Bürgerwache. Wildis Streng

Читать онлайн книгу.

Bürgerwache - Wildis Streng


Скачать книгу
warf Lisa ein.

      »Für die gesamte Bürgerwache. Ich bin der Kommandant. Den Spielmannszug führt der Philipp, aber der schwätzt net viel.«

      »Aha«, machte Lisa und beschloss, dass es gerade nicht Sinn der Sache war, allzu komplexe Fragen zur Hierarchie innerhalb der Bürgerwache zu stellen.

      »Weiter«, forderte Heiko auf, freundlich nickend.

      Der Mann schluckte und fuhr fort: »Ja, also dann hab ich gemerkt, dass der Schellenbaum fehlt, also der Tobi halt.«

      »Haben Sie das bemerkt oder jemand anderes?«, erkundigte sich Heiko.

      Der Mann runzelte die Stirn, er dachte offenbar nach. »Eigentlich habe ich geschaut, wer fehlt, und mir wäre es gar nicht aufgefallen.«

      »Ist der Schellenbaum nicht ganz vorne?«, zweifelte Heiko.

      Der Offizier nickte eifrig. »Ja, aber das kennen Sie vielleicht, was direkt vor der Nase ist, ist manchmal so selbstverständlich, dass man es übersieht.«

      Das leuchtete Heiko ein.

      »Ich glaube, jemand hat es gesagt, dass der nicht da ist.«

      »Wissen Sie noch, wer das war?«, fragte Lisa.

      »Nein. Beim besten Willen nicht. Das war irgendjemand vom Zug. Genau, wie irgendjemand gemeint hat, er hätte ihn zum Kämmerle laufen sehen.«

      »Vielleicht fällt Ihnen das ja später noch ein«, hoffte Heiko. »Und dann?«

      »Na, der Walter hat uns schon angekündigt auf der Bühne, und ich bin schnell los, um nach ihm zu schauen.«

      »Wieso sind Sie denn selbst gegangen und haben niemanden geschickt?«, hakte Heiko ein.

      »Weil ich der Kommandant bin«, lautete die Antwort.

      »Also. Dann sind Sie ins Kämmerle – da haben Sie demnach dem Mann, der das gesehen hat, geglaubt.«

      »Es war naheliegend, dass er dort hin ist, er wollte ja den Schellenbaum holen.«

      »Der Schellenbaum wird dort gelagert?«, vermutete Heiko.

      »Genau. Ich hab die Tür aufgemacht, und …«

      »Beschreiben Sie genau, was Sie gesehen haben«, mahnte Lisa nicht unfreundlich.

      Christian Blumenstock schluckte, nickte ernst, schloss kurz die Augen, schien nachzudenken. »Das Licht war an. Und der Tobi lag auf dem Boden, der Länge nach hingestreckt. Unter dem Schellenbaum.«

      »Wann war das genau?«

      »Um halb eins, ungefähr. Ja, so vor einer halben Stunde.«

      »Und dann?«

      »Ich wollte hin, aber dann hat der Freddy geschrien, ich soll ihn nicht anfassen.«

      Die Ermittler tauschten einen Blick.

      »Der Freddy? Wo ist der denn hin?«

      »Ich glaube, der hat sich wieder auf seinen Platz gesetzt.«

      »Wie heißt der weiter?«

      »Glock.«

      »Aha. Und dem Rat sind Sie gefolgt.«

      »Ja, weil zuerst will man ja so jemand anlangen, um zu schauen, ob man da noch was retten kann. Aber der war wohl schon tot.«

      »Und der Freddy hat das mit einem Blick erfasst«, mutmaßte Heiko.

      Christian hob die schmalen Schultern. »Keine Ahnung, da müsst ihr ihn selber fragen. Das ist jedenfalls der junge Mann, der euch geholt hat.«

      »Ach der!«

      »Ja.«

      »Mal was anderes: Ist denn das Kämmerle abgeschlossen?«

      Christian nickte. »Ja, auf jeden Fall. Da sind ja wertvolle Instrumente drin. Das heißt: eigentlich. Eigentlich schließen wir immer ab. Aber ihr wisst ja, wie so was ist. Sicher sagen kann ich jedenfalls, dass um kurz nach elf noch alles okay war, da hab ich den Raum kontrolliert. Ich hab sogar noch das Rosshaar vom Schellenbaum glatt gestrichen und mit dem Finger an ein Glöckchen geschnipst. Und dann auch wieder abgeschlossen, das weiß ich genau.«

      »Und wer hat alles einen Schlüssel?«

      »Der Kommandant. Die Offiziere. Und ein paar Musiker.«

      »Wir bräuchten eine Liste von Leuten, die den Schlüssel haben«, erklärte Lisa.

