Loverboy. Astrid Seehaus
Читать онлайн книгу.weg ins Wohnzimmer. Wenige Minuten und ein Whiskyglas später hatte sie ihn so weit, dass er ihr wenigstens zuhörte.
Er war sichtlich angespannt.
„Kevin, bitte, du musst an Alina denken. Sie ist unsere einzige Tochter. Wir sind uns immer einig gewesen, dass sie alles erhält, was wir ihr bieten können. Was ist schon dabei, wenn du an diesen B. verkaufst? Deinem Partner kann das doch egal sein, Hauptsache der Preis stimmt. Und für uns springt etwas extra heraus. Und das steuerfrei.“
Stolze stöhnte auf.
„Das Leben ist teuer“, betonte Katrin und machte einen Schritt auf ihn zu.
Sie wollte ihm beruhigend über die Schulter streichen, unterdrückte aber den Impuls. Er war noch zu aufgebracht, um sich von ihr berühren zu lassen.
„Lass mich damit in Ruhe“, blaffte er. „Mich interessieren solche Geschäfte nicht. Sollen die anderen sich ihr Stück vom Kuchen abschneiden.“
Immer wieder die gleiche Leier, dachte Katrin. Warum war es in letzter Zeit so schwierig, an ihn heranzukommen? Manchmal hatte sie das Gefühl, ihre Worte prallten an ihm ab. Wann waren ihr die Fäden aus den Händen geglitten? Sie war immer eine gute Menschenkennerin gewesen. In der Schule hatte sie sich sogar anhören müssen, sie würde Menschen manipulieren.
„Und was ist mit meinen Wünschen? Weißt du überhaupt, was ich will?“
Als er nicht reagierte, fuhr sie fort: „Denkst du etwa, ich will ewig in dieser Tretmühle bleiben? Meinst du nicht auch, ich könnte mir etwas Schöneres vorstellen, als tagein, tagaus Nachtschichten zu schieben? Mich vom Chefarzt abkanzeln zu lassen? Zweiundsiebzig Stunden Bereitschaft, lediglich unterbrochen von einem unruhigen Schlaf auf einer Untersuchungsliege? Glaubst du nicht auch, ich möchte das hier ein wenig mehr genießen?“ Und dabei machte sie eine weit ausholende Armbewegung, mit der sie die schicke Einrichtung ihres modernen Eigenheims umschloss.
„Ich lebe ja schon mehr im Krankenhaus als hier. Wann bin ich denn mal zu Hause? Nur Arbeit kann es doch nicht sein.“ Ehe sie ihm sagen konnte, dass sie sich das Leben mit ihm luxuriöser vorgestellt hatte, mit mehr Zeit, größeren Reisen und regelmäßigen Konzertbesuchen, unterbrach er sie auch schon.
„Du bist eine Ärztin mit hohem Ansehen, und die Leute vertrauen dir. Würdest du dieses Vertrauen aufs Spiel setzen?“
Sie schwieg.
„Ich entnehme deiner Reaktion, dass du es nicht tun würdest“, sagte er mit einem spitzen Lächeln auf den Lippen.
Jetzt ließ er wieder mal den Oberlehrer raushängen, als wüsste er, was gut und böse war. Wie Katrin das langweilte. Dabei machte er die Regeln, wie es ihm gerade in den Kram passte.
„Es ist nichts dabei, einem Geschäftsmann etwas zu vermitteln. Das macht ihr tagtäglich“, fuhr sie hartnäckig fort.
„Aber nicht an diesen Geschäftsmann.“
„Du kennst ihn doch gar nicht.“
„Eben.“
„Irgendwer wird dieses Haus kaufen. Wenn er es nicht tut, dann ein anderer.“
„Dann eben ein anderer.“
„Ach, Kevin, so kommen wir nicht weiter“, seufzte Katrin hilflos. Dann fiel ihr ein, was ihr Mann vor einiger Zeit über B. erzählt hatte.
„B. – war das nicht der, der angeboten hat, das Stadiondach mitzufinanzieren?“
„Du meinst das Public Privat Partnership?“
Katrin lächelte maliziös. Vielleicht war das eine Möglichkeit, ihrem Mann diesen geheimnisvollen B. doch noch irgendwie schmackhaft zu machen. Schien er nicht ein Wohltäter zu sein? Kevin hatte ihr von ihm erzählt, als er schweißgebadet und befriedigt neben ihr gelegen hatte. Entweder war es Glück oder ihren Verführungskünsten zu verdanken gewesen, dass er an dem Abend wie ein Wasserfall geredet hatte. Kevin erzählte ihr schon lange nichts mehr, was die Firma oder seine Arbeit anging. Anfänglich hatte sie ihm an dem Abend nur mit halbem Ohr zugehört, weil sie gedanklich verschiedene Variationen einer lukrativen Trennung durchgespielt hatte. Das Leben an seiner Seite machte keinen Spaß mehr, aber sie wollte ungern auf die Annehmlichkeiten verzichten, die er ihr bisher geboten hatte. Ihr Verhältnis war in den letzten Jahren jedoch derart eisig geworden, dass es womöglich nur noch eine Frage der Zeit war, bis er den Geldhahn zudrehen würde. Sie war hellhörig geworden, als in seinen Ausführungen eine sechsstellige Zahl gefallen war. Ihr vager Traum, nach Genf zurückzukehren, hatte sich auf einmal zu einem realen Ziel verfestigt. Sie musste dieser Ehe entfliehen, wenn sie nicht so werden wollte wie er: starr wie eine gefriergetrocknete Hähnchenkeule. Dabei gab es leider ein Problem: Alina. Sie war Papas Liebling, und er würde bestimmt alles tun, sie ihr abspenstig zu machen.
