Tatort Gemeindebau. Manfred Rebhandl

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Tatort Gemeindebau - Manfred Rebhandl


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kippte meinen Zirbenschnaps hinunter, weil sich meine Kehle mit einem Mal so trocken anfühlte.

      Eine halbe Stunde später wusste der halbe Bau Bescheid. Angeblich hatte die rote Toni während ihres Mittagsschlaferls einen Abgang gemacht. Dass sie angezogen in ihrem Bett gefunden worden war, wunderte außer mir offenbar keinen. Wer hatte auch sonst schon gewusst, dass sie sich im Gewand nicht einmal auf die Decke setzte, weil sie da so heikel war? Ich ging nach Hause. Denn es gab einiges, worüber ich in Ruhe nachdenken musste.

      Der Anhänger war nicht zu übersehen. Vor lauter Aufregung fiel mir der Salat aus der Hand. Meine Knie waren weich geworden und ich musste mich am Einkaufswagen festhalten. »Hoppala«, sagte die Kassierin, auf deren Unterarm ein Totenkopf tätowiert war. Ein weiterer, aus purem Gold und mit herzförmigen Rubinen in den Augenhöhlen, hing an einer Kette um ihren Hals. Solche Zufälle gab es nicht! Was hatte sich die Erni geärgert, als sie das Schmuckstück im Allerheiligenpark gefunden hatte. »So a schiacha Dreck«, hatte sie gesagt, als sie uns ihren Fund bei der darauffolgenden Spielerrunde gezeigt hatte. Schließlich trösteten wir sie damit, dass der »schiache Dreck« immerhin etwas wert war und sie den Totenschädel zur Not ins Pfandl tragen konnte.

      »Ein schöner Anhänger«, sagte ich zur Kassierin.

      Sie griff nach dem Schmuckstück. »A Verlobungsgeschenk!«

      »Dann steht er sicher unhamlich auf Sie«, schmeichelte ich und packte meine Einkäufe ein.

      Die Kassierin grinste wie ein Hutschpferd.

      Als ich der Christl davon erzählte, wollte sie es zunächst nicht glauben. Deshalb gingen wir gemeinsam noch einmal zum Hofer gegenüber von unserem Gemeindebau – um einen Liter Milch. Obwohl Kassa zwei frei war, stellten wir uns bei Kassa drei an, wo die Tätowierte saß. Vor uns schlichtete einer seinen Wochenendeinkauf umständlich auf das Förderband. So hatten wir genug Zeit, den Anhänger zu begutachten. Ich stieß die Christl mit dem Ellenbogen an, weil mir ihr auffälliges Starren schon peinlich war.

      Wieder daheim, fügten wir die Verdachtsmomente wie Puzzleteile zusammen. »Das ist der Totenschädel, den die Erni im Park gefunden hat«, bestätigte meine Freundin. »Aber wie kommt die Kassierin zu dem Schmuck?«

      »Sie ist das neue Flitscherl vom Stani und der Anhänger ist sein Verlobungsgeschenk«, erklärte ich.

      »Aber das heißt ja …«

      »…, dass der Stani ein Dieb ist«, vervollständigte ich den Satz.

      »Unser Stani?« Meine Freundin war ziemlich perplex.

      »Ich fürchte, es ist noch viel ärger«, fuhr ich fort. »Ich glaub, der Stani hat was damit zu tun, dass bei uns in letzter Zeit etliche alleinstehende alte Frauen gestorben sind.«

      In Christls Miene spiegelte sich Entsetzen. »Im Ernst? Wie kommst du darauf?«

      »Erstens hat er bei der Mitzi, der bladen Vyslozil, der Erni und der roten Toni, knapp bevor sie tot gefunden worden sind, was Elektrisches in der Wohnung gerichtet.«

      »Bei mir auch, und ich leb noch«, wandte die Christl ein.

      »Und zweitens war er auch an ihren Todestagen in unserem Gemeindebau unterwegs, obwohl er für mehrere Zinskasernen im Bezirk zuständig ist«, setzte ich unbeirrt fort.

      Die Christl holte den Sliwowitz, den ihr die Dragi zum Geburtstag geschenkt hatte, aus dem Küchenkastl und kippte ein Stamperl des Obstbrands auf ex. »Aber wieso hätte er bei denen nachhelfen sollen? Die hätten sowieso nicht mehr ewig gelebt.«

      »Damit er nicht so lange auf große Aufträge warten muss. Du weißt doch, dass die ganze Elektrik erneuert wird, bevor eine Wohnung wieder vergeben wird. Der Stani braucht dringend Geld, bei zwei Scheidungen und für die Alimente, die neue Geliebte, Schulden und was weiß ich noch alles«, erklärte ich.

