Der Akron Tarot. Akron Frey
Читать онлайн книгу.nach Einswerdung der Geschöpfe in der Liebe, denn die Liebenden drücken die Anziehung der Gegensätze aus, die Flammen der Sehnsucht zwischen Mann und Frau, um die verlorene Einheit wiederherzustellen: den Zustand vor der Vertreibung aus dem Paradies. Die Karte symbolisiert damit den paradiesischen Vorhof des leiblichen Verlangens: die verschlingende Hingabe, die zum Numinosum wird, indem sie das verlorene Gefühl der Ganzheit durch das Empfinden der Vereinigung wieder zu erreichen verspricht. Wenn die Karte Lust der Geschlechtsakt ist, dann sind die Liebenden der Kuss: die erste, vorsichtige Öffnung dem anderen gegenüber, gleichsam als seelische Eintrittskarte in das Körperinnere, aber auch die höllischen Zungenküsse, jene Elixiere des Teufels, die in den uterinen Höhlen und tiefen Wassertümpeln gründeln und ihre Opfer porentief einsaugen.
Baphomet — Tarot der Unterwelt
Karte
Der Trieb ist unsere gemeinsame Plattform, auf der wir Kontakt zu anderen Personen auf der Ebene sexueller Anziehung pflegen, und die Liebenden verbinden das, was wir sind, mit dem, was andere sind. Obwohl man diese Energie oft für Liebe hält, muss man sie als bloße Verkörperung von Liebe interpretieren, denn was sie verkörpert, dient der Verführung durch die Mittel der Erotik, um die körperlichen Reize ins richtige Licht zu stellen. Als Liebe bezeichnet diese Karte die Kraft, die durch die Glut der Ausrichtung genau an die Stelle gerichtet wird, an der auf der anderen Seite der Wunsch nach Zuneigung fixiert ist. Das symbolisieren Adam und Lilith, die hinter einem von oben herabhängenden, hin und her schwingenden Pendel als Symbol einer Liebesschaukel miteinander kommunizieren. Sie tun zwar alles für ihre Vorstellung von Liebe (sie sind über eine gemeinsame Plattform miteinander verbunden), doch ihre Arme zeigen in ganz verschiedene Richtungen. Das bedeutet, dass die Anziehung nicht persönlich ausgerichtet ist, auch wenn es durch die Sicht des Individuums so erscheint, sondern dass sie das Benzin von der Tankstelle der Schöpfung darstellt, das in unseren Adern kreist und den Motor der Sexualität antreibt, der die Vorgänge in der Natur steuert und die Materie verändert. Das wird auch durch den großen Fisch in der Mitte unterstrichen; er ist ein Symbol für Fruchtbarkeit. Alle Gegensätze ziehen sich unwiderstehlich an, und die Liebenden zaubern aus dem bodenlosen Hut sexueller Anziehung die für den Zeitpunkt geeigneten Schwingungsmuster, auf deren Frequenz sich die Menschen zum Akt der Fortpflanzung (Karte XI) gegenseitig ansaugen.
In der Sehnsucht nach der großen Liebe liegt der Wunsch nach der endgültigen Heimat oder der Rückkehr ins Paradies. Mit offenem Herzen hält der Suchende Ausschau nach einem Partner, doch keiner hat je den Schmerz der Trennung geheilt. Die Liebe seiner Umwelt allein kann ihn nicht wieder zu einem Ganzen machen, denn das, was ihm fehlt, ist das ungebrochene Licht, das in der materiellen Welt durch die vielen Aufsplitterungen der Einheit in zahlreiche Facetten gebrochen worden ist. Die Brechungen dieser Sehnsucht erzeugen Regenbogenfarben, die als Spektrallichter zwar nicht die lichte Vollständigkeit, jedoch zumindest die schönsten Blüten menschlicher Emotionen hervorbringen können. Im schöpferischen Akt finden die starken Gefühle der Seele in Geschichten ihren Ausdruck, die Liebe bezeugen, oder in Liedern, in denen der Schmerz besungen wird. Durch hoffnungsvolle Versuche, die Trennungen zu überwinden, sind die besten Bilder entstanden, und das verzweifelte Untergehen nicht erfüllter Sehnsüchte treibt Millionen von Menschenseelen die Tränen in die Augen, wenn sie die entsprechenden (Liebes-)Filme sehen. Alle Versuche, im anderen die Erfüllung des Lebens zu finden, sind in mancher Hinsicht nur Verlängerungen der menschlichen Illusion, die glaubt, in der Hingabe das Paradies wiederzufinden - aber immerhin! Auch jede persönliche Liebesübertragung verdient Respekt, gerade weil sie aus der Sicht göttlicher Zuneigung nur die infantile Form des menschlichen Miteinanders darstellt: Oder wer könnte von sich schon behaupten, dass er nicht auch immer wieder nach der Befriedigung kindlicher Bedürfnisse Ausschau hält? Zwar verfügt die Liebeskraft eines jeden Menschen über genügend Energie, sich mit Gott und Teufel zu vermählen, doch liegt es in der Dynamik der Entwicklung, dass die universale Liebe nur in Märchen und Überlieferungen zum Ausdruck kommen kann. Der Teil der Anziehung, den wir durch die Brille der Liebe in den anderen hineinprojizieren, ist die Straße, auf der wir das Gefühl von Nähe im anderen bereisen: Doch solange wir uns nur auf unsere körperlich-emotionale Übertragung beschränken, ist der Kontakt mit dem Spirituellen nicht möglich (die Bedeutung, die wir dem beimessen, was wir in den anderen projizieren, ist unsere eigene Magie). So ist der zarte Kuss der Liebenden als Vorbote des Wunsches nach Vereinigung ein Zeichen dafür, dass der andere bei einem bleiben soll. Und gleichzeitig ist das Ganze der Anfang des Schmerzes, der aus der Täuschung entsteht, dass das Objekt der Anziehung die angestrebte Liebe in sich birgt. Denn in jeder Projektion liegt die Enttäuschung verborgen, und am Ende ist jeder wieder allein, solange der Fokus der Aufmerksamkeit im Außen verharrt. Wenn es nichts mehr gibt, von dem wir uns anziehen lassen können, dann gibt es nichts mehr, wofür es sich zu sterben lohnt. Doch die wahre Vereinigung zwischen zwei Menschenseelen geschieht im Brennpunkt ihrer Sehnsucht nach sich selbst. Im spirituellen Erkennen, dass der Liebende geliebt wird, weil die Liebe ihm antwortet bzw. auf ihn anspricht, liegt die Quelle der warmen Wasser, in deren emotionalen Spiegelungen die reifen Seelen ihre Projektionen zurücknehmen können.
