Mord auf der Transit-Strecke Berlin 1968 Kriminalroman Band 21. A. F. Morland

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Mord auf der Transit-Strecke Berlin 1968 Kriminalroman Band 21 - A. F. Morland


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den zweiten Beamten, der mit kritischem Blick auf der Beifahrerseite den LKW inspizierte.

      Der andere prüfte ungerührt und mit aller Gründlichkeit die ihm gereichten Papiere, gab sie zurück und erkundigte sich dann:

      „Wissen Sie, warum wir Sie herausgewunken haben?“

      Fred stellte fest, dass der Mann nur einen leichten Berliner Dialekt hatte und fühlte sich schon fast wieder heimisch. Aber hier war keine Frozzelei angebracht, und höflich erwiderte er: „Nein, das weiß ich nicht.“

      „Sie haben vor etwa zwei Kilometern beim Fahrbahnwechsel nicht geblinkt.“

      „Was habe ich nicht? Fahrbahnwechsel? Ich habe doch überhaupt nicht überholt!“, bemerkte Fred Stettner verblüfft.

      „Es gab dort eine Baustelle, die Fahrbahn wurde auf eine Fahrspur verengt.“

      „Und da muss ich blinken, wenn es nur noch eine Fahrspur gibt?“

      „Selbstverständlich. Die Verwarnung für diesen Verstoß gegen unsere Verkehrsordnung beträgt 20,—DM“, führte der Beamte weiter aus und schrieb bereits einen Strafzettel aus.

      „Zwanzig?“, echote Fred ungläubig, aber der Polizist sah noch nicht einmal auf.

      Brummend zog der Fahrer seine Geldbörse hervor, entnahm einen Zwanzig-Mark-Schein und reichte ihn wortlos aus dem Fenster.

      Der Volkspolizist steckte das Geld ebenfalls wortlos ein und reichte den Strafzettel hoch.

      Dann wollte er sich abwenden, nachdem sein Kollege schon wieder neben dem Wartburg stand, drehte sich aber noch mal zur Fahrerkabine um.

      „Nur ein kleiner Tipp für Sie. In etwa fünftausend Metern gibt es eine weitere Baustelle. Lastkraftwagen müssen dort die Transitstrecke verlassen und eine Umleitung fahren. Achten Sie aber darauf, dass Sie auf dieser Strecke nicht anhalten dürfen und die Geschwindigkeiten dort reduziert sind. Sie kommen dann bei Wollin wieder auf die Transitstrecke.“

      „Vielen Dank!“, antwortete Fred durch die Zähne, sah zu, wie die Beamten in ihr Fahrzeug stiegen und startete dann den Motor wieder. Beim Wechsel auf die Fahrbahn blinkte er natürlich und fuhr langsam an, während der Wartburg vor ihm mit etwa 80 Stundenkilometern vorweg fuhr.

      Keiner der beiden in der Fahrerkabine sprach etwas, bis sie in der Ferne die Warnbaken und die Umleitungsschilder für Kraftfahrzeuge über fünf Tonnen erkannten.

      „Wenn diese blödsinnige Transitstrecke nicht wäre, könnte ich mir keinen anderen Job als diesen vorstellen“, sagte nach einer Pause Fred Stettner zu seinem Beifahrer. Hans Kersten zuckte nur mit den Schultern. Kein Kommentar zu diesem Thema. Was hätte er schon sagen sollen? Fred war ein Wahnsinniger. Wäre es in der Bundesrepublik erlaubt gewesen, könnte sein Fahrer 24 Stunden hinter dem Steuer sitzen, wurde nicht müde, und wenn er dann abgelöst wurde, freute er sich schon auf die nächste lange Tour hinterm Steuer. So einem Irren war einfach nicht zu helfen. Wozu also irgendein Wort verlieren, das ja doch bloß in den Wind gesprochen wäre.

      „Hinter einem Schreibtisch würde ich eingehen wie ’ne Primel“, sagte Stettner. „Ich brauch ’nen 22-Tonner wie diesen unterm Hintern, um mich wohlzufühlen. Ich brauche eine Straße, auf der ich meinen Laster bewegen kann. Ich weiß nicht, wie es dir geht, Hans, aber für mich ist jede Fahrt, als würde ich die Welt neu entdecken.“

      ‚Blödsinn‘, dachte Hans. ‚Er ist doch nun wirklich jede Strecke schon zigmal gefahren. Da gibt es nichts mehr zu entdecken. Nicht mal für einen Wirrkopf wie ihn!‘

      Fred verlangsamte das Tempo und näherte sich der Umleitung. Gegen Umleitungen war Fred allergisch. Die mochte er nicht, denn sie führten zumeist über schlechte Straßen, zumal bei dem Zustand der Straßen in der DDR. Sein schwerer Mercedes-Benz mit den kantigen Formen war zwar nicht sonderlich anfällig. Aber Fred war schon mehrfach in der DDR unterwegs gewesen zum Verwandtenbesuch. Natürlich ohne Lastwagen. Bei diesen Straßenverhältnissen konnte durchaus eine Achse brechen oder ein Stoßdämpfer kaputtgehen, und das war dann bestimmt für Fred Stettner genauso schlimm wie für einen normalen Menschen ein Beinbruch.

