Dantes Inferno III. Akron Frey

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Dantes Inferno III - Akron Frey


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doch auch nur bereit, jene nüchternen Gedankenmodelle zuzulassen, von denen du annimmst, sie mit rationaler Verstandeskälte kontrollieren zu können.“

      Ich nickte schuldbewusst. „Verstehe. Hm, wie wäre es, wenn wir versuchten, ihm, äh…, also mir, wieder etwas Hoffnung zu schenken?“

      „Vergiss es!“ winkte er ab. „Auf dieser Stufe machst du einem alten Sünder nichts mehr vor, da er bereits alles weiß, was es seiner Meinung nach zu durchleiden gibt.“ Dann verdrehte er die Augen nach oben und tippte sich an die Unterlippe, „es sei denn …“

      „Es sei denn was?“ rief ich ungeduldig, denn die Grabeskälte an diesem Ort drohte mir langsam mein Denken einzufrieren. „Raus damit, ich muss hinein, koste es, was es wolle!“

      „Du meinst, du musst um jeden Preis hinaus“, korrigierte mich das Kind.

      „Wie auch immer“, winkte ich ärgerlich ab, da ich wenig Lust auf Diskussionen um Spitzfindigkeiten verspürte.

      Mein Verstand schnippte mit den Fingern. „Ich hab’s! Wir machen ihm ein solch verlockendes Angebot, das er nicht ausschlagen kann.“

      „Und das heißt?“ entgegnete ich leicht verunsichert, denn mir schwante, dass der zu entrichtende Preis für mich nichts Gutes heißen konnte.

      „Das heißt“, grinste mich der Affe schelmisch an, „du bietest ihm an, mit ihm den Platz zu tauschen. Darauf ist er nicht vorbereitet, und deshalb hat er auf diesen Vorschlag keine Abwehrstrategie. Ihr werdet sehen.“

      Mein entrüsteter Gesichtsausdruck ließ meine beiden Begleiter in schallendes Gelächter ausbrechen. Im gleichen Moment bröckelte von der Mauer ein großes Stück Putz herab, und im nächsten Augenblick löste sich ein gewaltiger Stein aus seiner Verankerung und fiel mit einem polternden Geräusch herab.

      „Na bitte“, frohlockte mein kleiner Hirnfucker, „unser Gelächter zeigt schon seine Wirkung.“ Eine kleine Öffnung war in der Mauer entstanden, nicht groß, aber dennoch breit genug, sodass ich meine Finger hineinstrecken konnte, um den Stein aus dem Mörtel zu lösen. Sogar mein Verstand ließ sich nicht bitten, Hand anzulegen, und so zerrten wir die nächsten Steine mit vereinten Kräften hervor.

      „Es ist die Lücke, die entstanden ist, als du dein Bewusstsein zwischen den Träumen verschobst ...“, strahlte mich das Mädchen an und dann zwängten wir uns einer nach dem anderen durch die enge Öffnung.

      Ich erblickte ein gutes Dutzend erratischer Blöcke, die aussahen, als ob gefallene Meister aus dem oberen Teil der Säulen paralysierte nackte Leiber mit verkrümmten oder zerschmetterten Gliedern herausmoduliert hätten. Dazwischen befanden sich mannshohe Eisklötze, in denen Menschen mit eingefrorenen Schmerzensschreien auf den Lippen in schrecklichen Posen gefangen waren. Das Ganze erinnerte an mittelalterliche Folterszenen, bei denen die geschundenen Körper aufs Rad geflochten waren, oder dann waren die Köpfe so unnatürlich nach hinten gebogen, als ob der Nacken gebrochen wäre. Auf irgendeine Weise erinnerten diese teuflischen Verzerrungen auch an die gestalterischen Formen in der expressiven Kunst zum Thema Folter – Reflexionen eines schrecklichen Zaubers, der sich in dieser Umgebung zu einer beeindruckenden Erhabenheit ausweitete.

      Am Ende des Ganges, von einer schwachen Lichtquelle erhellt, stand ein kristallener Kubus wie ein riesiger Eisblock, auf dem eine Gestalt in brauner Kutte thronte. Der verkrümmte Leib brachte in seinem schöpferischen Ausdruck den Abgrund des Entsetzens so meisterhaft zur Geltung, als ob er die Vorgaben von Bosch oder Munch übertreffen wollte. Der Vereinsamte schien völlig in sich versunken und machte keinerlei Anstalten uns zu begrüßen, geschweige denn, auch nur seinen Blick zu heben. „Er meditiert über den Schmerz seines unerlösten inneren Kindes“, machte sich der Verstand in meinem Kopf bemerkbar, „welches wie ein Embryo in ihm eingeschlossen ist“, und gemessenen Schrittes gingen wir auf ihn zu. Es schien mir, als wären seine Körperfunktionen ausgeschaltet und sein Geist völlig vereist, und hinter seiner Erstarrung spürte ich mein eigenes psychisches Muster, Ängste und Unkontrolliertheit hinter einer Form der Meditation zu tarnen.

