Starke Kinder. Elisa Medhus

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Starke Kinder - Elisa Medhus


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habe, aber du hast so einen Lärm gemacht, dass ich nicht anders konnte.“

      In unserer Gesellschaft sind die verheerenden Auswirkungen körperlicher Züchtigung nicht zu übersehen. Körperverletzung, Vandalismus, Raub oder Totschlag - die Jugendkriminalität hat in beängstigendem Ausmaß zugenommen. Außerdem sind die Motive hinter den Gewaltverbrechen immer trivialer geworden. Man erinnere sich nur, dass kürzlich ein älterer Rollstuhlfahrer von einem Achtjährigen wegen fünfzehn Cent erschossen wurde. Viele fragen sich vielleicht: „Was hat sich der Junge dabei gedacht?“ Er hat sich gar nichts dabei gedacht. Das ist es ja gerade. Er hat einfach abgedrückt, ohne groß über andere mögliche Lösungen nachzudenken. Er war in allgemeinen Auffassungen befangen, weil er keine Eigenverantwortung mehr kannte. Ihm war weder bewusst, dass er ungerechtfertigte Ansprüche durchzusetzen versuchte, noch, dass er Gewaltverherrlichung betrieb. In anderen Worten, er handelte außengesteuert statt eigenverantwortlich.

      Eltern können auch mit Drohungen und Ultimaten viel Macht ausüben. Hier einige Beispiele:

      „Wenn du nicht sofort die Zigarette ausmachst, bekommst du einen Monat Ausgehverbot!“

      „Ich warne dich zum letzten Mal. Wenn deine Noten im nächsten Halbjahr nicht besser werden, ist das Auto weg. Du kannst dann meinetwegen mit dem Skateboard in die Schule fahren!“

      „Noch eine solche freche Antwort und es setzt was.“

      Auch hier handelt es sich, wie schon bei den Körperstrafen, um Einschüchterungsmethoden. Die Kinder fügen sich aus Angst und nicht aus Einsicht. Wir müssen bei der Erziehung unserer Kinder stets darauf achten, dass wir ihnen genug Raum zum Nachdenken lassen. Sie entwickeln erst Eigenverantwortung, wenn sie aus eigener Einsicht handeln und Entscheidungen fällen. Eigenverantwortung will gelernt sein, sie fällt einem nicht in den Schoß.

      6. Überfürsorglichkeit

      In unserer Gesellschaft scheint es nur mit Vollgas vorwärts zu gehen. Ist man im Stress, findet man es oft einfacher, die Angelegenheiten der Kinder selbst zu erledigen. Wie oft kommt es vor, dass ich das Frühstücksgeschirr der Kinder abspüle, abends die Schulkleider zurecht lege, oder mit Müttern telefoniere, nur um herauszufinden, wo es etwa einen ganz bestimmten Schlüsselanhänger zu kaufen gibt, den einer von ihnen am Rucksack eines Mitschülers so toll fand. Wie oft wische ich die Milch auf, die sie verschüttet haben, oder rufe in der Schule an, um zu fragen, ob beim Eignungstest Taschenrechner erlaubt sind. Es ist nicht so, dass dies meine Kinder nicht selbst erledigen könnten. Sicher würde es sie selbstbewusster machen und ihre Geschicklichkeit im Problemlösen fördern. Aber oft erscheint es so viel einfacher, die Angelegenheiten der Kinder selbst zu erledigen, weil das schneller geht, und die Aussicht lockt, dass ich mich nicht mehr weiter darum kümmern muss. Außerdem war mir ihr Gemeckere und Geschmolle oft ein Gräuel. Das zog an meinen extravertierten Strippen. Der Gedanke, ich könnte vor mir selbst und anderen als unfähige unaufmerksame Mutter dastehen, war mir unerträglich.

      Viele Eltern gehen so weit, dass sie für ihre Kinder neben Kleidung, Hobbies und Sportarten sogar die Freunde aussuchen. Einige sind ängstlich darauf bedacht, ihren Kleinen Entscheidungen zu ersparen, unter deren Folgen sie leiden könnten. Anderen macht allein schon der Gedanke Bauchschmerzen, dass die Entscheidungen ihrer Kinder sie als schlechte Eltern dastehen lassen. Also denken, fühlen und handeln sie für sie. Wenn Kinder keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, entwickeln sie kaum ein Urteilsvermögen, was ihnen später sehr schadet. Denn je älter sie werden, um so teurer müssen sie ihre Fehlentscheidungen bezahlen.

