Das Lebenselixier. Эдвард Бульвер-Литтон

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Das Lebenselixier - Эдвард Бульвер-Литтон


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mir bereits zugestanden hatte, eine nennenswerte Anzahl seiner Patienten behandeln zu dürfen, mir einige gnädige Dinge über das große Ansehen der Familie Fenwick gesagt und mich hin und wieder zum Dinner und viel häufiger noch zum Tee eingeladen hatte.

      Doch mein Dünkel erlitt einen bemerkenswerten Rückschlag. Abbey Hill erklärte, dass die Zeit gekommen sei, das im Dornröschenschlaf liegende Privileg wieder ins Leben zu rufen, einen Doktor seiner eigenen Wahl zu berufen, einen Doktor, dem man wohl gestatten konnte, aus Gründen der Menschlichkeit oder des Gewinns die Unterstadt zu besuchen, der aber seine besondere Lehenstreue gegen Abbey Hill nachdrücklich dadurch bekundete, seine Wohnung auf dieser ehrwürdigen Anhöhe zu nehmen. Miss Brabazon, eine unverheiratete Dame ungewissen Alters, aber unzweifelhafter Abstammung, mit einem kleinen Vermögen und einer großen Nase – die sie selbst scherzhaft als Beweis ihrer Abstammung von Humphrey, Duke of Gloucester (mit dem sie, ungeachtet der Zeitrechnung, tatsächlich oft diniert haben mag) erklärte – wurde beauftragt, mich, ohne den Hill durch die Anfrage in irgendeiner Weise bloßzustellen, diplomatisch zu befragen, ob ich geneigt sei, ein am Rande des Hills gelegenes, großes, altertümliches Herrenhaus zu beziehen, das vor vielen Jahrhunderten von Äbten bewohnt worden sein soll und von der Bevölkerung immer noch „Abbots´ House“ genannt wurde. Sollte ich mich hierzu entschließen können, werde der Berg an mich denken.

      „Es handelt sich allerdings um ein großes Haus für einen alleinstehenden Mann,“ sagte Miss Brabazon offen und fügte mit einem Seitenblick von alarmierender Süße hinzu, „aber sobald Dr. Fenwick die seiner Abstammung entsprechende Stellung unter uns eingenommen hat, braucht er nicht lange alleine zu leben, es sei denn, er zieht diesen Zustand vor.“

      Ich antwortete mit größerer Derbheit, als der Anlass gerechtfertigt hätte, dass ich zur Zeit nicht daran denke, meine Wohnung zu verlegen und dass der Hill eben nach mir schicken solle, wenn er mich brauche.

      Zwei Tage danach mietete sich Dr. Lloyd in Abbots´ House ein und kaum eine Woche später war er der erklärte medizinische Ratgeber des Hills. Die Wahl wurde durch den Richtspruch einer großen Dame entschieden, die unter dem Namen einer Mrs. Colonel Poyntz auf der heiligen Anhöhe als Alleinherrscherin gebot.

      „Dr. Fenwick,“ sagte diese Dame, „ist wohl ein kluger junger Mann und Gentleman, aber bildet sich doch ein wenig zu viel darauf ein – der Berg duldet keine Anmaßung außer der eigenen. Hinzu kommt, dass es sich um einen Neuankömmling handelt: der Widerstand gegen Neuankömmlinge, überhaupt gegen alles Neue, ausgenommen Hüte und Romane, stellt eines der wichtigsten Bande dar, welche alteingesessene Gesellschaften zusammenhalten. Aus diesem Grunde hat Dr. Lloyd auf meinen Rat hin Abbots´House bezogen; die Kosten hierfür würden jedoch seine Mittel übersteigen, wenn der Hill sich nicht verpflichtet fühlte, das in seine Protektion gelegte Vertrauen zu rechtfertigen. Ich versicherte ihm, dass alle meine Freunde nach ihm schicken würden, sobald ein Krankheitsfall auftritt, und wer sich zu meinen Freunden rechnet, wird mich nicht Lügen strafen. Was der Hill tut, wird viele Nachahmer bei denen dort unten finden – damit ist die Angelegenheit geregelt!“ Und sie war geregelt.

      Dr. Lloyd, in solcher Weise an der Hand genommen, dehnte den Bereich seiner Besuche bald über die Grenzen des Hills aus, der für einen Arzt nicht unbedingt gleichbedeutend mit einem Berg aus Gold war und teilte sich mit mir, wenn auch zu einem geringen Anteil, die viel einträglichere Praxis in der Low Town.

      Ich hatte keinen Grund, ihm seinen Erfolg zu missgönnen und tat es auch nicht. Aber nach meiner Ansicht über Heilkunst war seine Diagnose nur oberflächlich und seine Rezeptur veraltet. Wurden wir zusammen zu einem Ärztekonzil berufen, konnten wir uns nur selten auf eine Behandlungsweise verständigen. Ohne Zweifel war er der Ansicht, ich müsse in Anbetracht seiner Jahre Respekt zeigen; aber ich hielt es mit der Auffassung, welche die Jugend für die Wahrheit und die Alten für ein Paradox halten: nämlich, dass in Bezug auf wahre Wissenschaft in Wirklichkeit die Jüngeren die Erfahreneren - mit den neuesten Errungenschaften vertraut - seien, während die Senioren stur an den Lehrsätzen festhielten, die ihnen beigebracht worden waren als die Welt noch einige Jahrzehnte jünger war.

