Starke Kinder. Elisa Medhus
Читать онлайн книгу.einmischen.“
Hier sind sechs Arten, auf die Eltern Kindern vorschreiben, wie sie zu denken, fühlen und handeln haben. Obwohl wir diese Angewohnheiten nicht über Nacht ablegen können, sollten wir doch versuchen, sie so weit wie möglich zu vermeiden.
Kritik
Vorschnelle Bewertungen
Tadel und irrationale Strafen
Indoktrinierung
Übermäßige Kontrolle
Überfürsorglichkeit
1. Kritik
Kritik bedeutet, dass man Fehler an jemand aufdeckt. Sie ist o.k., wenn sie Positives bewirkt. Tut sie das nicht, sollte man besser darauf verzichten. Auch Meckerei (leicht versteckte Kritik) ist keineswegs harmlos. Sie bringt jedes einigermaßen intelligente Kind auf die Palme. Beides sind Bewertungsformen, die dem Kind signalisieren, dass es sich gerade in einer unerwünschten Richtung entwickelt. Wir leiten mit unserer Kritik und Meckerei unsere Kinder dazu an, sich eher über ihre Schwächen als über ihre Stärken zu definieren.
Kinder werden durch die „destruktive“ Kritik ihrer Eltern oder einer anderen Autorität zu Selbsteinschätzungen gebracht, durch die sie sich selbst entfremden. Wir sollten uns deshalb vor jeder Kritik fragen, ob sie mehr schadet als nützt. Es gibt soviel, das wir besser nicht sagen sollten.
2. Vorschnelle Bewertungen
Vorschnelle Bewertungen können die kindliche Selbstbestimmung sehr behindern. Oft versuchen wir mit dieser Kritik unsere Kinder von unserer Überlegenheit zu überzeugen, aus Angst sie würden sonst später die gesellschaftlichen Erwartungen nicht erfüllen können. In anderen Worten, wir zwingen Kindern durch Urteile und Bewertungen unsere eigenen Beobachtungen und Schlüsse auf. Auch dieser Trick schmeckt nach bedingter Liebe. Wir alle machen solche Bemerkungen. Sicher können Sie sich an Ähnliches erinnern.
„Bei deiner Lernschwäche wirst du es einmal sehr schwer im Leben haben.“
„Dein Schulrektor wird es nicht fassen können!“
„Organische Chemie ist ein schlimmes Fach.“
„Du kannst nichts dafür, du bist einfach ungelenk.“
Bestätigungen können ebenfalls versteckte Kritik enthalten. Hier einige Beispiele.
„Ist o.k., ich war in der Mittelstufe auch nur mit meiner Frisur beschäftigt.“
„Keine Sorge, als Kind hatte ich dieselben Rechtschreibprobleme.“
Durch solche Bemerkung geben wir unseren Kindern zu verstehen, sie seien o.k., weil sie genauso sind wie wir. Wir fordern von ihnen sozusagen ein Komplettremake ihres Selbst. Stattdessen sollten wir ihnen klar machen, dass unsere Bewertungen Meinungen darstellen und keine ehernen Gesetze. Wir müssen auf der Hut sein und hinhören, was wir sagen. Wir sollten unsere Kinder grundsätzlich zum Selberdenken anregen.
3. Tadel und irrationale Strafen
Auch Tadelei ist ein hervorragendes Mittel, aus selbstbewussten Kindern außengesteuerte Waschlappen zu machen. Sie ist gesteigerte Kritik. Während wir Kinder durch einfache Kritik über Fehler aufklären, werfen wir ihnen diese beim Tadel vor. Tadelei spiegelt oft unsere negativen Gefühle wider, besonders Zorn und Enttäuschung. Hier zwei Beispiele solcher negativen Bemerkungen:
„Sprich ja nicht mehr in diesem Ton zu mir, Bürschchen!“
„Es ist unfasslich, wie faul du bist. Nicht einmal den Müll hast du raus gebracht.“
Irrationale Strafen setzen der destruktiven Tadelei dann noch die Krone auf. Etwa wenn Kindern eine Tracht Prügel verpasst wird, weil sie nicht die Wahrheit gesagt haben, oder sie zur Strafe hundert Mal schreiben müssen „Ich will meinen Eltern gehorchen“ oder sie ohne Abendessen ins Bett geschickt werden, weil sie beim Hausaufgaben machen herumgetrödelt haben. Solche Strafen stärken nur die Rachegelüste der Kinder und tragen wenig zu einer Verhaltensänderung bei. Auf Strafen in Form logischer Konsequenzen, die nicht entwürdigend sind, wird später in diesem Buch eingegangen. Hier sei nur soviel gesagt, dass irrationale Strafen nutzlos sind und ihre willkürliche autoritäre Durchsetzung der Selbstständigkeit des Kindes schadet. Zwar fügen sich Kinder normalerweise rasch und tun das Befohlene, aber nicht, weil sie es einsehen, sondern aus Angst vor noch schlimmeren Strafen. Der „Respekt“, den sie diesermaßen den Eltern erweisen ist dann gewissermaßen pure Schau.
