Schule aus, Neuseeland ruft. Philip Raillon

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Schule aus, Neuseeland ruft - Philip Raillon


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– teils sind sogar Wiesen zu erahnen. Das ist doch nicht das Outback? Doch, ist es, aber in der Tat sind die MacDonnell Ranges, die um Alice Springs herum liegen, von oben betrachtet eine kleine, grüne Oase in der trockenen Wüstenlandschaft des Outbacks. Mehrere Wasserlöcher liegen still in kleinen, teils sehr schmalen Schluchten. Der West MacDonnell National Park gefällt uns sofort. Ellery Creek Big Hole steht auf einem verwitterten Schild am Straßenrand – ein Wasserloch in einer der vielen Gorges (Schluchten). Hier befindet sich auch einer der Campingplätze. Wir biegen ab. Der Asphalt endet plötzlich, vor uns liegt eine rote Sandpiste. Laut Mietvertrag von Wicked dürfen wir diese unbefestigten Straßen nicht befahren. Egal, wir wagen uns trotzdem vor. Die Sonne geht unter, als wir uns eine der kleinen Nischen nahe dem Wasserloch aussuchen. Neben uns campen zwei Australier, die jeweils mit dem Fahrrad durch das Land fahren. Einer sei seit elf Jahren unterwegs, sagen sie. Respekt, vielleicht haben sie aber auch einfach zu viel Sonne abbekommen. Wir kochen auf unserem kleinen Gasherd einige Nudeln, als ein Mädchen vorbeikommt. „Ihr seid doch auch Deutsche? Wenn ihr Lust habt, könnt ihr später an unser Feuer kommen“, sagt sie. Luisa und Julius, ein deutsches Pärchen, kommen aus Bamberg und reisen seit einigen Wochen durch Australien. In wenigen Tagen fliegen sie auch für einige Monate nach Neuseeland. Wir quatschen den ganzen Abend, lauschen ihren Backpacker-Erlebnissen und sind begeistert. Auf jeden Fall wollen wir uns im Kiwi-Land Neuseeland wieder treffen. Die Kälte legt sich über das Outback, es ist nur wenige Grad über Null, als wir zu unserem Van zurückgehen. Im Schein des Vollmonds sehe ich einige Dingos um das Toilettenhäuschen schleichen – unheimlich. Die ersten wilden Tiere im wilden Australien, schnell in den kalten Van.

      Wasserlöcher in der Wüste

      Der Einstieg ins Campingleben ist gemeistert. Wir schauen uns noch weitere Wasserlöcher der West MacDonnell Ranges an. Eines ist schöner als das andere – trotz des unglaublich kalten Wassers springe ich in eines hinein. Ich kann mich im Wasser kaum bewegen, die Beine schmerzen, so niedrig ist die Temperatur. Doch immerhin bin ich frisch gewaschen. Von Alice Springs zum Uluru sind es über den legendären Stuart Highway knapp 500 Kilometer – durch Sand, Staub und lebensfeindliche Umgebung. Am Rand stehen Kühe der gigantischen Farmen. Immer wieder liegen verrostete Wagen am Straßenrand, teils bis zu fünfzig Meter weit von der Straße ab. Pannenfahrzeuge? Diebesgut? Ein Zug kommt uns entgegen. Genaugenommen ein Road Train, einer der langen Lkw, die Sprit und Lebensmittel zu den Orten Australiens bringen. Mit drei Anhängern und bis zu 100 Meter Länge sind sie die einzige Versorgungsmöglichkeit und gleichzeitig eine echte Gefahr. Vor allem bei Nacht bremsen die Trucks für nichts und niemanden. Vor uns liegen zehn Kilometer schnurgerader Asphalt, der am Rand aufbröckelt.

      Es ist spannend, im Outback zu fahren. Dort, wo man die anderen Fahrzeuge lässig mit dem Heben von zwei Fingern grüßt. Dort, wo die Sonne den Van erhitzt. Dort, wo man 250 Kilometer fährt, ohne auch nur die Chance zu haben abzubiegen. Irgendwann wird selbst diese surreale Umgebung langweilig. Wir fahren 90, dann 100. Irgendwann arbeite ich mich an die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/​h heran. Wir verlassen den Stuart Highway und widmen uns dem Lasseter Highway, der die Ost-West-Verbindung zum Uluru, dem Ayers Rock, darstellt. Und dann sehen wir ihn. Groß liegt der rote Fels im platten Land. Wahnsinn! Er müsste noch über 100 Kilometer weit weg sein und doch sehen wir ihn schon aus der Ferne. Bei einem Aussichtspunkt halten wir an, machen etliche Bilder. Die Stimmung ist wieder oben, alle Müdigkeit der letzten Stunden Fahrt sind vergessen. Mit neuem Elan geht es wieder auf die Piste – unser Ziel, bei Sonnenuntergang am Berg zu sein, scheint plötzlich wieder möglich. Immer weiter und weiter geht die Straße. Den großen Berg sehen wir schon längst nicht mehr, da geht uns ein Licht auf: Was wir sahen, ist nicht der Uluru, sondern eines der am häufigsten irrtümlich fotografierten Objekte der Welt. Der Mount Conner! Bis zum eigentlichen Ziel sind es tatsächlich noch viele Kilometer hin. Endlich erreichen wir den Uluru-Kata Tjuta National Park, wo neben dem Uluru auch die Olgas (Kata Tjuta) liegen. Wir sind überrascht, als wir gebeten werden, jeweils 25 Dollar für den Eintritt zu bezahlen – damit hatten wir nicht gerechnet. Egal, jetzt wollen wir auch hinein. Vor uns liegt der wohl bekannteste Stein der Welt. Groß, abgerundet, rot – und touristisch überlaufen. Auf dem Parkplatz treffen wir zwei deutsche Backpacker, die wir schon in Alice Springs kennengelernt hatten. Mit Robin und Johanna schauen wir uns den Sonnenuntergang an. Wir bleiben länger als alle anderen und verlassen als eines der letzten Autos den Nationalpark. Zum Sonnenaufgang wollen wir uns wieder treffen, Robin und Johanna gehen auf den teuren Campingplatz in Yulara, dem Ort nur für Touristen, außerhalb des Nationalparks. Maria und ich suchen stattdessen ein Fleckchen zum Campen – irgendwo am Straßenrand.