      Inzwischen breitete sich mein Ruf rasch aus, auch über meinen derzeitigen Wirkungskreis hinaus; mein Rat wurde sogar von Patienten aus der Hauptstadt eingeholt. Das Streben, das mir schon in früher Jugend meine Karriere vorgezeichnet und all meine Mühen versüßt hatte – der Ehrgeiz meinen Platz unter den großen Ärzten einzunehmen, denen die Menschheit eine dankbare, wenn auch prunklose Anerkennung zollt – sah sich vor freiem Feld und einem sicheren Ziel.

      Ich weiß nicht, ob ein weit vor der dafür vorgesehenen Zeit errungener Erfolg dazu berechtigt, aber er rechtfertigte meiner Ansicht nach den Hauptzug meiner moralischen Organisation – intellektuellen Stolz.

      Trotz aller Milde und Sanftheit gegenüber den meiner Obhut anvertrauten Patienten, ein notwendiges Element meines Berufes, neigte ich zu Intoleranz gegenüber Kollegen, die meinen Ansichten widersprachen – ja selbst meine Lieblingstheorien anzweifelten.

      Die Grundsätze meiner medizinischen Ausbildung richteten sich streng nach den Prinzipien der induktiven Logik aus. Mein Glaubensbekenntnis war ein strenger Materialismus. Ich zeigte tiefe Verachtung für all jene, die gläubig hinnahmen, was durch Vernunft nicht erklärt werden konnte. Meine Lieblingsphrase war „gesunder Menschenverstand“. Gleichzeitig hatte ich keinerlei Vorurteile gegenüber kühnen Entdeckungen, da Entdeckungen Forschung voraussetzen, verwarf aber alle Hypothesen, die nicht durch einen praktischen Test bestätigt werden konnten.

      Als Mediziner war ich Schüler von Broussai´s, auf metaphysischem Gebiet Anhänger Condillac´s gewesen. Ich glaubte mit diesem Philosophen daran, dass „wir all unser Wissen der Natur schulden; dass wir uns zu Beginn nur durch ihre Lektionen unterrichten können; und dass alle Kunst der Spekulation nur in der Fortsetzung dessen bestehe, was sie uns zu beginnen gezwungen hat.“ Da ich die Naturphilosophie streng von den Lehren der Offenbarung zu trennen wusste, kam ich nie mit den letzteren in Konflikt; aber ich behauptete steif und fest, dass kein gründlicher Denker aus ersterer die Existenz der Seele als drittes Prinzip neben Geist und Körper ableiten könne. Dass wie durch ein Wunder der Mensch wieder lebendig werden könnte, sei eine Frage des Glaubens, nicht des Verstandes. Ich überließ den Glauben der Religion und verbannte ihn aus der Philosophie. Wie konnte mit der Sicherheit, die der Logik der Philosophie genügte, definieren, was wieder lebendig werden sollte? Der Körper? Wir wissen, dass der Körper im Grab ruht, bis der Zersetzungsprozess seine Elementarteile in eine andere materielle Form gebracht hat. Der Geist? Aber der Geist war ein klares Resultat der körperlichen Organisation, wie die Musik des Cembalos das Resultat des sie erzeugenden Mechanismus des Instrumentes ist. Der Geist teilt die Hinfälligkeit des Körpers in extremem Alter, und durch Beschädigung des Gehirns kann in Mitten der vollen Kraft der Jugend der Intellekt eines Plato oder Shakespeare zerstört werden. Aber das dritte Prinzip – die Seele – dieses Etwas, das im Körper wohnen soll, wie sollte sie weiterleben können? Wo verbarg sie sich vor den Blicken des Pathologen? Mussten die Philosophen, die versuchten sie zu definieren, sie nicht mit den Eigenschaften des Geistes vermischen? Konnten man sie auf das bloße moralische Empfinden reduzieren, veränderbar durch Erziehung, Ausbildung, Verhältnisse und physische Konstitution? Aber selbst das moralische Empfinden des tugendhaftesten Menschen kann durch ein Fieber weggewischt werden. Dies waren meine Ansichten zu der Zeit, von der ich jetzt spreche – Ansichten, die sicher nicht originell oder gefällig zu nennen sind; aber ich hielt an ihnen mit einer Hartnäckigkeit fest, als handele es sich um besonders trostbringende Wahrheiten und ich sei ihr Entdecker. Ich zeigte Intoleranz gegenüber denjenigen, die dem widersprechende Lehren unterstützten – verachtete sie als irrational oder verabscheute sie als unaufrichtig. Sicher hatte ich die Laufbahn, die mein Streben vorausgesagt hatte, vollendet – war Begründer einer neuen pathologischen Schule geworden und meine Theorien in akademischen Vorlesungen zusammengefasst – hätte sogar eine, wenn auch schwache Autorität für jene Sekten abgegeben, die das Interesse des Menschen auf das Leben beschränken, das seinen Abschluss im Grab findet.

      Vielleicht fand auch das, was ich intellektuellen Stolz nenne, mehr als ich zuzugeben bereit war, Nahrung in dem Selbstvertrauen, das gewöhnlich aus einem ungewöhnlich hohen Grad physischer Kraft erwächst. Ich war von der Natur mit der Statur eines Athleten gesegnet worden. Unter der abgehärteten


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