Schwein im Glück. Astrid Seehaus

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Schwein im Glück - Astrid Seehaus


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was Herr Gerber mir mitgeteilt hat …“

      Ich winkte ab. „Ich nehme ihn.“

      „Sie wollen das Erbe annehmen?“ Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. „Sie haben mir aber zugehört, Frau Hansen? Dass ich Ihnen …“

      Eher er seinen Satz zu Ende bringen konnte, war ich schon aufgesprungen, hatte seine Hand gepackt und kräftig durchgeschüttelt. Ich befürchtete, dass er mit seinen Überlegungen das kleine bisschen Risikofreudigkeit, das ich verspürte, torpedieren und mein Mut wie ein nicht gelungenes Baiser zusammenfallen würde. Ich war kein sonderlich mutiger Mensch. Ich wäre es gerne, aber ich war es nun mal nicht. Und nun wollte ich es allen beweisen: die kleine Benita konnte auch, wenn sie wollte: nämlich durchaus auch risikofreudig!

      Ich bekräftigte meine Entscheidung mit einem deutlichen „Ja, ich will“, und gluckste vor Lachen.

      Ich hatte es geschafft. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. „Und bitte sagen Sie Herrn Gerber, dass ich persönlich vorbeikomme, um mir meinen Hof anzuschauen.“

      Ohne weiter auf das, was der Rechtsanwalt sagte, zu achten, dachte ich an das Bilderbuchprojekt einer Illustratorin, Irmela Lange, die wunderschöne Bilder von Tieren auf einem Bauernhof gezeichnet hatte. Und trotz dieser entzückenden Arbeiten war das Projekt von Winter verweigert worden. Ich spürte auf einmal wieder Hoffnung. Dieses bisschen Hoffnung, das man brauchte, um dem Gefühl, nichts gelänge einem, etwas entgegenzusetzen. Mein Lächeln wurde breiter.

      „Wenn Sie sich sicher sind, dass …“

      „Bin ich“, fiel ich dem Rechtsanwalt ins Wort.

      Dr. Ebertsmann-Meier zuckte die Achseln und murmelte: „Nun gut.“

      Während der Rechtsanwalt mir noch einmal alles erklärte, drifteten meine Gedanken ab. Zu den Schulden, die ich bald nicht mehr haben würde. Zu Ben und seinem Gesicht, das er machen würde. Zu den Eltern. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es sich anfühlte, wenn sie stolz auf mich waren.

      Der Rechtsanwalt reichte mir einen prall gefühlten Umschlag. „Die Schlüssel sind alle gekennzeichnet. Und, Frau Hansen …“

      Mein Gesicht glühte vor Freude.

      Als ob er es sich anders überlegt hätte, sagte er: „Ich wünsche Ihnen viel Glück.“ Er räusperte sich verlegen. „Und für alles Weitere fragen Sie Herrn Gerber.“

      „Das werde ich tun, Herr Dr. Ebertsmann-Meier.“

      Aufgeregt krampften sich meine Hände um den Umschlag. Wann bekam man schon einen Bauernhof geschenkt? Und die fünf Jahre, die der Hof unverkäuflich wäre, waren doch schnell vorbei. Ich könnte den Hof beleihen. Auf Land, das eine halbe Million wert war, würde ich jeden Kredit erhalten, und die Mitarbeiter von der Bank würden mich in Zukunft mit Sekt empfangen. Ich wäre deren beste Kundin. Auf die Gesichter meiner Familie war ich gespannt. Aber zuerst würde ich es Esme sagen.

      „Gratuliere. Dann bist du ja deine Sorgen auf einen Schlag los“, sagte Esme undeutlich, weil ihr Alkoholpegel bereits ihre Kinnspitze erreicht hatte.

      „Und stell dir mal vor, da laufen dann die Hühner herum, mit einer Glucke und lauter kleinen süßen, wunderbaren Kuschelküken.“ Ich ließ mich gerade von den Bildern meiner Illustratorin inspirieren, die vor meinem inneren Auge wie in einer Diaschau abliefen.

      „Welche Küken?“, fragte Esme und nuckelte an ihren dritten Black Russian (Wodka mit einem Hauch Kaffeelikör) herum, den ich uns zur Feier des Tages spendiert hatte.

      Ich war beschwipst. Nach einem weiteren Cocktail würde ich nicht mal mehr mit einem Fahrrad nach Hause fahren können. Besser wäre ein Taxi. So etwas konnte ich mir jetzt ohne Zweifel, immer und überall, zu jeder Tageszeit leisten. Toll!

