Das Kreuz. Astrid Seehaus

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Das Kreuz - Astrid Seehaus


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sich lediglich zu einem abwartenden „Aha!“

      „Ein echter Holzklotz. Und die Frauen in Connollys Romanen kommen alle als doofe Dummchen oder miese Mörderinnen daher. Das ist sehr unspannend. Dieser Blödmann von Kommissar ist so typisch amerikanisch.“

      „Und wie sind die typischen Amerikaner?“, fragte Frank und versuchte, sich ein Schmunzeln zu verkneifen.

      „Überheblich“, antwortete sie vehement und rollte in die Küche. „Ich habe Hunger. Willst du auch was?“

      Er setzte sich an den runden Kieferntisch, den Jessi in den Kleinanzeigen gefunden hatte „Nur eine Kleinigkeit. Und wo spielen ihre Geschichten?“

      „In Boston.“

      Frank überlegte, wie er als Kommissar wäre, würde er in einer Millionenmetropole arbeiten. Sicherlich würde sehr schnell Kaltschnäuzigkeit seine Tage bestimmen.

      Das war das Stichwort.

      Er sprang auf und schnappte sich erneut das Handy. Während er zurück in die Küche schlenderte, wählte er Connollys Nummer. Kaum war sie am Apparat, schnauzte er unfreundlich: „Entweder Sie treffen sich mit mir, oder ich zitiere Sie aufs Revier.“

      Jessi schlug sich die Hand vor den Mund, um das schallende Lachen zu unterdrücken. Frank verfluchte sich im Stillen.

      „Wie bitte?“, fragte Connolly verdattert. Ihre Stimme troff vor Ironie, als sie erwiderte: „Aber Herr Kommissar, ich habe nie behauptet, dass ich mich nicht mit Ihnen treffen möchte. Selbstverständlich wäre es mir eine große Freude, Sie persönlich kennen zu lernen.“

      „Dann ist ja gut“, knurrte Rothe.

      Für Trotteligkeit gab es bestimmt einen Ehrenplatz zwischen Dick und Doof. Noch nie zuvor hatte ihn eine Frau derart genervt wie diese verwöhnte Primadonna.

      Er bestimmte Ort, Tag und Uhrzeit, und sie verlegte das Treffen kurzerhand um eine Stunde nach hinten in ein Café, das er nicht kannte.

      Auch gut.

      Hauptsache, sie kam.

      ***

      Connolly kam mit Absicht eine Stunde zu spät. Sie stieg aus ihrem Audi und ließ sich dabei Zeit. Auch wenn sich dieser Kommissar ärgern würde, was konnte er ihr schon tun? Nichts. Sollte er doch annehmen, sie sei ein verwöhnter Star aus Amerika. Ein spitzbübisches Lächeln umspielte ihre Lippen.

      Ihre Gastgeber hatten ihr das Blumencafé Fiora in Worbis nicht nur wegen des einladenden Interieurs und des guten Kaffees und Kuchens empfohlen (und ein Frühstück dort wäre wirklich ein Augenschmaus), sondern auch wegen des Blumengeschäftes.

      Mit dem Gedanken, ihrer Gastgeberin als Dank ein paar Blumen mitzubringen, betrat sie den Blumenladen. Die Verkäuferin hinter der Theke band gerade einen großartigen Strauß, der sogar Lizzy beeindruckte. Lizzy grüßte und schlenderte die Stufen zu den Räumlichkeiten des Cafés hinauf. Im vorderen Raum waren drei Frauen in ein Gespräch vertieft, die sich für ein Frühstück getroffen hatten, im hinteren Zimmer saß ein Mann am Fenster, der die Stellplätze beobachtete.

      Soso, dachte Connolly, ihm müsste mein Divenauftritt gefallen haben, so wie ich mit dem Hintern gewackelt habe. Sie warf ihm ein charmantes Lächeln zu. Er musterte sie. Sie war es gewohnt, gemustert zu werden, und dieser Mann tat es ausgiebig. Ohne ein Lächeln. Das war typisch für das Eichsfeld. Dieses fehlende Lächeln. So etwas vergaß man nicht, auch wenn man der Heimat jahrelang den Rücken gekehrt hatte. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie ihn für ein Prachtexemplar von Mann hielt. Da er saß, schätzte sie seine Größe auf über eins achtzig, er war sportlich, geschmackvoll gekleidet. Sein Gesicht war nicht glatt, nicht perfekt, aber hatte die richtige Mischung aus Attraktivität und herber Männlichkeit.

      Betont gelangweilt ließ sie ihren Blick durch den hübschen Raum schweifen und stellte fest, dass der Kommissar nicht auf sie gewartet hatte. Er schien, so wie erhofft, die Geduld verloren zu haben.

      Uups, war sie ein böses Mädchen?

      In sich hineinlächelnd überlegte sie, was sie als Nächstes tun sollte und entschied, die Blumen zu kaufen.