      Hier zwei Beispiele eklatanter Überfürsorglichkeit, und wie sich geeigneter reagieren ließe:

      Wenn ein Kind ankommt und sagt: „Mutti, ich brauche dich. Ich muss wegen meiner Verspätung genau an dem Tag nachsitzen, wo wir unser wichtigstes Fußballspiel haben! Sprich doch bitte mit dem Lehrer!“ Dann würde ich nur antworten: „So nicht, mein Junge. Du bist klug genug, um für dich selbst zu sprechen. Fußballspiel hin oder her.“

      Und wenn dieser Hilferuf kommt: „Vati, sei doch ein echter Kumpel und tippe mir mein Referat! Hier sind die Aufzeichnungen. Ich würde es ja selbst machen, aber ich habe heute Abend eine Verabredung mit Cindy. Ich möchte sie nicht versetzen, weißt du!“ Dann käme zurück: „Ich bin wirklich hilfsbereit mein Lieber, aber ich habe dich tippen gesehen. Das flutscht nur so. Soll ich Cindy anrufen und ihr sagen, dass du später kommst, damit du schon einmal loslegen kannst?“

      Kurz, manche Eltern sind überfürsorglich, weil sie es nicht sehen können, wenn ihre Kinder leiden. Andere sind es, um nicht schlecht angesehen zu werden. Wieder andere sind es, weil sie den Unmut fürchten, wenn ihre Kinder Fehler machen. Wie auch immer, Überfürsorglichkeit ist in der Erziehung allgemein üblich. Und da den Kindern durch solche Bemutterung sehr viel Denkarbeit abgenommen wird, können sie sich viel leichter in einem falschen Selbst verheddern bzw. sich in Äußerlichkeiten verfangen. Diese Kinder werden in der Überzeugung groß, dass es keine verlässlichen inneren Antworten gibt, weil sie niemals die Chance bekommen, überhaupt in sich hineinzuschauen.

      „Ich weiß, was am besten für dich ist!“

      Hier sind vor allem drei Unarten zu nennen, die bei der Erziehung Tabu sein sollten. Erstens, wir sollten Kinder nicht zur Anpassung auffordern. Zweitens, wir sollten sie nicht mit anderen vergleichen. Drittens, wir sollten ihre Eigenschaften nicht verallgemeinern. Schauen wir uns dies genauer an.

      1. Wenn zur Anpassung gedrängt wird

      Eine Fünfzehnjährige sagte im Interview: „Ich habe eine Klassenkameradin, deren Mutter vorschreibt, was sie anziehen soll, mit wem sie sich treffen soll und so weiter. Sie hat Angst, dass ihre Tochter sonst nicht gemocht wird und sie dadurch als schlechte Mutter dastehen würde.“ Klar wollen wir Eltern nicht schief angesehen werden, und warum sollten wir das dann nicht auch für unsere Kinder zu verhindern suchen? Aber das ist nicht der einzige Grund. Manchmal wissen wir einfach nicht wohin mit der Überschwenglichkeit und Kreativität unangepasster, selbstbewusster Kinder, und das ist uns unheimlich. Wenn sie den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen, könnten wir als unfähige Eltern angesehen werden, die nicht erziehen können. Und wir fürchten, dass unsere kleinen Nonkonformisten später nicht zurechtkommen draußen in der weiten Welt. Diese Enttäuschung wollen wir uns und ihnen ersparen.

      Ich finde jedoch, es sollte Eltern egal sein, ob ihre Kinder gelbe Socken, rote Shorts und ein lila T-Shirt in der Schule tragen wollen. Und wenn Kinder ein Pferd mit einer blauen Mähne malen wollen, sollte es ihnen nicht nur erlaubt werden, sondern sie sollten sogar dazu ermutigt werden. Sicher, ich finde es oft schauderhaft, in welcher Kleiderkombination meine Kinder in die Schule düsen. Doch dürften meine Bedenken eher von der Angst herrühren, als nachlässige Mutter zu gelten, als vom Zweifel an der Fähigkeit meiner Kinder.

      Hier einige Beispiele, wie wir unsere Kinder zur Anpassung drängen:

      „Bist du verrückt? Keiner trägt Armeestiefel zu Shorts.“

      „So kannst du nicht ausgehen; du siehst aus wie eine Witzfigur.“

      „Meine Güte, du hörst ja gar keine Backstreet Boys Musik mehr. Sind sie jetzt total out?“

      „Das Paisleymuster passt überhaupt nicht zum Karo. Zieh doch ein einfarbiges Shirt an.“

      Wir müssen uns vor Äußerungen, die unsere Kinder zur Anpassung drängen, sehr in Acht nehmen. Wir sollten ihre Kreativität und individuelle Ausdrucksweise akzeptieren, statt ständig zu versuchen, sie in ein Muster zu pressen. Wenn wir sie in ihrem individuellen Geschmack zu sehr beschneiden, gewöhnen wir sie bloß daran, sich nur an Äußerlichkeiten zu orientieren. Vielleicht befindet sich ja ein wirkliches Juwel in Ihrer Obhut. Einige der faszinierendsten Persönlichkeiten, die Großes für die Menschheit geleistet haben, waren echte Exzentriker. Denken Sie nur an Albert Einstein und Georgia O’Keeffe. Diese „Spinner“ sind doch gute Vorbilder, oder?

      2. Das Anstellen von Vergleichen

      Einige Eltern halten es für eine gute Methode, Kinder mit anderen zu vergleichen. Auch dies ist wieder eine Zuckerbrotmethode. Folgende Beispiele stammen aus Gesprächen mit Eltern:


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