Starke Kinder. Elisa Medhus

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Starke Kinder - Elisa Medhus


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      Wenn wir ein zu hohes Anspruchsdenken haben, lehrt das unsere Kinder ebenfalls, sich an Äußerlichkeiten zu orientieren. Und das betrifft auch ihre Einschätzung anderer Menschen und die Frage, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten sollen. Haben wir zum Beispiel für einen älteren Nachbarn das Mittagessen mitgekocht, solange dessen Frau im Krankenhaus war, und schimpfen wir dann vor unseren Kindern, der alte Opa hätte nicht einmal danke gesagt, schließen sie aus dieser Bemerkung, dass gute Taten vergolten werden müssen. Sie fangen dann an, ihre Liebe und ihre Freundlichkeitsbezeugungen mit der Anerkennung abzurechnen, die sie erhalten.

      Und aus diesem Anspruchsdenken wird langsam eine Anspruchshaltung. Die wirtschaftliche Schieflage in unseren Land beruht größtenteils auf einer überzogenen Anspruchshaltung ihrer Bürger. Es werden massenhaft ungerechtfertigte Privilegien abgeleitet. Und obwohl manche Forderungen gerechtfertigt sind und verteidigt werden müssen, sind es viele nicht, wie kostenloses Parken, Arbeitsplatzgarantie, billige Krankenversicherung, etc. Wenn unsere Kinder immer wieder diese Beschwerden hören, eignen auch sie sich eine Anspruchshaltung an. Sie entwickeln einen fordernden Lebensstil. Wir brauchen uns dann nicht zu wundern, wenn sie etwa verlangen, dass wir ihnen das Benzin und die Versicherung ihres Auto bezahlen. Und das mit der größten Selbstverständlichkeit.

      Das überzogene Anspruchsdenken ist für den Geiz und die Korruption, die sich in der Gesellschaft mehr und mehr bemerkbar machen, wesentlich mitverantwortlich. Wir müssen unseren Kindern klarmachen, dass wir allein Anspruch auf unser Leben und unsere schöpferische Kraft haben, woraus sich alles andere ableitet. So können wir zum Beispiel Robert fragen, warum er für die Beaufsichtigung seiner jüngeren Geschwister bezahlt werden möchte, da wir zum Elternabend müssen. Gehen wir dann mit ihm die Gründe durch, wird er bald einsehen, dass er eine Verpflichtung mit einer Verdienstgelegenheit verwechselt hat.

      Und was hat das mit Außengesteuertheit und Selbstbestimmung zu tun? Eine Menge! Das Anspruchsdenken nährt in unseren Kindern den Glauben, ihr Selbstwert hänge von anderen ab und sei an Äußerlichkeiten messbar. Damit keine solche Haltung in ihnen entstehen kann, sollten wir möglichst keine Erwartungen an unsere Freundlichkeit und Liebe knüpfen. Bemühen wir uns also um grundsätzliche Freundlichkeit und Zuvorkommenheit! Auf diese Weise werden unsere Kinder langsam begreifen, dass ehrliche Arbeit und gute Taten an sich lohnend sind und alles, was sie für ein gesundes Selbstwertgefühl brauchen, in ihnen selbst liegt.

      Falscher Umgang mit Gefühlen

      Wir alle gehen hin und wieder vor unseren Kindern falsch mit unseren Gefühlen um und geben dadurch ein schlechtes Beispiel ab. Zum einen leugnen wir bisweilen Traurigkeit, Enttäuschung, Schuldgefühle, Verlegenheit und Wut. Wenn Mutti partout keine Träne über Onkel Jacks Tod vergießen will, interpretiert ihr Kind Trauer als „ein schlechtes, verbotenes Gefühl.“ Zum anderen geben wir unseren Kindern ein schlechtes Beispiel im Umgang mit Gefühlen, wenn wir sie falsch adressieren. Wenn Vati in einer schrecklichen Laune heimkommt, weil er Stress in der Arbeit hatte, und dann diesen Ärger an seinem Kind auslässt, erhält dieses die Botschaft, dass es für die Gefühle anderer verantwortlich ist, ja vielleicht sogar Schuld an ihnen ist. Und wenn wir an negativen Gefühlen wie Ärger oder Kummer lange Zeit festhalten, ohne sie zu verarbeiten, ist das ebenfalls kein gutes Beispiel. Werden negative Gefühle gehegt, lernen unsere Kindern daraus, dass es für unangenehme Gefühle keine Lösung gibt und man sich damit eben abfinden muss.

      Unser fehlerhafter Umgang mit Gefühlen fördert im doppelten Sinn die kindliche Außengesteuertheit. Erstens hilft es unseren Kindern, eine dickhäutigere Fassade aufzubauen, hinter der sie ihr wahres Selbst verbergen. Zweitens gibt es ihnen zu verstehen, dass Gefühle, jene wichtigen Kommunikationsmittel, zugunsten äußerer Einflüsse verändert, verdrängt oder geleugnet gehören. Dadurch werden unsere Kinder zur Unterwürfigkeit erzogen. Es lenkt ihre Aufmerksamkeit nach außen und lässt innere Kommunikationsformen verkümmern.