      Mietvan mit politischem Statement

      Mit voller Konzentration durchschneide ich die schwarze Nacht. Die Mittellinie liegt direkt unter uns, mindestens jeder zweite Blick gilt dem Straßenrand: Wir dürfen nach Sonnenuntergang nicht mehr fahren, so steht es im Mietvertrag. Zu groß ist die Gefahr, dass Kängurus vors Auto hüpfen oder ein Road Train uns umfährt. Mit 40 km/​h schleichen wir über den leeren Lasseter Highway und finden einen „Parkplatz“, also eine sandige Fläche, neben der Straße. Wir stellen uns neben die drei anderen Vans und steigen aus. Sterne! Über uns funkelt der Himmel nur so von Himmelskörpern. Die Schleier der Milchstraße ziehen sich von Horizont zu Horizont. Es ist unglaublich, faszinierend. So viele Sterne im Schwarz der australischen Outback-Nacht. Nur für diesen Moment würde ich die gesamte Reise nochmals machen – aber wir sind ja erst am Anfang.

      Gang durch die „Olgas“

      Neben dem Uluru im Morgengrauen, den unwirklichen, steilen Wänden der Kata Tjuta, den eiförmigen und abgerundeten Bergen im Nichts des Outbacks besuchen wir den Kings Canyon. Während wir den Highway Richtung Kings Canyon Resort fahren, ein Dörfchen wie Yulara am Ayers Rock, nur noch kleiner, sehen wir kaum ein Auto. Lediglich der Mietwagen von Robin und Johanna fährt im Rückspiegel mit uns. Am Straßenrand liegen immer wieder Tierskelette und große Kothaufen – es leben hier wohl mehr Kamele als Menschen. Die Kings Creek Station ist eine Anlaufstelle, genau genommen fast die einzige auf der 170 Kilometer langen Asphaltpiste zwischen Lasseter Abzweigung und Kings Canyon. Unser Plan, an der Station aufzutanken, wird vom Spritpreis zertrümmert: 3,40 Dollar pro Liter, statt 1,70 Dollar in Alice Springs. Der Treibstoff muss reichen – weiter geht’s. Die Luft ist trocken und heiß. Die Sonne knallt auf uns herab. Wir sind am Kings Canyon, vor uns erhebt sich die erste Kette des Gesteinsmassivs. Sofort sitzen Fliegen in unseren Gesichtern, krabbeln in Nase, Augen und Mund – ekelig. Die kleinen Insekten gibt es überall im Outback. Zwar stechen oder beißen sie nicht, sind dafür aber unglaublich nervig. Mit kleinen Ästen wedeln wir uns den Weg durch die Schluchten und Täler. Allerdings geht es hauptsächlich bergauf: Eine lange Treppe führt über die roten Gesteinsplatten hinauf. Erstmal etwas trinken. Trotz des gerade endenden Winters haben wir über dreißig Grad. Im Sommer sollte man die Wanderung nicht mehr nach zehn Uhr machen, weil es unterwegs kein Wasser gibt. Wir wandern weiter. Echsen huschen über den trockenen Boden. Es fällt nicht schwer zu glauben, dass hier unter den steinigen Brocken oder in den Schlitzen Schlangen, Spinnen oder andere gefährliche Tiere leben.

      Im Outback wird es im Sommer gerne unerträglich heiß

      Irgendwo zwischen Dürre und toller Fernsicht liegt der Garden of Eden. Nach einer Stunde Wanderung auf dem Kings Canyon Rim Walk, der an höchstens mageren Sträucher vorbeiführt, liegt dieses Wasserloch am Ende eines Sackgassenweges in einem kleinen Tal. Die Vegetation gedeiht hier wie im Regenwald: große Bäume, verwunschenes Unterholz und darin ein moosiger Bach. Schwimmen kann man hier bestimmt, Krokodile soll es meines Wissens hier nicht geben. Doch auch für Nicht-Planschende lohnt sich der „Side Walk“ zu den Reflektionen der kleinen Wellen des Wassers an den steilen Felswänden darum herum.

       Tierwelt im Outback

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