Bürgerwache. Wildis Streng
Читать онлайн книгу.waasch! Wie soll ii doa rooda! Waaß ii doch net!«
»Etz rood halt amol!«, beharrte Gerda und verschränkte die Arme vor ihrem voluminösen Busen.
»Nooh, ii rood net, des is mir z’ bleed!«
»Noa rädsch halt net!« Gerda wirkte beleidigt.
Ernst schnalzte mit der Zunge und verdrehte die Augen.
»Etz sooch! Waasch du ebbes?«, verlangte er zu wissen.
Gerda blickte um sich, um sich dann so nah wie möglich zu ihrem Mann zu beugen und mit gesenkter, monotoner Stimme zu berichten: »Bei der Broodwurschd henn’s grood verzeilt, dass der Schellanboamdreecher gschdorwa sei.«
»Wie! Jetz? Grood?«
Gerda nickte bedeutungsvoll, wobei die Locken ihrer blondierten Dauerwelle unterstreichend mitschwangen. »Lichd doad im Kämmerle doa diwwa«, fuhr sie fort.
»Jetzt kommt eine weitere wunderschöne Polka, nämlich die Regenbogenbrücken-Polka!«, verkündete die Stimme aus dem Lautsprecher begeistert, und erneut setzte die Musik ein.
»Also, Gerda, hasch du eigentlich scho amol des Teichle gseecha an dr Volkshochschul? Des soll reechd schää sei«, meinte Ernst und grinste.
»Sou«, lautete die lakonische Antwort. »Haja, noa gugg mer des amole ou!«
Uwe tauchte zum Beginn der Regenbogenbrücken-Polka zum ersten Mal wieder auf.
»Also?«, fragte Heiko.
Uwe senkte die Lider und öffnete sie langsam wieder, bevor er den Kopf hob und antwortete: »Da hat jemand eine fiese Starkstromfalle gebaut.«
»Huch!«, lautete Heikos Kommentar. »Ja, wie geht des?«
Uwe machte die Tür weiter auf. »Aber nicht reingehen!«, mahnte er, dann zeigte er Lisa und Heiko die Kabel, die vom Mittelstab aus blank, aber zugleich unauffällig mit dem unteren Ende des Schellenbaums verbunden waren.
»Was mich immer wundert«, dachte Lisa laut nach, »wieso lassen die Leute nicht einfach los, wenn wo Strom drauf ist?«
»Weil es nicht geht«, antwortete Uwe. »Deine Muskeln verkrampfen, und du kannst dich nicht mehr bewegen.«
»Wie schrecklich«, fand Lisa.
»Ja, kein schöner Tod. Man wird dann entweder innerlich gebraten oder stirbt an Kreislaufkollaps. Bei dem da tippe ich auf Letzteres.«
»Oh Gott«, kommentierte Heiko. »Aber fliegt da normalerweise nicht die Sicherung raus?«
»Hier nicht passiert«, lautete Uwes Antwort. »Warum auch immer.« Der Spurensicherer seufzte schwer, als er ein älteres Pärchen entdeckte, das unendlich langsam am Kämmerle vorbeischlenderte und mit langen Hälsen durch die Tür schauen wollte.
»Sie, gehen Sie bitte weiter!«, forderte Heiko auf.
»Is ebbes bassiert?«, fragte der Mann und schob ungefragt nach: »Ii wollt meinera Fraa bloß gschwind den Teich zeicha.«
»Gehen Sie bitte einfach weiter, der Teich ist da drüben!«, wies Lisa ohne ein Lächeln an.
Heiko seufzte, als das Pärchen sie passiert hatte. »Noch zehn Minuten, dann weiß es der ganze Festplatz«, dachte er laut.
Jetzt näherte sich auch noch Walter Lilienfelder, der alte Kommandant und Moderator. »Ist das wahr, das mit dem Tobi?«, fragte er und wirkte ehrlich bestürzt.
Heiko nickte.
»Ja, dann kann man keine Musik mehr spielen«, fand der Ex-Kommandant, nahm betroffen den Helm ab und drehte ihn in den Händen.
»Tatsächlich wäre es uns nicht unrecht, wenn ihr weiterhin eine … wunderschöne Polka nach der anderen spielen würdet, denn das hält die Schaulustigen ab«, gab Heiko zu bedenken.
»Aber das geht doch nicht!«, fand Lilienfelder.
