Religiöse Bildung am Bayerischen Untermain. Peter Muller
Читать онлайн книгу.Bezugsrahmen für die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und für die Zusammenarbeit mit den Schulen dar. Er wendet sich gegen fachliche Beliebigkeit und tritt ein für die Chancengleichheit und hohe Bildungsqualität für alle Kinder. So ist er letztlich als „Handlungsanleitung“ zur Verordnung des BayKiBiG zu verstehen.13 Die Verantwortung für die Umsetzung eines solchen Rahmenplans im Rahmen einer je eigenen Konzeption, wird zusammen mit dem Träger in die Hände der Einrichtungsleitung gelegt. Bei der Entwicklung der Konzeption sind die Eltern zu beteiligen, da der Plan davon ausgeht, dass Familien mehr denn je Unterstützung von außen brauchen und andererseits aber auch in die Arbeit der Kindertageseinrichtungen eingebunden werden müssen. Der Plan sieht ein „modernes Coaching für Familien“ als notwendig an. Eltern brauchen zunehmend mehr Angebote zur Stärkung ihrer elterlichen Arbeit. So können Kindertageseinrichtungen zu „lokalen Kompetenzzentren für Kinder und Familien“ werden. Als Beispiel werden die „Early Excellence Centres“ in England angeführt.14
Der Plan ist als offen bleibendes Projekt geplant. „Es gilt, ihn in regelmäßigen Abständen zu evaluieren und bei Bedarf an neue Entwicklungen anzupassen.“15 Das Institut für Frühpädagogik (IFP) wird die Umsetzung des Planes durch vertiefende Forschungsprojekte weiterhin begleiten. Das pädagogische Personal wie auch die Träger werden durch Qualifizierungsmaßnahmen und durch die Entwicklung weiterführender Materialien weitere Unterstützung durch das IFP erfahren. So wird auf den Online-Infodienst des IFP zum Bildungsplan hingewiesen, der ergänzende und vertiefende Beiträge enthält und kontinuierlich ausgebaut werden soll.16
2.1. Menschenbild und Prinzipien des bayerischen Bildungsplans
2.1.1. Das Bild vom Kind
Vier Gesichtspunkte werden in diesem Zusammenhang hervorgehoben
– Der neugeborene Mensch kommt als kompetenter Säugling zur Welt.
Unter Bezugnahme auf entwicklungspsychologische und neurowissenschaftliche Säuglings- und Kleinkindforschung wird hervorgehoben, dass das Kind unmittelbar nach der Geburt beginnt, seine Umwelt zu erkunden und mit ihr in Beziehung zu treten.
– Kinder gestalten ihre Bildung und Entwicklung von Geburt an aktiv mit.
Vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Mensch auf „Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit angelegt ist,“17 können Kinder entwicklungsangemessene Verantwortung übernehmen. Sie sind aktive Mitgestalter und können ihre Bedürfnisse äußern. „Kinder sind reich an Ideen und werden mit zunehmendem Alter und Wissenserwerb zu Experten, deren Weltverständnis in Einzelbereichen dem der Erwachsenen ähnelt. In ihrem Tun und Fragestellen sind Kinder höchst kreative Erfinder, Künstler, Physiker, Mathematiker, Historiker und Philosophen. Sie wollen im Dialog mit anderen an allen Weltvorgängen teilnehmen, um ihr Weltverständnis kontinuierlich zu erweitern.“18
– Jedes Kind unterscheidet sich durch seine Persönlichkeit und Individualität von anderen Kindern.
Diese einzigartigen Besonderheiten sind abhängig von seinem „Temperament, seinen Anlagen, Stärken, Bedingungen des Aufwachsens, seinen Eigenaktivitäten und seinem Entwicklungstempo.“ Die Entwicklung des Kindes wird als ein „komplexes, individuell verlaufendes Geschehen“ verstanden.19
– Kinder haben Rechte.
Unter Bezugnahme auf die UN-Kinderrechtskonvention wird ein Recht auf „bestmögliche Bildung von Anfang“ postuliert. Als oberstes Ziel der frühen Bildung wird die Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit mit ihren Begabungen und geistig-körperlichen Fähigkeiten angesehen. Das Recht auf Mitsprache und Mitgestaltung der Kinder im Hinblick auf ihre Bildung wird in besonderer Weise hervorgehoben.
