Schule aus, Neuseeland ruft. Philip Raillon

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Schule aus, Neuseeland ruft - Philip Raillon


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geben ganz davon ab auch einen Eindruck, was einen erwartet: freundliche und offene Menschen.

      In den letzten Tagen, bevor es losgeht, steigt die Spannung: Geld wechseln, Rucksack packen, Freunde ein letztes Mal treffen. Noch einmal die besten Gerichte der persönlichen Lieblingsspeisekarte durchgehen. Von Maria sehe ich in diesen Tagen wenig. Wir machen uns rar – absichtlich. Schließlich dürfen und wollen wir die nächsten sechs Monate zusammen verbringen.

      Die Richtung stimmt schon mal: Irgendwo dahinten liegt Neuseeland.

      Am Anfang Australien

      Good Bye Deutschland!

      Ich schleppe meinen Rucksack die Treppe hinunter, greife meine Jacke und stürme zum Auto. Meine Mutter und mein Bruder warten schon, Vater kommt hinterher geeilt. Wir sind spät dran – in drei Stunden geht der Flug. Alles dabei? Nichts vergessen? Hoffentlich nicht. Auf Richtung Düsseldorf International Airport, von wo aus am Abend des 13. August 2013 unser Flieger zunächst Richtung Australien startet.

      Am Flughafen treffen wir eine nervöse Maria samt Familie. Ich bin – vermeintlich cool – relativ gelassen. Wir schnüren unsere Rucksackriemen zusammen und checken ein. Fünfundvierzig Minuten noch, bis wir im Sicherheitsbereich verschwinden müssen. Mir gehen die oberflächlichen Gespräche und die gutgemeinten Tipps schnell auf den Geist. Letztlich kommt der Moment des Abschieds ja doch – wir sagen unseren Familien „Tschüss! Bis in sechs Monaten“, gehen durch die Sicherheitskontrolle und zeigen unsere quasi druckfrischen Reisepässe.

      Ready for take-off?

      Unser Emirates-Flieger startet bei Sonnenuntergang um 21 Uhr nach Dubai.

      Nach 26 Stunden Reise mit einem kurzen Zwischenstopp im arabischen Emirat klappt die Boeing ihr Fahrwerk aus und setzt auf australischem Boden in Sydney auf. Es ist frühmorgens, meinem Gefühl nach eher spätabends. Der Jetlag hat mich schon jetzt voll im Griff – eines der unangenehmsten Gefühle. Wir wanken im Halbschlaf durch den Flughafen und gehen zum Bahnsteig. Immerhin ist unseren Rucksäcken nichts passiert. Die Fahrt mit dem Zug ist in Australien teuer, sehr teuer sogar. Maria und ich wollen zum Circular Quay, direkt am Hafen zwischen Opera House und Harbour Bridge, wo wir uns mit einem meiner Freunde treffen. Maurice kommt auch aus Witten, ist aber momentan bei Verwandtschaft in Sydney. Die Sonne blendet, der Himmel strahlt tief blau und es sind knapp zwanzig Grad. Willkommen im australischen Winter. Wir treffen Maurice am Fährableger – groß ist die Freude: Wie oft hatten Maurice und ich davon geredet, uns in Sydney zu treffen? Endlich hat es geklappt. Wir sitzen auf der Mauer am Hafen, in meiner Erinnerung sind kaum Menschen unterwegs und das in der Woche an einem Vormittag. Wir steigen auf die Personenfähre Richtung Manly, einem sehr entspannten Stadtteils Sydneys. Der Wind weht uns durch die Haare, der Dieselmotor schleudert seinen Qualm gen Ozonloch über uns. Ganz dicht fahren wir an den weißen Bögen des Opernhauses vorbei, die Harbour Bridge schwingt sich über den Hafeneingang rechts von uns. Wie oft habe ich diese Bauwerke auf Fotos und in Filmen gesehen? Jetzt bin ich so nah dran und geistig doch so weit weg: in meiner benommenen Übermüdungs-Welt.

      Jet Lag? Egal! Foto-Zeit!