Kontroverse
Amor als Stimme der Minne
Liebende sind im Tarot wie im tatsächlichen Leben immer zu zweit, windiger Anwalt des Teufels - zwei, die sich entschieden haben, ihre persönliche Identität einer verbindenden Zweisamkeit zu opfern, nachdem sie vom Liebespfeil getroffen worden sind. Die Entdeckung des einen, im anderen genau das zu finden, was ihm selbst fehlt, lässt sie mit ihrem Gegenüber verschmelzen. Auch wenn ihre unbefleckten Herzen von den vielen Mühen und Schwierigkeiten im Leben noch nichts ahnen und sie auch nicht wissen, wie schwer der Schritt des Menschen bis zur vollständigen Bewusstwerdung der eigenen Existenz werden wird, so adelt ihre Unschuld das Begehren und erklärt auch die Reinheit ihrer Absichten und die Gutgläubigkeit ihrer Ansinnen. Freilich wird dieser Schmerz hier noch in aller Süße erlebt, wird er doch gelindert vom ungetrübten Vertrauen in sich selbst, das noch nichts von der Qual unerfüllter Hingabe weiß. Deshalb wohnt selbst dem unscheinbarsten Geschöpf der vitale Antrieb sexueller Anziehung inne, sich nach einem Partner zu sehnen und ohne Vorbehalte in die Liebesgrotten einzutauchen. Die Vermählung mit der Sehnsucht findet hier ihre Auferstehung und mit ihr auch der unerschütterliche Wille, in gemeinsamer Zuneigung zur Urquelle der Schöpfung zurückzufinden, aus der das Geläute des Lebens dröhnt. Das Leid des Getrenntseins von dem, was jeder Seele zur Vollständigkeit fehlt, seit der Mensch aus dem Paradiesgarten vertrieben worden ist, gilt es auf dem langen Weg des Lebens ganz von alleine zu erfahren, und dieses unstillbare Sehnen nach dem Ziel der Wiedervereinigung mit dem Ganzen ist der Wesenskern dessen, was dieser Liebeskarte als Antrieb zu Grunde liegt. Sollten Sie nicht lieber auch danach streben, gnadenloser Verdreher emotionaler Gegebenheiten, sich mit der verlorenen Liebe wieder zu verbinden, statt sich nur über die Unerreichbarkeit Ihrer Ziele zu mokieren?
Akronos als Advocatus Diaboli
Glaubt Ihr wirklich zu wissen, was Liebe ist und auf was sich unser aller Streben bezieht, beneidenswerter - oder soll ich lieber sagen bedauernswerter - Fürst Amor? Was wir im Grunde erfahren wollen, ist nicht die Liebe, sondern nur die Erfüllung unserer eigenen Sehnsucht nach Liebe. Sie leben wir in unserem Inneren aus, und dazu benötigen wir oft mehr das Bild des anderen in uns als diesen selbst. In solchen Momenten scheint er uns all das, was wir bei uns vermissen, zurückzugeben, damit wir in uns diese Empfindung von Vollständigkeit, derer wir allein nicht fähig sind, erfahren können. Tatsache ist: Das innere Selbst erschafft die körperliche Anziehung, die das nach außen orientierte Ich in die Energie des anderen hineinzwingt. Die Liebe lässt dem Körper so viele Reize zukommen, damit sich dieser mit der Physis des anderen verschmelzen will. Wird es von starken Gefühlen überrannt, dann droht es sich in sich selbst zu verlieren - es sucht dann das göttliche Gefühl im anderen und verliert das Bewusstsein, selbst Teil dieser Einheit zu sein. Doch mit etwas Übung können wir entdecken, dass die Liebe in uns selbst liegt und dass das Gefühl, sie auf den anderen zu projizieren, dem Wesen der Schöpfung entspricht, unsere Gene mit den Genen der anderen zu vermischen. Im Zustand der Anziehung füllen sich Millionen physischer Zellen mit psychischer von den Instinkten dirigierten Willenskraft. Man könnte auch