauso sieht der Gläubige seinen Glauben als ausreichend und maßgebend an. Dennoch können beide [Glaube und Vernunft] irren – wie es nicht anders sein kann –, da beide Instrumente des menschlichen Mentals sind, dessen Natur es ist zu irren, und beide teilen die Begrenzungen dieses Mentals. Jeder muss in dem Licht wandern, das er besitzt, auch wenn es dunkle Stellen gibt, über die er stolpert.

      Am besten also ohne übermäßigen Optimismus oder Pessimismus „abwarten und Tee trinken“.

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      Der Glaube an spirituelle Dinge, der vom Sadhak verlangt wird, ist kein unwissender, sondern ein leuchtender Glaube, ein Glaube im Licht und nicht in der Finsternis. Der skeptische Verstand nennt ihn blind, da sich dieser Glaube von äußeren Erscheinungsformen oder scheinbaren Tatsachen nicht leiten lässt – denn er sucht die Wahrheit dahinter – und sich nicht auf den Krücken des Beweises und des Offenkundigen vorwärtsbewegt. Er ist eine Intuition – eine Intuition, die nicht nur auf die Erfahrung wartet, die sie rechtfertigen soll, sondern auch zur Erfahrung führt. Wenn ich an Selbst-Heilung glaube, werde ich nach einer Weile den Weg finden, mich selbst zu heilen. Wenn ich an die Umwandlung glaube, kann ich zu ihr gelangen, in dem ich meine Hand an den Vorgang der Umwandlung lege und diesen auslöse. Doch wenn ich mit Zweifel beginne und mit mehr Zweifel fortfahre, wie weit werde ich dann auf dieser Reise vermutlich kommen?

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      Was die Frage des Glaubens und Zweifels anbelangt, so gibst du dem Wort „Glauben“ mit Übereifer eine Bedeutung und eine Reichweite, wie ich sie nicht damit verbinde. Ich werde nicht nur einen, sondern mehrere Briefe zu schreiben haben, um die Situation zu klären. Es scheint, dass du mit Glauben einen mentalen Glauben meinst, der dem Mental und den Sinnen in der zweifelhaften Form einer haltlosen Behauptung dargeboten wird. Ich meine damit die dynamische und intuitive Überzeugung des inneren Wesens von der Wahrheit übersinnlicher Dinge, die durch physische Tatsachen nicht bewiesen werden können, sondern dem Bereich der Erfahrung angehören. Meiner Ansicht nach ist dieser Glaube eine höchst wünschenswerte Vorbereitung für die angestrebte Erfahrung (wenn auch nicht unerlässlich, denn es gibt eine Art Erfahrung, der kein Glaube vorangeht). Wenn ich so viel Wert auf den Glauben lege – nicht so sehr auf einen bejahenden Glauben als auf ein Ablegen des a priori Zweifelns und Verneinens –, dann deshalb, da ich finde, dass diese Zweifel und dieses Verneinen zu einem Instrument in den Händen der hemmenden Kräfte geworden sind...

      Die Ablehnung des Materialisten nenne ich a priori, weil er sich weigert, auch nur zu erwägen oder zu prüfen, was er ablehnt; er beginnt vielmehr mit der Ablehnung und vertritt den Standpunkt, dass etwas seinen eigenen Theorien Widersprechendes nicht wahr sein kann. Auf der anderen Seite ist der Glaube an das Göttliche, an die Gnade, den Yoga, den Guru usw. kein a priori-Glaube, da er sowohl auf einer großen menschheitlichen Erfahrung, angesammelt in Jahrhunderten und Jahrtausenden, beruht als auch auf der persönlichen intuitiven Wahrnehmung. Glaube ist eine intuitive Wahrnehmung, die durch die Erfahrung von Hunderten und Tausenden, die sie vor mir hatten, bestätigt wurde.

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      Während ich über Zweifel zu schreiben beginne, fechten mich „Zweifel“ an, ob jedwede Menge von Schriften oder irgend etwas anderes den ewigen Zweifel im Menschen, die Strafe seiner angeborenen Unwissenheit zu zerstreuen vermag. Zunächst einmal, wollte man angemessen darüber schreiben, so würde dies in etwa sechzig bis sechshundert Seiten ausmachen, doch nicht einmal sechstausend überzeugende Seiten könnten den Zweifel überzeugen. Denn der Zweifel besteht um seiner selbst willen; sein eigentlicher Zweck ist, immer zu zweifeln, und selbst wenn er beschwichtigt ist, weiterhin zu zweifeln; und nur um von demjenigen, der ihn nährt, Unterkunft und Verpflegung zu erhalten, gibt er vor, ein ehrlicher Wahrheitssucher zu


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