Der Akron Tarot. Akron Frey

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Der Akron Tarot - Akron Frey


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suchen wir zumeist unbewusst auch eine Bestrafung. Dies könnte sich dadurch manifestieren, dass wir uns von anderen ins Abseits drängen lassen oder unsere Unehrlichkeit so ungeschickt platzieren, dass unsere unlauteren Absichten vor aller Welt auffliegen. Die Konsequenzen, die daraus entstehen, sind für uns zugleich die Chance, den Konflikt im Außen durchzuspielen und so zumindest als uns zugehörig zu erkennen. Damit erhalten wir die Möglichkeit, unser eigenes, einengendes Gerechtigkeitsmodell zu sprengen und ausgelagerte Persönlichkeitsanteile wieder in unser Wesen zu integrieren. Als allgemeinen Ratschlag zeigt die umgedrehte Karte an, dass Besonnenheit und langes Nachdenken nun nicht mehr hilfreich sind, sondern es im Gegenteil darum geht, den eingefahrenen und erprobten Gerechtigkeitssinn und die intellektuelle Herangehensweise hintenan zu stellen, um spontaner und gefühlsbetonter zu agieren.

      Liebe und Beziehung

      Mit den tiefen Gefühlen, die bei Beziehungen im Spiel sind, verträgt sich die kopflastige Gerechtigkeit nicht besonders gut. Im besten Fall kann sie uns ermutigen, uns in heiklen Situationen von unseren Emotionen nicht allzu sehr mitreißen, sondern den Verstand und kluge Einsichten regieren zu lassen. Insgesamt deutet sie aber auf ein Übermaß an Vernunft und Intellekt hin, das unsere Spontaneität und Kreativität begrenzt. Wir leben Liebe und Beziehung durch die Brille von Recht und Unrecht und neigen dazu, alles, was geschieht, zu beschriften und mit den Etiketten versehen in Kategorien einzuordnen. Das bedeutet auch, dass wir den anderen Menschen, statt ihn einfach auf der Gefühlsebene zu erfahren, nur nach unseren Wertmaßstäben beurteilen. Wenn wir in einer funktionierenden Partnerschaft leben, dann schaffen wir dadurch Distanz und ein Ungleichgewicht zwischen Herz und Verstand. Vielleicht unterdrücken wir in unserem Bedürfnis nach Harmonie und Gleichgewicht auch starke Energien. Es gibt aber auch Zeiten, in denen die Gerechtigkeit in einer Beziehung wertvolle Dienste leisten kann. Befindet sich die Verbindung bereits im Ungleichgewicht oder droht zu eskalieren, kann diese Karte uns helfen, die Angelegenheit fair und ruhig von allen Seiten zu betrachten. Bei einem Streit mit unserem Partner oder einem Freund zum Beispiel rät sie uns, nicht allzu gefühlsbetont zu reagieren, sondern in Ruhe beide Seiten anzuhören, um den Streit konstruktiv nutzen zu können. So kann sie uns zu wichtigen Erkenntnissen über uns oder unseren Projektionspunkt führen, die sich wiederum positiv auf unsere Verbindung auswirken.

      Umgekehrt

      Die Beziehung ist aus dem Gleichgewicht geraten. Wir verwenden viel Energie darauf, den anderen zu beschuldigen oder von ihm beschuldigt zu werden. Die umgekehrte Karte kann auch anzeigen, dass in einer Angelegenheit, in der es wichtig gewesen wäre, sich ausgleichend und überlegt zu verhalten, wir aus unserem ersten, leidenschaftlichen Gefühl agierten und damit den anderen verletzt oder ungerecht behandelt haben. Die Gerechtigkeit eröffnet uns dann die Möglichkeit, bei jedem Zusammenstoß oder Unrecht zuerst einmal genau hinzusehen, was wir in unseren Verbindungen eigentlich als Recht und Unrecht empfinden und ob wir uns erlauben können, den anderen Menschen an unserer persönlichen Richterskala zu messen. Denn was wir als falsch bezeichnen, kann für ihn genau das Richtige sein. Die Karte rät uns also, zu hinterfragen, ob unser bisheriges Rechtsempfinden innerhalb der Partnerschaft überhaupt noch unserer inneren Wahrheit entspricht. Erscheint die umgedrehte Gerechtigkeit jedoch als Ratschlag, so gilt es, die Vernunft wegzulassen und völlig aus dem Gefühl zu handeln, ohne darüber nachzudenken, was daraus für Konsequenzen entstehen könnten.