      Eine Woche haben wir in Sydney, verbringen diese Zeit mit Maurice, einer weiteren Bekannten aus Witten, Leonie, und zwei guten Freundinnen von Maria, Sophia und Marie. Alle vier sind zufällig zurzeit auch am anderen Ende der Welt, so dass es sich anbietet, die Stadt der goldenen Strände gemeinsam zu erkunden. Am ersten Tag sind wir um elf Uhr im Zentrum verabredet. Maria und ich dürfen bei Bekannten schlafen, die in einem nördlichen Vorort wohnen: Newport ist etwa anderthalb Stunden Busfahrt von der Innenstadt entfernt. An unserem ersten Tag klingeln unsere Freunde uns per Handy um 13 Uhr aus den Federn – wir haben komplett verschlafen. Sydney ist groß, eine Weltstadt und bietet neben häufig gutem Wetter (wir sehen in diesen Tagen keine Wolke) wunderbare Strände. Ein Hingucker sind natürlich die bekannten Sehenswürdigkeiten: Harbour Bridge, Opera House und Diamond Harbour. Auch der botanische Garten, die Einkaufsmöglichkeiten und Manly sowie Bondy Beach sind einen Besuch wert. Allerdings muss ich sagen, dass mich die Metropole des Flächenstaates kaum begeistert. Es fehlt die Historie in der Stadt, sie scheint (wohl auch wegen des meist sonnigen Wetters) stets gut gelaunt, aber dafür wirkt alles nur oberflächlich. Genauso wie die Australier selbst: unsere Bekannten, die sind natürlich offen, herzlich und geben uns das Gefühl, willkommen zu sein. Anders ist es mit dem Rest von Sydney. „Hallo! Wie geht’s?“, fragen die Kassierer an der Kasse – natürlich interessiert es niemanden. Auch in den Gesprächen habe ich nicht den Eindruck, als sei mein Gegenüber wirklich an uns interessiert. Eine oberflächliche Freundlichkeit, die ein Stück weit typisch ist für den englischsprachigen Raum und an die ich mich hier noch gewöhnen muss. Trotzdem finde ich, dass die Neuseeländer herzlicher und bemühter sind. Oberflächlichkeit eine Erscheinung der Großstadt Sydney oder des Landes Australien? Um das zu bewerten, war ich nicht lange genug in dem Staat, aber ich bin froh, dass wir nach einer Woche zum Flughafen fahren. Ziel: Alice Springs.

      Meeting friends from home

      Die „Tiger Air“-Maschine fliegt über roten Staub, ausgetrocknete Seen und geht dann in den Landeanflug. Unter uns ist noch immer nichts außer wenigen Büschen und einigen Hügel- oder Felsformationen. Aus dem Nichts erscheint die kurze Landebahn – willkommen in Alice Springs. Der Flughafen ist eigentlich kein Flughafen, hat aber seinen eigenen Charme. Mit einem teuren Bus fährt uns ein Aborigine in die Stadt, verfährt sich einige Male und setzt uns nach über einer Stunde bei der Autovermietung ab. Von zu Hause aus hatten wir uns einen Van der Firma „Wicked Camper“ gemietet, die – so dachten wir – das einzige Unternehmen ist, das auch an unter 21-Jährige verleiht. Im Internet hatten wir viel Schlechtes über die Wicked-Flotte gelesen: nicht laufende Motoren, schlechte Ausstattung und viele Kommentare zum Aussehen der Wagen. Denn Wicked wirbt damit, jedes Fahrzeug sei anders und mit coolen Sprüchen lackiert. Einige dieser Sprüche sind, laut Internetaussagen, so „cool“, dass Campingplatz-Besitzer Backpacker wegen ihrer obszönen Wagen nicht bei sich schlafen lassen. Dementsprechend froh sind wir, als wir von dem jungen, sehr entspannten Wicked-Mann die Schlüssel für einen Toyota ausgehändigt bekommen, auf dessen Flanken nur ein „Stoned Again“ (Schon wieder bekifft) und ein „This mashine kills fascists“ (Dieser Wagen tötet Faschisten) prangt.

      Die sechs Tage mit dem Van durchs Outback sollen ein Erlebnis sein, sind aber gleichzeitig auch ein Test für unsere geplante Reise mit dem Van durch Neuseeland. Was braucht man? Worauf muss man achten? Das Outback zum Versuchsgebiet zu erklären ist sicherlich kühn: Nach Alice Springs gibt es kaum noch Einkaufsmöglichkeiten und nur wenige Tankstellen. Wir decken uns mit dem Nötigsten im örtlichen Coles-Markt ein. Drei Liter Kühleis knallen wir in unsere Kühlbox. Überall sieht man die Aborigines. Viele der Vorurteile bewahrheiten sich: Sie sitzen neben der Straße, trinken Alkohol und sehen häufig sehr abgerissen aus. An der Tankstelle kauft man „Opal Fuel“, einen besonderen Treibstoff, der geruchsneutral ist – sonst würden die Ureinwohner an ihm schnüffeln. Genauso ist es schwer, Klebstoff und Feuerzeuggas zu kaufen. All das würde missbraucht werden. Die Sonne neigt sich schon dem Horizont entgegen, als wir endlich losfahren. Voller Konzentration verlassen wir Alice Springs. Es ist merkwürdig, auf der „falschen“, auf der linken, Straßenseite zu fahren. Zum Glück ist der Verkehr hier nicht stark, und sobald wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen haben, sehen wir kaum noch ein Auto.

      Unsealed im Outback: Staub, Stein und


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