2.1.2. Das Verständnis von Bildung
Vor dem Hintergrund des oben dargestellten Bildes vom Kind wird Bildung als sozialer Prozess verstanden. „Nur in gemeinsamer Interaktion, im kommunikativen Austausch und im ko-konstruktiven Prozess findet Bildung, nicht zuletzt als Sinnkonstruktion, statt.“20 Bildungsprozesse sind also immer im sozialen und kulturellen Kontext anzusiedeln. Drei Aspekte werden in diesem Zusammenhang hervorgehoben:
– Die kindliche Entwicklung wird von Anfang an unter biologischen und soziokulturellen Reifungs- und Wachstumsprozessen gesehen.
– Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan bekennt sich ausdrücklich zu seiner abendländischen Tradition, die durch das humanistische und christliche Welt- und Menschenbild geprägt ist. Gleichzeitig wird betont, dass auch Familien und Kinder mit einem anderen kulturellen und religiösen Hintergrund am Bildungsgeschehen zu beteiligen sind. Diese Unterschiede „sind als Chance und Bereicherung zu betrachten. Sie werden genutzt, um allen mehr Lernerfahrungen zu bieten.“21
– Das Verständnis von Bildung als sozialem Prozess führt zu einer erweiterten Zielsetzung des Bildungsplanes: „Neben der Stärkung individueller Autonomie werden auch die Mitgestaltung der sozialen und kulturellen Umgebung und die entwicklungsangemessene Übernahme von Verantwortung betont.“22
Der Bildungsplan orientiert sich vor diesem Hintergrund in seinen Zielen und Inhalten an einem „weiten und ganzheitlichen Verständnis“, das folgende Dimensionen berücksichtigt: persönliche, interaktionale und kulturelle Wissensdimension und eine partizipatorische Dimension. Er legt ein „breites Verständnis von Allgemeinwissen zugrunde. Es stellt die Entwicklung von Basiskompetenzen und Werthaltungen in den Mittelpunkt und verknüpft diese mit dem Erwerb von inhaltlichem Basiswissen.“ Dies vermittelt den Kindern ein „inneres Gerüst“ und gibt ihnen so Orientierung. Insbesondere ermöglicht dieses Bildungskonzept den produktiven Umgang mit Vielfalt und Wandel. Der partizipatorische Aspekt unterstützt die Entwicklung positiver Haltungen zum Leben und Lernen nachhaltig.23
Da Kinder Kompetenzen, Werthaltungen und Wissen an vielen Bildungsorten erwerben, betont der bayerische Bildungsplan, da diese aufeinander angewiesen sind, diese zu verknüpfen. Er unterscheidet zwischen informellen Bildungsorten (z. B. Familie, Kindergruppe, Medienwelt), non-formalen Bildungsorten (Kindertageseinrichtungen, Musik- und Kunstschule) und formalen Bildungsorten (Schulen).24
2.1.3. Leitziele von Bildung im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan
Bildung und Lernen wird als lebenslanger Prozess verstanden, der insbesondere in den ersten sechs Lebensjahren und den sich anschließenden Grundschuljahren nachhaltig geprägt wird. „In diesen Jahren sind die Lernprozesse des Kindes unlösbar verbunden mit der Plastizität des Gehirns, seiner Veränderbarkeit und Formbarkeit; es wird der Grundstein für lebenslanges Lernen gelegt. Je solider und breiter die Basis an Wissen und Können aus jener Zeit ist, desto leichter und erfolgreicher lernt das Kind danach.“25 Drei Leitziele sollen diesem hohen Stellenwert der frühen Bildung zur Umsetzung verhelfen.
– Stärkung kindlicher Autonomie und sozialer Mitverantwortung. So sind jedem Kind „größtmögliche Freiräume für seine Entwicklung zu bieten“. Gleichzeitig gilt es, in diesen Freiräumen Gelegenheiten zu schaffen, in denen das Kind lernt, in sozialer Verantwortung zu handeln. Dazu sind konkrete Mitsprache- und Wahlmöglichkeiten notwendig. In der kindgemäßen Reflexion des eigenen Verhaltens lernt es die Konsequenzen seines Handelns für sich und für andere.26
– Stärkung lernmethodischer Kompetenz. Lernen lernen ist nicht erst eine Aufgabe der Schule. Durch gezielte, d. h. an bestimmten Situationen und Inhalten orientierte Moderation der Lernprozesse, erwerben Kinder die Fähigkeit, über das eigene Denken nachzudenken (Meta-Kognition). Sie lernen erste Strategien, um ihr Lernen selbst zu steuern.
– Stärkung des kompetenten Umgangs mit Veränderungen und Belastungen. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Resilienz nicht angeboren, sondern von zwei Faktoren geprägt ist (das Vorhandensein bzw. Fehlen spezifischer menschlicher Stärken,