Tatort Gemeindebau. Manfred Rebhandl

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Tatort Gemeindebau - Manfred Rebhandl


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konnte ich später immer noch.

      Natürlich hatte die Erni eine Lücke hinterlassen. Mir fehlten vor allem ihre trockenen Kommentare, mit denen sie uns so oft zum Lachen gebracht hatte. Trotzdem kam es mir nach wenigen Treffen vor, als wäre Dragica schon immer dabei gewesen. »Hobts g’hert?«, sagte sie, noch bevor sie sich niedergesetzt hatte. Ihre dunklen Augen funkelten. Ich stellte gerade den letzten Kegel für das Mensch ärgere Dich nicht-Spiel auf und wartete auf die angekündigte Neuigkeit.

      »Bei altes Frau Novacek hot’s Untersuchung geben.«

      »Wie?« In meinem Magen rumorte es.

      Der Tratsch, mit dem Dragi aufwartete, kam immer direkt von der Quelle. Denn sie war nicht nur mit Rosl, der Ordinationshilfe des praktischen Arztes in unserem Gemeindebau, befreundet, sondern putzte auch regelmäßig dort. So erfuhren wir nicht nur das, was die Suchanek-Elfie aus dem Wartezimmer berichtete, sondern auch einiges von dem, was sich hinter der gepolsterten Tür im Behandlungszimmer abspielte.

      »Na, waßt eh. Tote hom s’ ausgroben und aufgschnitten.«

      »Exekution«, sagte die Zuckerwatte fachkundig.

      »Exhumierung«, verbesserte ich sie. Den Fachausdruck kannte ich aus Kreuzworträtseln.

      Die Erika warf mir einen bösen Blick zu.

      Dragi hatte sich eine neue Zigarette angezündet und ließ den Rauch aus ihren Nasenlöchern strömen.

      »Haben s’ was gfunden?«, fragte ich.

      Dragica ließ sich Zeit und nahm einen weiteren tiefen Zug von ihrer Memphis. »Ihr Nichte hat glaubt, irgendwas stimmt ned. Sie sogen, a Sparbuch is weg und Goldschmuck is a nimmer do. Dabei hat altes Novacek ihrer Nichte Sochen zagt, kurz bevor sie is gstorben. Olles woa bei Unterwäsch versteckt.«

      »Da schaun die Einbrecher doch immer gleich als Erstes nach«, warf ich ein. Solche ermittlungstechnischen Details wusste ich aus den Krimis, die ich haufenweise las.

      »Was hat jetzt die Untersuchung ergeben?«

      Dragicas Blick hatte sich verfinstert. »Nix. Oba Doktor woa sehr grantig. Das weiß i von Rosl.« Die Ex-Jugoslawin hatte schon öfter erzählt, dass Rosl, Trabeks Sprechstundenhilfe, unter den Launen des Arztes litt. Offenbar hatte sie sich wieder einmal bei der Putzfrau ausgeweint.

      »Und wieso war er zwida?«

      »Na hot er Theater g’hobt. Wenn ana sogt, Doktor orbeit nix gut …«

      Ich beugte mich vor und stieß dabei einen blauen Kegel um. »Wär es gscheiter, wenn ma nicht einmal ordentlich untersucht, ob bei der Erni nachg’holfn worden is?«

      »Nicht wahr!« Die Zuckerwatte-Erika hatte die Augen weit aufgerissen. Auch die anderen schauten mich überrascht und entsetzt an.

      Ich ärgerte mich über meine unbeherrschte Bemerkung. Wie sollte ich den anderen das ungute Gefühl erklären, das mir, seit Erni gestorben war, keine Ruhe mehr ließ? Dragi winkte ab. »Nema Einbrecher, nema Mörda! Is nix aussekumma, gaunze Aufregung umsunst.«

      »Eh kloar, hob i mia jo glei denkt«, sagte die Gummi-Hilde und legte die Würfel auf das Spielbrett.

      »Aber der Schmuck ist weg!«, wandte die Christl ein, deren nachdenklicher Blick auf mir ruhte.

      »Den hom s’ am End beim Ausraman übasegn«, erklärte die Gummi-Hilde und würfelte einen Sechser. »I hob a wos in an Etui auf de Unterseitn von an Ladl pickt.«

      Mir fielen die Küchenkästen aus Ernis Wohnung ein, die damals im Dreck neben dem Mistkübel gelagert waren.

      »Dann hat das Mädl Pech gehabt!« Die Zuckerwatte überholte meinen gelben Kegel mit ihrem roten.

      »Womöglich hat sich ein Mistkübler über den Fund gfreut«, spekulierte ich. Aus einem der offenen Fenster hörte man Geschirr klappern. Ein Hund bellte.

