Mord auf der Transit-Strecke Berlin 1968 Kriminalroman Band 21. A. F. Morland

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Mord auf der Transit-Strecke Berlin 1968 Kriminalroman Band 21 - A. F. Morland


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aber wer das ist, das entzieht sich unserer Kenntnis.“

      Bernd schmunzelte. „Wenn Sie’s wüssten, würden Sie sich nicht an mich wenden, Herr Reineke.“

      „Das ist richtig. Es muss sich um eine Person handeln, die Einblick in die Frachtbriefe der Firma Fröhlich hat.“

      „Vielleicht sitzt die Person mitten in der Firma“, meinte Bernd. Er hatte den Zeitungsbericht des letzten Überfalls noch gut im Gedächtnis, schließlich war das für die Boulevardpresse ein gefundenes Fressen. Der LKW - mit Fred Stettner und Hans Kersten besetzt - war aus dem Ruhrgebiet kommend nach West-Berlin unterwegs gewesen. Stettner hatte den Helden gespielt und war von den Gangstern kurzerhand erschossen worden. Folglich war ein Fahrerposten bei der Firma Fröhlich nunmehr vakant. Bernd sagte das dem Versicherungsmann, und er fügte hinzu: „Ich werde mich um diesen Fahrerjob bemühen.“

      „Was versprechen Sie sich davon?“, fragte RRR.

      „Die Möglichkeit, meinen Finger an den Pulsschlag des Unternehmens legen zu können. Wenn dort etwas nicht richtig tickt, erfahre ich es so am schnellsten. Schließlich kann ich ja wohl schlecht zur Volkspolizei gehen und sie bitten, mir alle Einzelheiten mitzuteilen. Nein, da stecken wir in einer Sackgasse, ich denke mal, nur direkt vor Ort kann ich Erfolg haben.“ Schuster erhob sich, nahm von Reineke die Mappe entgegen und ließ sich hinausbegleiten, nachdem er dem mit sorgenvoller Miene zurückbleibenden Versicherungsdirektor versprochen hatte, sich gelegentlich wieder zu melden.

      Von da an lief die Aktion.

      Mit seinem Mercedes kehrte Bernd Schuster zu seinem Büro zurück. Hier, im Allerheiligsten, arbeitete er sorgfältig die Unterlagen durch. Die Überfälle waren detailliert geschildert. Es gab Skizzen, Fotografien von den beiden ersten Tatorten, Fotokopien der Aussagen, die die LKW-Besatzungen gegenüber der Polizei gemacht hatten. Und natürlich waren auch ellenlange Warenaufstellungen vorhanden, damit sich Bernd ein Bild davon machen konnte, was die LKWs geladen hatten. Erstaunlicherweise befand sich sogar ein Bericht der Volkspolizei an die West-Berliner Polizeibehörde darunter, in der es allerdings nur sehr wenige Details gab.

      „Da ist wohl diesmal kein Einsatz für mich drin, Bernd“, sagte Franziska bedauernd.

      „Willst du etwa einen LKW steuern?“, fragte Bernd grinsend.

      „Warum nicht? In Russland tun das auch Frauen.“

      „Zum Glück sind wir nicht in Russland.“

      „Legst du Wert auf ein paar Informationen?“

      „Worüber weißt du Bescheid, Franzi?“

      „Über die Fröhlichs“, sagte Franziska. Sie zupfte an ihrem Kleid herum. Jetzt konnte es Bernd nicht mehr länger übersehen. Er lobte es gründlich genug und meinte, das Kleid allein wäre ein Anlass, sie zum Essen einzuladen, aber leider wäre er bereits mit Manfred Keller verabredet. Dann bat er sie, ihn über die Fröhlichs zu informieren.

      Franziska berichtete: „Ich kenne ein Mädchen, das mit Daniela Fröhlich, der Tochter von Carsten Fröhlich, befreundet ist. Carsten Fröhlich soll ein wahrer Despot sein. Und Tobias Fröhlich, sein Sohn, ist ein elender Taugenichts. Mutter gibt es keine mehr. Die hat sich von Carsten vor vielen Jahren schon scheiden lassen. Die einzig Vernünftige in der Familie ist Daniela.“

      Bernd nickte schmunzelnd.

      „An die werde ich mich halten. Vielen Dank für deinen Tipp.“

      Es ging auf zwölf zu. Manfred Keller war an der Reihe. Bernd griff nach Hut und Mantel den Kopf, legte die Mappe, die er von RRR bekommen hatte, in seine Schreibtischlade und machte sich zum zweiten Mal an diesem Tag auf den Weg.