»Ich verstehe, dass Sie das pietätlos finden, wir ja eigentlich auch. Aber es ist wirklich vernünftig, denn ein Menschenauflauf wäre hier absolut kontraproduktiv«, erläuterte Lisa. »Außerdem wäre es gut, wenn wir die Kontaktdaten von allen Besuchern hätten!«
Die hellblauen Augen des Mannes drückten Hilflosigkeit aus. »Von allen?«, vergewisserte er sich. »Aber wie soll das …?«
Heiko zückte als Antwort sein Handy, rief auf dem Revier an und bat um einige Kollegen, die die Daten der Besucher abfragen sollten. Und die die Leute darum bitten sollten, der Polizei via E-Mail Bilder vom Parkfest zukommen zu lassen. Vielleicht gab es ja ein Bild, auf dem der Mörder in flagranti zu sehen war. Auch wenn ein solcher Treffer die Nadel im Heuhaufen wäre. »Wenn wir schon nicht alle erwischen, dann sicherlich doch die meisten«, murmelte er, als er das Gespräch beendete.
Die Ablenkungsstrategie funktionierte so lange, bis der Leichenwagen vorfuhr und zwei Träger einen Metallsarg zur Abendrot-Polka quer über das Gelände trugen. Spätestens dann wusste jeder Besucher, was los war, und anschließend reagierten die Leute auf drei verschiedene Arten. Als der Kommandant durchsagte, dass sie bitte alle an ihren Plätzen bleiben sollten, weil sie eventuell wichtige Zeugen seien, stand ungefähr ein Drittel auf und ging einfach. Es fiel im Trubel nicht auf, dass auch drei Sieder darunter waren. Der große Teil der Leute blieb sitzen, und einige schlenderten in Richtung der VHS davon, wurden aber von einem inzwischen gespannten Absperrband aufgehalten. Vor diesem blieben sie einfach stehen, als wären sie Lemminge aus dem Computerspiel und unfähig, sich selbst einen alternativen Weg zu suchen.
»Woora des die Linka?«, gellte es plötzlich aus der Menge.
Heiko suchte mit Blicken den Mann mit dem spärlichen Haupthaar.
Der zog die Augenbrauen hoch und wies mit spitzem Finger auf ein »ACAB«-Graffiti, das mit krakeligen, schnellen Strichen hingesprayt worden war.
»Ist das neu, das Graffiti?«, fragte Heiko den Hausmeister, Herrn Schneider, der immer noch in Tatortnähe herumstand.
Der bestätigte: »Seit gestern Nacht ist es da.«
»Aha«, machte Heiko und informierte Uwe, der immer noch im Kämmerle werkelte, dass er sich den Schriftzug mal genauer anschauen sollte. Auch wenn er bezweifelte, dass der Mörder für das Graffiti verantwortlich war.
Aus dem Hintergrund nahten die Kollegen von der Haller Spurensicherung heran, nickten allen am Tatort grüßend zu und verschwanden alsbald zu Uwe ins Kämmerle.
Heiko wandte sich reichlich genervt zur gaffenden Menge um. »Hat jemand von Ihnen was gesehen?«, verlangte er zu wissen. Eisiges Schweigen, Handys wurden gehoben, drei schienen zu filmen oder ein Foto von ihm zu schießen. Er sandte den betreffenden Herrschaften einen so warnenden Blick unter seinen dunklen Augenbrauen, dass die verschämt ihre Handys sinken ließen.
»Haben die Kollegen schon Ihre Daten?«, machte Heiko weiter.
Die Ränder der Menge lösten sich auf, Leute schlenderten beiläufig davon. Einige nickten. »Dann gehen Sie jetzt bitte. Es ist pietätlos, hier zu gaffen.«
Es dauerte trotzdem noch eine ganze Weile, bis sich die Umstehenden so weit zerstreut hatten, dass Lisa und Heiko mit dem Finder des Mordopfers reden konnten. Die Frau des Toten hatte eine Beruhigungsspritze erhalten, und der Sanitäter hatte den Kommissaren verboten, sie mit Fragen zu belästigen.
»Wo können wir uns denn hinsetzen?«, fragte Heiko den Hausmeister.
Der zückte einen Schlüssel und schloss ihnen einen Raum der Volkshochschule auf, der normalerweise für Unterricht aller Art genutzt wurde.
»Witzig, ich war hier schon zum Italienisch«, erzählte Christian und ließ seinen Blick schweifen.
Heiko wies auf einen der Tische und positionierte drei Stühle so, dass sie sich unterhalten konnten. Er schloss die Tür, und schlagartig waren alle Geräusche von draußen gedämpft. Es war sehr ruhig.
»Also, Herr Blumenstock. Sie haben