      Magie und Spiritualität

      In Glaubensfragen ist die Gerechtigkeit der verlängerte Arm des Hohepriesters, wie sie auch den verlängerten Arm des Herrschers in der materiellen Welt darstellt. Bei den großen, institutionalisierten Religionen dient sie als wirkungsvolles Mittel, die Glaubensmodelle dieser psychologischen Architekturen zu unterstützen. Das führt oft dazu, dass ein Gott verehrt wird, der die Rolle des Richters übernimmt und als solcher über den Menschen thronend angefleht wird, Gerechtigkeit und Milde walten zu lassen. Wenn wir so glauben und handeln, übergeben wir unser inneres Ungleichgewicht an eine höhere Macht im Außen, von der wir aber gleichzeitig annehmen, dass sie nach unseren Maßstäben handelt und richtet. Dementsprechend können wir Ereignisse, die wir als ungerecht empfinden, nur mit Demut oder Ohnmacht hinnehmen, da diese Macht sich unserem Wirkungskreis entzieht. Die Karte kann in diesem Bereich ein Hinweis darauf sein, dass wir das Tribunal, das uns sagt, was gut und böse ist, ausschließlich in unserer Religion suchen und wir das ganze soziale Gebilde überhaupt zu sehr an den menschlichen Vorstellungen von Ordnung und Unordnung messen. Die Gerechtigkeit kann sich aber auch auf eine vielfältigere Weise entfalten. Auf unserem Weg zu uns selbst kann sie eine Handlungsebene bilden, auf der wir uns in der Kunst der Hinterfragung der gesellschaftlichen Polaritäten üben und dabei die Geheimnisse entdecken können, die sich dahinter verbergen. Dies erschließt uns zuerst einmal die Möglichkeit, uns der Gegensätzlichkeit, in der wir unser Erdenleben verbringen, bewusst zu werden und zu erkennen, dass sie ein Weg der Wahrnehmung ist, der keinen endgültigen Wahrheitsanspruch hat. Wir können uns damit auseinandersetzen, inwieweit dieses Empfinden von unserer Gesellschaft geprägt wurde oder anderen Quellen entspringt. Dies bedeutet auch, dass wir bei Menschen, denen wir begegnen, trainieren können, ihren Standpunkt als eine weitere Facette unserer eigenen Persönlichkeit anzuerkennen, besonders dann, wenn wir auf diesen Standpunkt heftig reagieren. Wir beschäftigen uns damit, was Illusion für uns ist und ob wir sie ausgleichen können, wenn wir sie mit dem genauen Gegenteil unserer Vorstellung verschmelzen. Wir können uns damit auseinandersetzen, was für Konsequenzen unser Tun hat und wie wir über die Polarität hinausgelangen können. Auf einer alltäglicheren Ebene bedeutet die Karte, dass wir um inneren Ausgleich bemüht sind und das Thema Religion, Spiritualität und Magie intellektuell angehen - vielleicht, indem wir die verschiedensten Wege miteinander vergleichen und abwägen. Möglicherweise behindern wir damit aber auch unsere Intuition, die uns den Weg weisen könnte und ein inneres, kreatives Chaos, das wir zum spirituellen Wachstum brauchen, an ihrer Entfaltung.

      Umgekehrt

      Bewegen wir uns in einem Glaubenssystem, in dem wir die Funktion des Richters auf einen Gott übertragen, dann zeigt die umgedrehte Gerechtigkeit an, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem wir mit den dualen Glaubenssätzen nicht mehr klarkommen. Wir wehren uns gegen dieses fremdbestimmte Gerechtigkeitsgefüge. Die Umkehrung der Karte kann also heißen, dass sich unsere Glaubenswelt auf den Kopf stellt, der Bauch die Regentschaft übernimmt und an Stelle von Vernunft, Ordnung und Ausgleich heftige Gefühle hervorbrechen. Wie wir uns auch bewegen, wir fallen aus dem Gleichgewicht, mit dem wir die Pole von Recht und Unrecht ausbalancieren. Dies kann ein Segen sein, wenn wir zuvor zu kontrolliert gehandelt haben, denn dann zwingt uns das Schicksal, unseren spirituellen Weg auch ohne festen Plan oder Modell, an dem wir uns orientieren können, zu finden.

      IX Der Eremit

      Sammlung, Erkenntnis, Selbstfindung

      Während der Hohepriester dem Selbst ein göttliches Urbild von sich selbst bereitstellt, ist der Eremit das Bild des selbstlosen Dieners des Selbst - also des auf der Stufenleiter der Evolution nach oben drängenden Ichs, das die göttliche Wahrheit zu erkennen sucht und sich ihrem Bilde selbst anzunähern bestrebt ist. Zuerst sucht er dort, wo er die Wahrheit vermutet, und dabei vermutet er die Wahrheit dort, wo er sie sucht. Und weil er sie irgendwie immer dort findet, wo er sucht, sucht er sie immer dort, wo er sie vermutet, und damit findet er immer das, was er vermutet, nämlich die Wahrheit nach dem Bild seiner inneren Vorstellung. Damit hält er die Wahrheit vor sich selbst auf Distanz, denn der Sinn der Wahrheit liegt weniger darin, sie zu erkennen, sondern vielmehr in der Beantwortung der Frage, warum er sie überhaupt suchen muss. Dennoch ist dieses Konstrukt seines Bewusstseins sein einziges Instrument, um die Welt wahrzunehmen, zu begreifen und mit seinem Handeln zu beglücken. Die Frage, ob es eine Wahrheit gibt, wird erst dann wirklich zur sinnvollen Frage, wenn wir die unbewusste Strategie des Eremiten erkennen: die Wahrheit so tief in unserer inneren Natur zu verankern, bis wir es aufgeben, die Frage nach der äußeren Wahrheit zu stellen, weil wir die Wahrheit


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