      „Küken eben. Piep-Piep. Hühner. Und einen Hahn, der jeden Morgen kräht. Schafe und Ziegen, Mäuse, eine Katze. Natürlich“, laberte ich so vor mich. „Eine Katze. Jeder Bauernhof braucht eine Katze.“

      Esmes Zunge schien ein plötzliches Eigenleben zu entwickeln. „Undwiewillstdudasallesmanagen. Derhofliegtbeiebstorf.“

      „Wo Ebstorf liegt, weiß ich“, nuschelte ich. „Kloster. Weltkarte. Bursfelder Reformen.“

      „Wasfürreformen?“

      „Na, die, wo die Nonnen dann nicht mehr das Kloster verlassen durften. Hohe Mauer und so.“

      „Dawillstduhin?“ Esme riss entsetzt die Augen auf. „Inskloster?“

      „Ich doch nicht, Esme-Schatss.“ Ich kicherte. „Ich doch nicht! Der Bauer Gerber.“ Ich kicherte noch lauter, bis ich anfing zu hicksen.

      „Inskloster?“, wiederholte Esme dümmlich. „Du und Gerber? Ist der Mönch?“

      „Schaatss, sei kein Schaf. Der ist Bauer. Der kümmert sich um alless.“ Vor meinem geistigen Auge sah ich einen Mann in mittleren Jahren, im Kopf und Körperbau noch fit, aber mit Bierbauch und Speck im Nacken, eine Mistgabel schwingend. „Bauer Gerber wird sich um den Hof kümmern. Hab ich dir doch erklärt. Er kümmert sich um alless, während ich in Hamburg bleibe und weiter hier arbeite. Der ist mein Berater. Mein ganz, ganz persönlicher Berater. Der Hof wird beliehen, so dass auch meine Schulden getilgt sind. Alles gut.“

      „Allesgut“, wiederholte Esme grinsend. „Guterschachzug.“

      „Ja, Wahnss-sinn! Und Ben wird mich beneiden. Endlich bin ich mit ihm auf Augenhöhe und nicht mehr das kleine Schweinchen … äh, das war jetzt falsch assimiliert … äh, auch falsch …“ Ich musste überlegen, was ich Esme eigentlich sagen wollte. „Äh … Schwesterchen, um das man sich Sorgen machen muss.“

      „Schweinchensorgenhalt“, quasselte Esme und schielte angestrengt auf ihr leeres Glas.

      Ich griff nach ihrem Arm. „Du solltest mit dieser Radikaldiät nicht so übertreiben. Du hast doch noch nie diätet. Komm! Ich bringe dich nach Hause. Alkohol auf nüchternen Magen, das kann ja nicht gut gehen. Du musst etwas essen.“

      Sie blinzelte das leere Glas immer noch an. „Wardasnichein … Kräutercocktail?“

      Ich wollte mich am runden Stehtisch abstützten, konnte aber die Tischplatte nicht finden. Der Tisch stand schief. Wie alles im Raum, wenn ich mich so umsah.

      „Dumusstställeausmisten“, fiel es Esme plötzlich ein, als sie sich einhakte und mit mir zur Theke wankte.

      „Und die Tiere füttern“, gab ich ihr Recht.

      „Hühner“, soufflierte Esme.

      „Die Hühner und Küken.“ Ich winkte der Bedienung zu. „Zahlen bitte!“

      Als der Kellner kam, sah ich auf die Quittung und kicherte. „Ups! Esme, du musst zahlen. Wir haben mehr Cocktails getrunken, als wir bestellt haben.“

      „Echt?“ Sie glotzte auf das Tablett der Bedienung, die die Nebentische abräumte. „Soviel? Nur wir? Ganz allein? Ansovielentischen?“

      „Du bist betrunken“, lallte ich und fummelte Esmes Portemonnaie aus ihrer Handtasche und zahlte. „Rest für Sie.“

      Der Kellner schien über das dicke Trinkgeld überrascht und machte sich schnell davon. Wohl in der Befürchtung, ich könnte es ihm wieder abluchsen.

      Auf dem Weg zum Taxistand flüsterte ich Esme kichernd ins Ohr: „Was glaubst du, was die Bauern alle tüchtig sind, der Gerber wuppt das doch allein. So wie ich Dr. Ebertsmeier-Mann …“

      „Heißtdernichtanders?“ Esme hielt meinen Arm in einer Art Schraubstockgriff, um nicht von ihren hochhackigen Pumps zu fallen.

      Ich versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen, was mir nicht gelang. „Was hast du mit deinen Augen gemacht?“

      „Neues … äh Make-up.“

      „Für alle drei?“, fragte


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