      Wir sollten also versuchen, unsere Gefühle in einer gesunden Weise auszudrücken. Wir sollten versuchen, sie möglichst nicht zu unterdrücken, um Kritik und Lächerlichkeit zu vermeiden. Und wir sollten versuchen, sie dadurch zu entschärfen, dass wir nicht ewig an ihnen festhalten. Stellen Sie sich Emotionen wie eine Kiste frischen Fisch vor. Es ist o.k., die Fische zu kochen und zu essen, dazu sind sie schließlich da. (Sicher werden Sie irgendeinen Fisch finden, der mit dieser Aussage nicht einverstanden ist.) Aber die Reste sollten nicht zulange aufbewahrt werden, sonst fangen sie bald zu stinken an! Nehmen Sie sich ihrer an und lassen sie los. Wenn sie zu stinken anfangen, müssen wir sie dem armen Onkel Harry nicht vorwurfsvoll vor die Nase halten und behaupten, es sei sein Fisch! Wir sollten mit unseren Gefühlen (unserem Fisch) verantwortlich umgehen.

      Wenn Kinder zu sehr unter Druck gesetzt werden

      Ein zweite Erziehungsfehler ist, dass wir unsere Kinder oft zu sehr unter Druck setzen. Nichts trägt mehr zur Außengesteuertheit und Schwächung ihres Selbstvertrauens bei, als wenn wir Bedingungen an unsere Liebe knüpfen.

      Liebe in Antwort auf wunschgemäßes Verhalten ist bedingte Liebe. Wir äußern unsere Liebe oft nur, wenn wir von unseren Kindern angetan sind, statt dies auch in Zeiten zu tun, wenn sie es am meisten brauchen. Sehen wir uns einige Formen bedingter Liebe an, bevor wir uns fragen, wie wir diese schlechten Angewohnheiten einstellen können.

      Eingeschränkte Wertschätzung

      Wir teilen unsere Liebe oft eingeschränkt mit, indem wir etwa sagen „Sei ein Schatz und hilf mir“, oder „Du bist ein Schatz, aber vorhin warst du wirklich ein wenig frech“. Diese „Wertungen“ legen unsere Liebe quasi an die Leine, an der sie herbeigezogen werden kann. Unsere Kinder müssen daher annehmen, sie müssten sich unseren Wünschen entsprechend verhalten, damit sie von uns geliebt und anerkannt werden. Ist dies einmal verankert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie dies anderen gegenüber genauso machen. Damit unsere bedingungslose Liebe deutlich wird, sollten wir daher möglichst auf Zusätze verzichten, die unseren Kindern sagen, wir hätten sie mehr geliebt, wenn ...

      Wenn nur Sonnenseiten verlangt werden

      Oft scheinen wir unseren Kindern nur für Höchstleistungen ausdrücklich unsere Anerkennung zu zollen. Zum Beispiel klopfen wir ihnen anerkennend auf die Schulter, wenn sie ins Tennisteam kommen oder lauter Einsen im Zeugnis haben. Wir hängen ihre besten Arbeiten an die Kühlschranktür und schmeißen alles andere nicht ganz so Perfekte in den Müll. Kurz, wir loben unsere Kinder in den höchsten Tönen oder gar nicht. Damit geben wir ihnen zu verstehen, dass sie unsere Liebe nur verdienen, wenn sie unsere Ideale erfüllen!

      Doch wir sollten unsere uneingeschränkte Liebe deutlich machen. Unsere Kinder brauchen herzliche Zuwendung unabhängig von ihren Noten, Meinungen oder momentanen Kleidungsvorlieben. Wir könnten Tommy sagen, wie gern wir ihn haben, wenn er nach einem langen schwierigen Schultag ganz missmutig heimkommt. Wir könnten Alice herzlich umarmen, weil sie im Alleingang ihr Volleyballteam angefeuert hatte, das haushoch verlor. Wir könnten auch das 2+ Diktat an die Kühlschranktür hängen, wenn Peter besonders viel dafür geübt hat.

      Vielleicht sollten wir auch weniger auf Worte und mehr auf Taten setzen. Wenn wir unseren Kindern durch Taten „Ich liebe dich“ sagen, ist das so, als sprächen wir durch ein Megaphon. Es ist einfach ein Knüller. So könnten wir mit ihnen gemeinsam in einem Malbuch Bilder ausmalen. Wir könnten ihrer Pausenbrottüte einen kleinen Grußzettel beilegen. Auch eine wortlose kurze Umarmung ohne besonderen Grund vermag Kindern deutlich zu machen, wie sehr wir sie lieben.

      Wir machen sehr schnell den Fehler, uns nur auf die Rollen zu konzentrieren, die unsere Kinder einmal spielen sollen, statt sie als die Personen zu akzeptieren, die sie gerade sind. Es ist o.k., sie in ihrem Fleiß und Ehrgeiz zu bestätigen. Aber sie nur dafür zu loben, weil sie Neurochirurg werden, eine gute Note in der nächsten Physikschulaufgabe bekommen, oder Klassensprecher oder Klassensprecherin werden wollen, und sich dafür kräftig ins Zeug legen, ist nicht o.k. Wir sollten ihnen auch zu verstehen geben, dass sie an sich schon außergewöhnlich sind. Bethany, 13, sagt: „Ich weiß, dass mich meine Mutti so liebt, wie ich bin, und nicht nur ein Wunschbild von mir. Dadurch traue ich mir viel mehr zu.“

      Manchmal sitze ich gerne mit meinen Kindern zusammen und sage ihnen


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