      Er hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Als sie das Fahrzeug parkte, ausstieg und dabei ihre wohlgeformten Beine zeigte, musste er sich bezähmen, sie nicht gedanklich zu entkleiden. Sogar in Thüringens Hauptstadt wäre sie eine auffallende Erscheinung gewesen. Ihr Auftreten zeugte von Kopf bis Fuß von Klasse. Das tiefrote Kostüm mit einem knielangen Bleistiftrock umschmeichelte eine perfekte Figur. Er zwang sich, sich nichts von seinen Gedanken anmerken zu lassen und stellte sich auf die Begrüßung ein. Doch sie warf ihm nur einen knappen Blick zu, lächelte vage und – ging?

      Er hatte Jessis Kommentar zu seinem Telefonausraster noch im Ohr („Das wird sie natürlich total überzeugt haben, mit dir zusammenzuarbeiten.“). Und als er ihr erklärt hatte, warum er Druck ausüben müsse, hatte sie gemeint, er sei so charmant wie ein Reibeisen. Er solle doch mal an den Film mit Kevin Costner und Whitney Houston denken – der Bodyguard und die Sängerin. Da hätte es vor Erotik geknistert, und das ganz bestimmt nicht, weil Costner herumgeschnauzt hätte. Sie sei Schriftstellerin, hatte er sich zu verteidigen versucht, und man wisse doch, dass alle Schriftstellerinnen dick seien, weil sie zu viel säßen, zu wenig Sport trieben und ständig Gummibärchen in sich hineinstopften. Abgesehen davon brächte diese Nervensäge von Frau ihn an den Rand des Wahnsinns.

      Und nun saß er hier und starrte einer Frau nach, die eine Figur zum Niederknien hatte und ein Gesicht mit einem Mund, der nach Küssen schrie. Die Fotos, die er aus dem Internet hatte, wurden ihr nicht im Mindesten gerecht.

      „Ihre Verabredung wartet bereits auf Sie“, sagte die Ladeninhaberin, halb verdeckt von einem prächtigen Blumenstrauß.

      Die Mischung aus Freesien und Gerbera in ihren Lieblingsfarben gefiel Lizzy. Sie war so sehr in die Betrachtung der Blumen vertieft, dass die Worte an ihr vorüberzogen, ohne dass sie den Inhalt begriff. Verwirrt wandte sie den Blick vom Strauß ab und starrte die Frau fragend an.

      „Der Gast, den Sie suchen, wartet am Fenster auf Sie. Hinten in der zweiten Stube. Vielleicht möchten Sie mitkommen, er hat auch den Strauß bestellt.“

      Es dauerte einen Moment, ehe Lizzy begriff, von wem sie gesprochen hatte.

      Als sie den Raum ein zweites Mal betrat, hatte sich Frank Rothe bereits vom Stuhl erhoben, hielt den Strauß in der Hand und überreichte ihn ihr mit den Worten: „Ich hoffe, Sie nehmen meine Entschuldigung an.“

      Lizzy versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie peinlich ihr die Situation war. Ihr Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln. Sie nahm den Strauß entgegen und verbarg ihr Gesicht in den Blumen, vor allem auch, um ihre Verlegenheit zu kaschieren. Dann stellte sie die Blumen in die Vase, die vorausschauend auf einem Nebentisch platziert worden war. Ihr Zuspätkommen entschuldigte sie nicht. Das tat sie nie. Ihrer Meinung nach bedeutete jede Entschuldigung ein Schuldeingeständnis. Davon abgesehen hatte es ihr tatsächlich die Sprache verschlagen.

      Er betrachtete sie schweigend. Ihm entging nicht die feine Röte auf ihren Wangen. Er war so sehr gefangen von ihrem Äußeren, dass er seinerseits noch nicht einmal das Bedürfnis verspürte zu reden. Es schien ihm durchaus zu genügen, sich an ihrem Anblick zu erfreuen und dann, irgendwann, zu gehen. Bis sie ihn aus seinem Tagtraum riss.

      „Ich habe nicht sehr viel Zeit. Ich muss noch arbeiten“, sagte sie kühl und seine wohlwollende Haltung ihr gegenüber war wie weggeblasen. Sie sah sich interessiert um, ließ ihren Blick schweifen, tat so, als ob es sie überhaupt nicht beeindruckte, was er von ihr wollte oder dachte oder tat, und blickte ihm schließlich direkt ins Gesicht. „Wie geht es jetzt weiter?“

      „Was darf ich für Sie bestellen? Kaffee? Oder lieber Tee? Einen Cappuccino?“

      „Einen Cappuccino bitte“, antwortete sie gestelzt.

      Routiniert bestellte Rothe zwei Cappuccini und vertiefte sich wieder in ihr Gesicht. Er versuchte herauszufinden, was genau dessen Attraktivität ausmachte. Die Fülle ihrer kastanienbraunen


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