Ärgerlich stellte sie fest, dass sie sich von ihren Gedanken hatte mitreißen lassen. Was hatte Kevin gesagt? Ihre Unachtsamkeit konnte sie in dieser Auseinandersetzung die Oberhand kosten.
Sie riss sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf das, was Kevin ihr zu erklären versuchte.
„Zuerst hört sich das nach einem attraktiven Angebot an, und später übertreffen die Rückzahlungen in Form von Miete oder Pacht bei Weitem die Investitionen, die man aufgewandt hätte, hätte man das Ding ohne Privatinvestor gebaut“, belehrte er.
„Wir brauchen das Geld, Kevin!“, beharrte Katrin. „Und weißt du immer, was dein Geschäftspartner macht? Vielleicht bescheißt er dich ja und verhandelt gerade selbst mit B.“
„Uli?“, fragte Kevin konsterniert. „Er ist der Kopf von Barkel & Stolze Real Estate. Er hat die Firma gegründet. Sie ist sein Baby. Mich hat er später ins Boot geholt. Warum sollte er jetzt alles, wofür er gearbeitet hat, für ein paar Mäuse mehr wegwerfen?“
„Ach, das weiß ich doch nicht“, entgegnete sie genervt.
Manchmal hatte sie das Gefühl, Kevin wäre mit seinem Partner verheiratet. Uli war das Maß aller Dinge, Kevin folgte ihm wie ein Schatten. Das war schon seit Schulzeiten so.
„Ich weiß nur, dass es niemandem schaden kann, wenn du das Haus verkaufst und wir dafür extra kassieren. Und wenn schon?! Interessiert es jemanden?“
„Ja, das Finanzamt zum Beispiel. Und nein, ich werde nicht an einen Geschäftsmann verkaufen, von dem ich nicht einmal weiß, welche dubiosen Geschäfte er macht, und der einem Schwarzgeld anbietet.“
In diesem Fall sagte er nicht ganz die Wahrheit. Er hatte zumindest eine Ahnung, womit B. sein Geld verdiente. Deshalb graute ihm auch davor, dass er mit diesem „sauberen“ Geschäftsmann in Verbindung gebracht werden könnte. Und sowieso musste seine Frau nicht alles wissen.
Er täuschte sich. Sie wusste bereits eine Menge: Kevin betrog sie mit seiner Sekretärin. Und was er sonst noch anstellte, wollte sie gar nicht wissen. Ihre Ehe war in den letzten Jahren zu einer Farce geworden, und sie war es leid, alles hinzunehmen. Sie wollte einfach mal nur an sich denken. Sie wollte reisen, Ausstellungen besuchen, Neues erkunden, sich ausprobieren. Ganz einfach: Sie wollte das Leben, das er ihr versprochen hatte. War das so schwer zu verstehen? Als Ärztin mit vielen Überstunden würde sie sich ihre Träume niemals erfüllen können. Zu allem Überfluss hatte sie diesen Beruf auf sein Drängen hin ergriffen. Ein Rechtsanwalt und eine Ärztin, das sei die Eintrittskarte zur High Society, so hatte er ihr damals den Studiengang schmackhaft gemacht. Dass sie nicht lachte.
Sie hatte angefangen, ihn im Bett maßlos zu verwöhnen. Was hatte sie sich von dieser Elena für Tipps geben lassen. Tipps, die ihr, wenn sie nur daran dachte, die Schamesröte ins Gesicht trieben. Nachdem sie Elena kennengelernt hatte, war ihr bewusst geworden, dass sie einiges dafür tun würde, um an sein Geld zu kommen, denn Geld war der entscheidende Faktor für Freiheit. Ihre Freiheit, erkauft mit seinem Geld. Viel Geld.
Elena war so alt wie sie, verdiente ihr Geld als Prostituierte in einer Bar in Erfurt und war eines Tages zu ihr ins Krankenhaus gekommen, um sich untersuchen zu lassen. Dass sie dafür extra nach Weimar