      Eigentlich hätte er die kurze Strecke zum Nollendorfplatz zu Fuß zurücklegen können. Aber einmal pfiff ein eisiger Novemberwind um die Ecken, und Bernd zögerte nicht lange, stieg in seinen Wagen und fuhr los. Glücklicherweise gab es einen Parkplatz, der hinter dem Restaurant lag. Er fuhr an den großen spiegelnden Fenstern vorbei und entdeckte Manfred Keller an einem der Tische. Er nagte unentwegt an der Unterlippe daran. Sein Blick war gehetzt. Er wirkte nervös, schaute sich mehrmals ängstlich um, als trüge er ein Geheimnis mit sich herum, das so gefährlich war wie eine Zeitbombet. Es roch herrlich nach mexikanischen Gewürzen, nach Tequila und Zigarillos. Aus verborgenen Lautsprechern plätscherten mexikanische Weisen. Die Wände waren mit Ponchos und Sombreros und vielerlei anderem Klimbim dekoriert.

      Ein Mann im knallroten Kellnerfrack trat in diesem Moment an den Tisch, an dem Manfred Keller saß. Keller hatte bereits das Tischtuch zerknüllt. Vor ihm stand nichts weiter als die Gewürzbox. Er war nicht gut genug gekleidet für dieses Lokal, das wusste er, aber er hatte es noch niemals von innen gesehen, und diesmal war die beste Gelegenheit, das nachzuholen. Wenn Schuster bezahlte, konnte er sich auch das Steigenberger oder ein anderes Hotel mit Luxusrestaurant leisten.

      Aus den Augenwinkeln sah Keller den knallroten Frack. Er wollte dem Mann sagen, dass er jemand erwarte und deshalb noch nichts bestellen wollte.

      „Später!“, stieß Keller nervös hervor. Und plötzlich stockte ihm der Atem. Er kannte das Gesicht, das ihn feindselig anstarrte. Das war kein Kellner dieses Lokals. Der Mann hatte sich bloß irgendwo die Jacke „geliehen“. Ein weißes Serviertuch lag über dem rechten Arm des Mannes. Darunter ragte der klobige Aufsatz eines Schalldämpfers heraus. Keller hatte längst begriffen.

      „Oh mein Gott!“, stöhnte er verstört.

      Ein seltsames Geräusch, wie ein trockener Husten. Schon am Nachbartisch war dieses Geräusch kaum mehr zu hören, und wenn, dann verwechselte man es da gewiss mit dem Entkorken einer Weinflasche.

      Keller zuckte entsetzt zusammen. Dann saß er still und regte sich nicht mehr. Der Kellner wandte sich ohne Eile um. Sein eiskalter Blick streifte durch das Lokal. Dann ging er in Richtung Küche davon.

      Bernd Schuster orientierte sich nach dem Eintreten kurz, entdeckte Keller und den Kellner und ging auf die beiden zu. Sieben Tische befanden sich noch zwischen Bernd Schuster und Keller. Eben wandte sich der Kellner um und ging in Richtung Küche. Keller war plötzlich nicht mehr unruhig. Er saß da und schien ein ernstes Problem zu wälzen. Er war ein kleines, schmuddeliges Männchen. Und an diesem Tag trug er seinen besten Anzug. Bernd kannte ihn schon eine Ewigkeit. Er war vor Jahren im Verlauf eines Falles auf ihn gestoßen. Damals war Keller im Kreise der Verdächtigen gewesen, und die Polizei wollte ihn gern zum Sündenbock stempeln. Bernd hatte ihn mit vollem Einsatz aus der Klemme herausgehauen. Und das noch dazu ohne einen Pfennig zu verlangen. Das rührte den Burschen so sehr, dass er Bernd fortan mit heißen Informationen belieferte, die er an Spieltischen, schmuddeligen Bars oder in irgendwelchen Hinterhöfen aufschnappte. Keller war überall zu Hause. Klar, dass solche Leute ein gutes Ohr für wichtige Informationen kriegen.

      Nun stand Bernd Schuster vor Keller. Aber Manfred würdigte ihn keines Blickes.

      „Du kriegst die Tür nicht auf“, grinste Bernd. „Erst bestellt er mich hierher, und dann will er mich nicht kennen ...“

      Auf einmal überlief ihn ein Schauder und hinterließ eine Gänsehaut. Bernd holte tief Luft. Er schaute Keller in die Augen. Sie waren gebrochen. Und nun sah er auch das Loch in der Brust. Schusters Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen. Keller war vor seinen Augen ermordet worden. Und zwar von diesem Kellner.

      Bernd wirbelte herum. Wo war der Kerl? Neben der Küche gab es einen Gang zu den Waschräumen. Diesen Weg musste der Mörder eingeschlagen haben. Bernd Schuster startete. Er eilte zwischen den Tischen hindurch. Als er den Anfang des Ganges erreichte, sah er einen roten Zipfel verschwinden. Er stürmte weiter. Da kam von links, aus den Damentoiletten, eine junge Straßenwalze. Sie schob sich mitten in den Gang. Bernd prallte gegen sie. Sie flog gegen die Toilettentür, stieß einen krächzenden Schrei aus und japste nach Luft.

      „’tschuldigung!“, keuchte Bernd und wollte weiterrennen. Da begann die Fette mit ihren schwammigen Fäusten nach seinem Gesicht zu dreschen. Er hatte Glück, dass sie ihn zweimal verfehlte. Beim dritten Mal traf sie sein Kinn. Da wurde er böse. Er gab ihr einen Schubs. Nun war


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