      »Und wenn die Gelegenheit günstig war, hat er gleich noch was mitgehen lassen, so wie den Schmuck bei der Erni«, sagte die Christl und runzelte die Stirn. »Aber wie hat er’s gemacht?«

      Diese Frage hatte auch mich beschäftigt, bis mich ein Fernsehkrimi auf eine Idee gebracht hatte. »Ich glaub, er hat sie betäubt, so dass sie sich nicht mehr wehren konnten. Und dann hat er sie erstickt. Dazu reicht ein weicher Fetzen, die fallen in einem Werkzeugkoffer nicht auf. Damit man ihm nicht dahinterkommt, hat er es bei jeder ein bisserl anders ausschauen lassen«, breitete ich meine Theorie aus.

      »Da hätte doch spätestens bei der Obduktion was auffallen müssen«, entgegnete die Christl.

      Ich winkte ab. »Geh, warum sollte man eine Alte, ohne dass es einen Verdacht gibt, aufschneiden? Das kommt doch viel zu teuer und außerdem gibt’s nicht genug Pathologen. Es wird gespart, wie überall.« Ich schenkte mir nun auch einen Sliwo ein und nahm einen ordentlichen Schluck.

      »Und was tun wir jetzt? Sollen wir ihn anzeigen?«, fragte die Christl.

      Ich schüttelte den Kopf. »Mit welchen Beweisen? Wen interessieren denn schon ein paar tote alte Weiber aus einer Zinskaserne?«

      »Du hast recht. Wahrscheinlich glaubt die Polizei sogar, wir fantasieren uns da was zusammen und wollen uns wichtigmachen, weil uns fad ist.« Die Christl hatte sich aufgerichtet und die Arme auf den Tisch gestützt. »Also, was machen wir?«

      Ich griff nach der Flasche und schenkte uns fürs Erste einen weiteren Obstbrand ein. Die Erkenntnis, dass der attraktive Elektriker, für den fast alle aus unserer Runde schwärmten, uns in Wahrheit mit seinem Schmäh nur hatte einkochen wollen, damit er leichtes Spiel mit uns hatte, ließ uns immer zorniger werden. Während wir am Sliwowitz nippten, debattierten wir, wie wir die Sache am besten angehen könnten. Nach und nach entwickelte sich ein Plan. Es war schon sehr spät, als wir uns beim fünften Sliwo auch über die letzten Details einig wurden.

       Drei Tage später

      Ich stelle mir vor, wie Christl die Tasse mit dem dampfenden Kaffee vor den Elektriker stellt. »Einen kleinen Beifahrer«, sagt sie und platziert den Sliwowitz daneben. Stani, der bereits angeheitert erschienen ist, lässt sich nicht lange bitten, kippt den Obstbrand hinunter und spült mit Kaffee nach. »Oisdann!« Er wankt leicht, als er ruckartig aufsteht. »Da FI is unten«, wiederholt er und macht sich am alten Herd zu schaffen. Er kippt das abgeschlossene Gerät auf die Rodel und stellt es ins Vorzimmer. Der neue E-Herd ist bereits ausgepackt. Jetzt ist es gleich soweit. Sobald Stani den Herd an den Starkstrom anschließt, kommt der wichtigste Teil meiner Aufgabe. Wir haben lange diskutiert, wer von uns beiden es tun soll. Letztendlich haben wir gewürfelt. Ich habe verloren und bin nun froh darüber, dass ich den letzten Akt zwar hören, aber wenigstens nicht sehen muss. Christl hat sich neben der Küchentür postiert und behält gleichzeitig den Elektriker im Blick. Ich warte im Vorzimmer neben dem Sicherungskasten auf meinen Einsatz. Mir ist vor Aufregung jetzt schon ganz schlecht.

      »Fini!«, sagt Christl. Das ist mein Stichwort. Ich drücke den FI-Schalter nach oben, vorsichtig, halte ein wenig dagegen, damit ich nur ja kein verdächtiges Geräusch mache. Stani bemerkt nicht, dass der Anschluss wieder unter Strom steht. Das Warten setzt mir langsam zu. Ich bin plötzlich nicht mehr überzeugt, dass es wirklich so eine gute Idee ist. Noch könnte ich die Sache abbrechen. Dann fällt mir Erni ein, der goldene Totenkopf, die tätowierte Kassierin, die rote Toni, die blade Vyslozil …

      Christl schreit auf, als es schnalzt. Der dumpfe Schlag deutet darauf hin, dass Stani gegen das Küchenkastl geprallt ist. Der schlimmste Moment steht uns dann noch bevor. Was machen wir, wenn der Elektriker noch lebt? Ziehen wir ihm ein Plastiksackerl über den Kopf und warten, bis er den letzten Rest Leben ausgehaucht hat? Ihm Nase und Mund zuzuhalten wäre auch eine Möglichkeit. Aber das schaffen wir bestimmt nicht! Ich erinnere mich, was Christl über Stromunfälle gesagt hat: »Starkstromopfer sind fast immer tot oder sterben kurz nach dem Schlag.« Während ich an die Bilder der angesengten Leichen aus einer Zeitschrift denke, die mir meine Freundin gezeigt hat, läutet es an der Wohnungstür.

      Eigentlich dürfte nichts schiefgehen. Wir haben alles genau geplant und den Ablauf wie einen Fernsehkrimi bis ins


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