      Während Stettner mit grimmiger Miene an der Lenkung drehte, grinste Hans Kersten breit. „Jetzt kannst du die Welt tatsächlich mal neu entdecken, Fred.“

      Ein missmutiges Knurren war Stettners Antwort. Er zog den LKW in eine enge Kurve und begann mit der Entdeckungsfahrt. Ein schmales S lag vor ihnen. Sie entfernten sich von der Transitstrecke. Kein weiteres Fahrzeug folgte ihnen und war auf der Straße zu erkennen. Büsche und Bäume deckten alsbald die Sicht nach hinten ab. Und plötzlich schrie Fred Stettner erschrocken auf. Er leckte sich nervös über die Lippen. Schnell leitete er die Notbremsung ein. Der LKW stand auf kürzeste Distanz.

      ‚Eines muss man ihm lassen‘, dachte Hans Kersten. ‚Sein Fahrzeug hat er prima in der Hand. Und er versteht wunderbar schnell zu reagieren.‘

      Hätte Stettner nicht so schnell gebremst, dann hätte der 22-Tonner möglicherweise den Mann überrollt, der mit dem Gesicht nach unten auf der Umleitungsstrecke lag.

      „Mensch, da liegt einer“, sagte Stettner erregt.

      „Du merkst aber auch alles“, brummte Hans Kersten. Er schwang die Tür auf und sprang aus dem LKW.

      Stettner hatte plötzlich ebenfalls Hummeln im Hintern.

      „Warte! Ich komme mit!“, rief er und sprang auf der anderen Seite heraus. Die kräftige Maschine tuckerte im Leerlauf weiter. Kersten erreichte den Mann. Stettner kam heran und kniete sich auf den Boden. Plötzlich wurde der Beifahrer bleich. Der vermeintlich Hilfsbedürftige ließ sowohl Fahrer als auch Beifahrer in die Mündung einer Pistole blicken.

      Und dann kam viel Leben in den Mann. Er rollte sich auf den Rücken und schwang den Körper hoch.

      „Damit wir uns von Anfang an richtig verstehen, Kameraden: Dies hier ist ein Überfall.“

      Kersten fletschte die Zähne. „Was denn, was denn! Du willst den LKW doch nicht etwa ganz alleine überfallen!“

      Das Gesicht des Fremden war mit schwarzer Farbe beschmiert. Er trug eine riesige Sonnenbrille auf der Nase und hatte den Kragen seiner Windjacke hochgeschlagen.

      „Du hast recht“, sagte der Unbekannte grinsend. „Allein wär’s ein bisschen zu riskant.“ Weiße Zähne blitzten in seinem Mund. Und das Zahnfleisch leuchtete in hellem Rosa. „Aber ihr habt es nicht nur mit mir zu tun.“

      „Blödsinn!“ sagte Fred Stettner zornig. Er hatte sich erhoben und begann einzusehen, dass es ein Fehler war, hilfsbereit zu sein. Überrollen hätte er den Kerl sollen. Dann wäre es nicht zu dieser Situation gekommen.

      „Schaut euch um!“, schlug der Gangster vor. „In diesem Augenblick zielen zwei halbautomatische Waffen auf Euch!“

      „Dann seid ihr also zu dritt“, erwiderte Hans trocken.

      Stettner schaute sich um und sah tatsächlich zwei Typen, die genau wie derjenige aussahen, der vor ihnen stand. Die drei hätten Brüder sein können. Vielleicht sogar Drillinge.

      „Was habt ihr vor?“, fragte Stettner überflüssigerweise.

      „Kannst du dir das mit deinem Spatzenhirn nicht denken?“, fragte der Gangster zurück.

      „Sie wollen den LKW, Fred“, klärte der Beifahrer den Fahrer auf.

      ‚Den LKW!‘ Stettner fuhr ein Eissplitter ins Herz.

      „Ihr habt sie wohl nicht alle!“, brüllte er aus Leibeskräften. Dass die anderen Männer näherkamen, schien ihn nicht einzuschüchtern.

      „Den LKW kriegt ihr nie im Leben!“

      „Spiel bloß nicht den Helden, Kamerad!“, schnauzte der Gangster. „Sonst kriegst du ein Loch in die Haut. Oder auch mehrere. Wir sind nicht kleinlich.“

      „Ich reiß euch die Ohren ab, wenn


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