      »Wieso hob i ned so viel Glick?«, raunzte Dragi und schmiss Erikas Kegel knapp vor dem Ziel aus dem Spiel.

      »Blitz und Donner«, schimpfte die Erika.

      Wenn mich nicht alles täuschte, hatte Dragica beim Zählen der Felder geschummelt. Da sich niemand darüber aufregte, hielt auch ich den Mund und grinste schadenfroh, weil sich die Zuckerwatte so schön ärgerte.

      Die Suchanek-Elfie holte die Thermoskanne mit dem Kaffee aus ihrer Einkaufstasche und schenkte nach. »Mit de neichn Mieta in der Erni ihra Wohnung gibt’s a scho de erschtn Wickl«, wechselte sie das Thema.

      Ernis Wohnung war letzte Woche von einer jungen Familie bezogen worden.

      »Die Frau versteht kein Wort Deutsch und hat gleich am ersten Tag die Waschkuchl unter Wasser gsetzt«, berichtete ich.

      »De Hausmasterin hod si eh glei eigmischt. Schau ma, ob des wos hüft und ob des Kopftiachl vastaundn hod, wia’s bei uns do rennt«, keifte die Suchanek-Elfie, die für Zuwanderer generell nicht viel übrig hatte. »Soin daham bleim, waun sa se ned aupassn woin«, ergänzte sie.

      »Samma sowieso boid letzte Oestarreicha do in Bau«, legte die Dragica nach.

      »Das Ventil ist gebrochen«, mischte sich die Christl ein. »Da kann die Türkin gar nichts dafür.«

      Die Suchanek-Elfie verdrehte die Augen. »Woascheinli hod sie’s söba ruiniert«, sagte sie rechthaberisch. Ich legte Christl die Hand auf den Arm, was unnötig war, weil meine Freundin sich ohnehin auf keine Konfrontation mit der Elfie einließ.

      »Ich hob g’hert, die zoin iba siebenhundert Oero fia sechzig Quadratmeter. Siebenhundert!«, wiederholte die Dragi und griff nach den Zigaretten in ihrer Tasche.

      »Die Erni hat nicht amal dreihundert zahlt.« Ich schüttelte verwundert den Kopf.

      »A neicha Mieta wird neich eigstuft. Sogar ois Vawaunta zoist mehr, wennst die Wohnung iwanimmst«, wusste die Gummi-Hilde.

      »De miassn a a Gschäft mochn«, zeigte die Suchanek-Elfie Verständnis.

      »Stani had si sicher gefreid«, sagte die Dragi boshaft.

      Die Gummi-Hilde packte den Zirbenschnaps aus. Die Suchanek-Elfie verteilte die randvollen Stamperln. »Wiaso?«

      »Wäu a floch is.« Die Gummi-Hilde runzelte grimmig die Stirn. »Zwa Scheidungen, Alimente und jetz hod a si a no mit den jungan Flitschal eilossn.«

      »Welches?«

      »De gaunz schwoaz Gfärbte, de Kassierin mit de komischn Tätowierungen auf de Händ bein Hofa wisawi. Furchtboa wia sie de Menscha heit herrichten!«

      »I möcht wissen, was die Weiber an dem finden?«

      »An Schmäh hod a.« Die Suchanek-Elfie grinste anzüglich. »Außadem is a a fescha Mau. Samma uns ehrlich. Von da Bettkantn häd eam kane von eich gsteßn.«

      »Du musst es ja wissen«, eiferte die Zuckerwatte, die selbst ein Auge auf den Elektriker geworfen hatte.

      »Nur Gerüchte. Leida«, wehrte die Suchanek-Elfie ab.

      »Fia sei erschte Frau zoid a a no imma«, kam die Gummi-Hilde auf das ursprüngliche Thema zurück.

      »De hod nie wos g’hakelt und jetz nimmt s’ kana mehr«, wusste die Suchanek-Elfie.

      »Geh hör auf. Wenn man will, findet man schon was. Aber wenn man sich die Finger nicht schmutzig machen will …«, wandte die Zuckerwatte ein, die die meiste Zeit ihres Berufslebens selber Stempeln gegangen war.

      »Angeblich ist sie unheilbar krank.«

      »Ka Wunda, dass eam seine Viertln schmeckn, waun er rundumandum nix ois Bresln hod.«

      Der herannahende Rettungswagen unterbrach unsere Betrachtungen. Das Blaulicht flackerte noch einmal auf, bevor das Auto im nächsten Hof vor der Elferstiege hielt. Wir reckten die Hälse und Dragica stand auf, um


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