      Im Inneren des Eises

      Ich befand mich in einem gläsernen Käfig der Seele, in dem das Wort Zeit jegliche Bedeutung verloren hatte. Die entsetzliche Kälte schien all meine Gedanken und Empfindungen gelähmt zu haben, Freude, Trauer und jegliches Hoffen, alles war von mir abgefallen und einem unwiderruflichen Sehnen nach Frieden und ewiger Ruhe gewichen. Und aus den Tiefen der Erinnerung dämmerte mir wie ein abgespaltener Teil, der als eine Art Krebszelle in meiner Vergangenheit wucherte, das schreckliche Spiegelbild meines Doppelgängers entgegen, eine in einem Eisblock gefangene Gestalt. Als ich schon dachte, für ewig mit ihm zusammen an diesem düsteren Ort vergessen zu sein, in der endlosen Stille zu veröden, aus deren tiefsten Tiefen jene Weisheit zu mir zu sprechen begann, für die der menschliche Verstand normalerweise kein Gehör hat, hörte ich plötzlich Stimmen in der Ferne und leise Schritte, die sich meinem Gefängnis näherten. „Du versuchst, die Zelle aufzubrechen, in der die verdrängten Teile deiner Erinnerung eingespeichert sind, den gläsernen Abwehrpanzer, der dich vor den unangenehmen Auswirkungen deiner eigenen Wahrheit bewahrt“, hörte ich eine Stimme von außen zu mir sagen, „wie ein unverarbeitetes Bild in der Hölle schmerzhafter Erinnerungen.“

      „Aha! Und jetzt?“ Ich kratzte mich am Kopf. „Was machen wir jetzt? Hat irgendeiner von euch beiden eine Idee?“

      Der Affe schob mich noch ein Stück näher an den Block heran. „Pst! Lass dich nicht ablenken. Ich spüre – in dir reift ein Entschluss.“

      Ich schluckte. Den Optimismus meines Verstandes sollte man haben, dachte ich. Wie sollte ich es anstellen, einem seit Jahren meditierenden und in sich versunkenen Yogi irgendeine menschliche Regung zu entlocken? So stand ich also eine Weile nur ratlos da. Doch da keiner der beiden den Anschein machte, mir zur Hilfe zu kommen, fasste ich mir schließlich ein Herz: „Verzeihen Sie, wenn wir es wagen, Ihre Meditation zu stören“, richtete ich meine Worte zaghaft an die bewegungslos verharrende Gestalt, „aber wir haben uns verlaufen. Gestatten Sie uns die Frage: Wo sind wir hier?“

      Keine Reaktion – nur ein leises Knirschen im Gestein. Die entsetzliche Kälte schien all unsere Gedanken und Empfindungen zu lähmen: Jedes Bemühen um Kommunikation schien sofort einzufrieren.

      Mein Verstand verdrehte genervt die Augen: „Wenn du den meditierenden Koloss aus seiner Reserve locken willst, musst du ganz anders vorgehen. Wie heißt doch der Spruch? Richtig – nur ein sich selbst bewusster Narr ist weiser als Buddha!“ Mit seinen langen Affenarmen nahm er sich seine bunte Narrenkappe vom Kopf und reichte sie mir mit einem Augenzwinkern. Und mit einem verschmitzten Lächeln schob er die Sonnenbrille hinterher: „So kann er dich nicht auf den ersten Blick erkennen!“

      Mit skeptischem Blick setzte ich mir die Maskerade auf Haupt und Nase und begann etwas unbeholfen ein paar tänzelnde Schritte zu vollführen. Das Mädchen klatschte begeistert in die Hände, was mich zusätzlich anspornte. So wirbelte ich lachend um mich selbst, stieß gackernde Laute aus, zog die skurrilsten Grimassen und schlug sogar einen Purzelbaum. Schwer atmend hielt ich schließlich inne, um mich zu vergewissern, ob meine Bemühungen bei dem Alten bereits gefruchtet hatten. Doch der saß auf seinem gläsernen Würfel immer noch wie festgewachsen und dachte nicht im Traum daran, auch nur die geringste Miene zu verziehen. Mein verzweifelter Blick wanderte zu dem Mädchen.

      „Das Beste scheint mir, wenn wir jetzt Körperkontakt aufnehmen“, ermutigte sie mich und gab mir in Richtung auf den Alten einen heftigen Stoß. Dabei fiel mir die Sonnenbrille vom Gesicht, direkt vor ihren Fuß. Ich vernahm ein splitterndes Geräusch. „Das gibt dir den richtigen Schwung zur Bewusstseinsveränderung“, setzte sie noch einen drauf und ich fühlte ihren zukünftigen Stiefel im Genick, „sonst dümpelst du bis zum Ende dieses Buches in deiner verbohrten Haltung dahin.“


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