4. Indoktrinierung
Sie ist weit verbreitet. Während die anderen Formen der Bevormundung das Denken indirekt beeinflussen, tut dies die Indoktrinierung direkt. Hier einige typische Beispiele:
„Auf diese gute Referatsnote musst du einfach stolz sein.“
„Schäm dich! Dein Bruder hat den Fußballkurs problemlos geschafft!“
„Wie peinlich, dass du so etwas vor der Klasse gesagt hast.“
Wir schreiben mit solchen Äußerungen unseren Kindern vor, was sie denken sollen. Nach einiger Zeit fragen sie sich dann gar nicht mehr erst, was sie selbst denken und fühlen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man sich folgendermaßen ausdrückte:
„Toll, eine Supereins. Du hast dich ja auch gut auf dein Referat vorbereitet. Wie fühlst du dich jetzt?“
„Oh, du hast den Fußballkurs nicht geschafft? Dabei hast du dir doch so viel Mühe gegeben. Wie kommst du damit zurecht? Wirst du den Kurs wiederholen?“
„Wie deinen Klassenkameraden wohl zumute war, als du das gesagt hast? Wie könntest du die Sache wieder in Ordnung bringen?“
Auf diese Weise werden Kinder zum Nachdenken angeregt. Sie dürfen selbst eine Lösung finden und werden nicht durch die Formulierung zur Übernahme einer fremden Meinung gezwungen.
5. Übermäßige Kontrolle
Damit unsere Kinder gut funktionieren, greifen wir oft auf Zwangsmaßnahmen zurück. Wir festigen ihr äußeres Selbst, indem wir sie zum Beispiel herum dirigieren, körperlich züchtigen, Drohungen äußern und ihnen Ultimaten stellen.
Wenn wir Herum dirigieren, mischen wir uns übermäßig in das Leben unserer Kinder ein, ganz so wie bei Gepetto und Pinocchio. Hier einige Beispiele mit Alternativen:
„Vergiss deinen Rucksack nicht“ statt „Der Bus kommt gleich. Hast du irgendetwas vergessen?“
„Setz deinen Helm auf, wenn du rausgehen und Fahrrad fahren willst!“ statt “Fahrradfahren ohne Helm ist gefährlich.“
„Zieh deine Jacke an. Es ist eiskalt draußen!“ statt „Die Temperatur soll heute Nachmittag auf minus Zwanzig Grad fallen.“
„Mach dich gleich nach dem Essen an die Hausaufgaben“ statt die Kinder selbst darauf kommen zu lassen. Wenn sie ständig daran erinnert werden müssen, ihre Hausaufgaben zu machen, liegt das Hauptproblem sicher ganz wo anders!
„Denk daran, Jerry anzurufen, und bitte ihn, dir die Diktatliste zuzufaxen“ statt sie am andern Morgen beim Diktat die Folgen spüren zu lassen.
Man sieht, oft fallen einem Anweisungen leichter. Doch ist es wesentlich besser, Kindern informative Anstöße zum eigenen Denken zu geben und auch einmal zuzulassen, dass sie die Folgen schlechter Entscheidungen zu spüren bekommen.
Körperstrafen sind alarmierend weit verbreitet, vielleicht deswegen, weil unsere Terminkalender meist übervoll sind und Zeitdruck herrscht. Viele Eltern finden, dass zu einer guten Erziehung auch hin und wieder eine Tracht Prügel gehört. Anderen rutscht einfach die Hand aus, weil sie in manchen Stresssituationen keine andere Möglichkeit sehen. Beides wirkt sich negativ aus. Erstens führt es den Kindern Gewalt als praktikable Lösung vor Augen. Zweitens gibt es ihnen zu verstehen, dass sie minderwertige Personen sind, die unterdrückt und beherrscht werden dürfen. Das nährt in ihnen einen Minderwertigkeitskomplex. Wenn wir ausrasten und es