      »Kann ich euch zukommen lassen«, versprach Christian.

      Walter Lilienfelder hielt es irgendwann nicht mehr aus, eine Polka nach der anderen spielen zu lassen. Wutschnaubend gebot er dem Dirigenten Einhalt und holte sich von den Polizisten das Okay ab, das Parkfest aufzulösen. Die hatten eingewilligt, aber bestimmt, dass die Mitglieder der Bürgerwache noch dableiben mussten. Das war durchaus sinnvoll. Zusätzlich hatte sich Lilienfelder noch etwas ausgedacht, und die Kommissare hatten es wider Erwarten sogar abgesegnet, solange der Tatort unangetastet bliebe. Deshalb leckte er sich jetzt über die von der Hitze ausgetrockneten Lippen, als er zum Mikrofon trat. Er ließ seinen Blick über die immer noch sehr große Menschenmenge schweifen, ach, es hätte ein so schönes Fest werden sollen. Dann ging er einen Schritt zurück, denn eine Rückkopplung kreischte auf, aber vielleicht war das gerade gut, denn auf diese Weise hatte er die Aufmerksamkeit auch all jener Besucher, die normalerweise das Bühnenprogramm als Hintergrundgeplänkel für ihre angeregte Unterhaltung wahrnahmen – eigentlich sowieso eine Schande, aber das war ja häufig so in Hohenlohe.

      »Ich bitte um Aufmerksamkeit«, begann er und wartete stoisch ab, bis sich der Lärmpegel tatsächlich reduziert hatte. »Einer unserer guten Kameraden ist vorhin leider durch einen tragischen Unglücksfall aus dem Leben geschieden«, hörte er sich sagen, und seine Stimme klang seltsam fremd.

      Hier und da zischte es im Publikum, das war längst rum, und das mit dem Unglück war allzu offensichtlich eine Lüge, bei dem Polizeiaufgebot.

      »Deshalb beenden wir das Parkfest jetzt vorzeitig. Aber ihm zu Ehren schießt die Kompanie einen dreifachen Salut.«

      Wieder ein Raunen, einzelne Proteste.

      »Wann kommt die Tombola?«, rief jemand rechts der Bühne und wedelte mit einem Bündel Lose.

      Niemand antwortete.

      »Ich bitte Sie alle, sich dazu zu erheben«, forderte Lilienfelder auf, und der gesamte Platz leistete Folge.

      Alsbald zerrissen drei ohrenbetäubende, fast gleichzeitig geratene Salutschüsse auf den »guten Kameraden Tobias Baumann« die unwirkliche Stille.

      Als Nächstes schnappten sich Lisa und Heiko Freddy Glock, einen eher nervös wirkenden, mittelgroßen Kerl mit dunklem Haar.

      »Wieso muss ich da jetzt aussagen?«, beschwerte er sich. »Ihr tut ja so, als wäre ich verdächtig!«

      »Hätten wir denn einen Grund, Sie zu verdächtigen, Herr Glock?«, gab Heiko zurück und sah ihn aus ernsten dunklen Augen fragend an.

      »Nein, auf keinen Fall.«

      »Entspannen Sie sich, Herr Glock. Unsere Fragen sind reine Ermittlungsarbeit. Noch haben wir keinen Verdächtigen«, versicherte Lisa.

      Der Mann lehnte sich in seinem Volkshochschulstuhl zurück, die Lehne knarzte leise.

      »Also, Sie seien hinter dem Herrn Blumenstock aufgetaucht und hätten ihm abgeraten, die Leiche anzufassen«, begann Heiko.

      »Klar, der war da gerade dabei«, bestätigte Glock.

      »Na, da hat er aber Glück gehabt, oder? Beziehungsweise Sie haben mit einem Blick erfasst, dass das ein Stromunfall war?«, zweifelte Heiko.

      Der Musiker hob die schmalen Schultern. »Der Tobi hat ganz komisch dagelegen, wie ein Brett. Ich hätte den nicht angefasst«, hielt er dagegen.

      »Trotzdem, es wäre womöglich schon ein erster Impuls, demjenigen


Скачать книгу