Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

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Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens


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Designerküche machte sie sich einen doppelten Espresso. Nach dem konnte sie besser denken, in ihrem Lieblingssessel vor dem Panoramafenster. Achter Stock Bogenhausen mit einem fantastischen Blick über München – genau, wie sie es sich gewünscht hatte. Und die Wohnung kostete sie letztlich keinen Cent, überlegte sie und war sehr zufrieden mit sich.

      So sollte das auch bleiben. Wie es künftig geregelt werden würde, wusste sie noch nicht. Aber dass es geregelt werden musste, und zwar von ihm, daran bestand kein Zweifel. Er wollte sie nicht, das war hart gewesen, aber sie konnte ja ansonsten jeden haben. Zahlen würde er trotzdem, da kannte sie kein Pardon. Er wusste, was passieren würde, wenn er sich nicht an die Vereinbarung hielt. »Ein Leben lang«, hatte sie gefordert und er hatte es damals wohl oder übel zugesagt. Zusagen müssen, sie hatte ihm keine andere Chance gelassen. Darin war sie einfach gut.

      Mal sehen, wie er sich das künftig vorstellte, überlegte sie und lehnte sich entspannt zurück.

      Redaktion »Fakten«, München

      »Und, war’s a scheene Leich?«

      Katharina kannte diese Frage seit ihrer Kindheit. Trotzdem überkam sie ein leichtes Schaudern, wenn im Zusammenhang mit einer würdigen Beerdigung in Bayern von einer »scheenen Leich« gesprochen wurde.

      Bei Kriminalhauptkommissarin Nina Obermann meinte Katharina immerhin, etwas Ironie herauszuhören.

      Sie hatte gleich beim Aufwachen am Montag beschlossen, die Polizistin noch mal anzurufen.

      Zuerst waren Svenja und sie pünktlich aufgestanden, hatten gemütlich zusammen gefrühstückt und Svenja hatte ihr zum Abschied einen Kuss gegeben mit den Worten: »Das war ein tolles Wochenende, Mama.« Nur beim Gedanken daran wurde Katharina warm ums Herz. Ihrer Tochter hatte das Wochenende gefallen, obwohl sie am Samstag hatte arbeiten müssen. Ihre Kleine war nicht beleidigt, sondern hatte den halben Samstag mit Oliver genossen. Und der Sonntag war auch nach ihrem Geschmack gewesen. Sie hatten nur herumgelümmelt – in Katharinas Bett, auf dem Sofa, auf dem Balkon und wieder auf dem Sofa. Kulinarisch war es ein »Bestell-Sonntag« gewesen. Mittags indisch, abends italienisch. Auch das hatte Svenja geliebt.

      »Frau Langenfels, sind Sie noch dran?«

      »Äh, ja, also nein, eine schöne Beerdigung war es eigentlich nicht, eine würdevolle auch nicht. Dafür war zu viel Botox und Getue im Spiel. Dass Sie nicht gekommen sind, bedeutet, Ihre Ermittlungen sind abgeschlossen?«

      »Sieht danach aus. Ich kann Ihnen gern noch mehr berichten. Wie wäre ein gemeinsames Mittagessen? Ich muss sowieso nach München, kurz zum Adelhofer. Vorher vielleicht? 12 Uhr im ›Brauhaus‹? Die haben super Schweinsbraten.«

      »Oh, den hatte ich am Chiemsee reichlich. Aber ›Brauhaus‹ ist bestens. Bis später.«

      Katharina legte auf und begann, den zweiten Artikel der Adelhofer-Reihe vorzubereiten. Die Beerdigung, ihr exklusives Treffen mit Adelhofer und am Mittwoch würde sie noch die Sendung mit unterbringen.

      Anschließend berichtete sie ihrem Chef vom Trip nach Breitbrunn, vom Gespräch mit Adelhofer und dem engen Kontakt mit Nina Obermann. RG zog beeindruckt die Augenbrauen hoch, mehr Zustimmung war von ihm nicht zu erwarten.

      Von ihrem Verdacht gegenüber Adelhofer hatte sie nichts erzählt. Das war noch viel zu dünn.

      Zwei Stunden später traf sie im »Brauhaus« ein und brauchte nicht lang zu suchen. Eine kräftige Frau Mitte 40 mit roten Haaren und flottem Kurzhaarschnitt trat auf sie zu und drückte fest ihre Hand: »Hallo, Frau Langenfels. Ich bin Nina Obermann. Ich hab da drüben den Tisch freigehalten.«

      Es war nach wie vor ungewohnt für Katharina, dass Menschen, die sie noch nie gesehen hatte, sie sofort erkannten. Eigentlich war das der Vorteil einer schreibenden Journalistin, dass man nicht wusste, wie sie aussah. Seit der Medell-Sache hatte sich das bei ihr grundlegend geändert. Sie war selbst fast genauso ins Zentrum des Interesses gerückt wie ihre Story. Ihr Foto tauchte in allen Zeitungen auf, sie hatte diversen Radio- und Fernsehsendern Interviews gegeben. Höhepunkt: ihr Auftritt bei Anne Will. Nette Frau, gute Journalistin, die im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen sinnvolle Fragen gestellt und ihre Privatsphäre respektiert hatte. Die »Alleinerziehende Mutter deckt Mega-Skandal auf«-Nummer war ihr erspart geblieben.

      Katharina folgte Nina Obermann zu dem Tisch in der Ecke, wo sie ungestört sprechen konnten.

      Tatsächlich bestellte die Kommissarin sich einen Schweinsbraten, Katharina beließ es bei einem Salat mit Putenstreifen. Dazu orderten beide große Johannisbeer-Schorlen – »zwoa große Johann für die Damen«, wiederholte die für Münchner Verhältnisse ungewohnt freundliche Kellnerin. »Wenn Ihnen des mit dem Salat zu grün wird, lasst sie Ihre Freundin bestimmt vom Krusterl probiern, ge«, fügte sie noch hinzu, als wollte sie ihre gute Laune und Kunden-Zugewandtheit definitiv unter Beweis stellen.

      Nina Obermann und Katharina grinsten sich an, die Bedienung verschwand zufrieden.

      »Frau Obermann, nachdem wir fast Freundinnen sind: Können Sie mir noch mehr über den Zustand von Lukas’ Zimmer sagen?«

      »Sie verlieren keine Zeit, ich merk’ schon. Kein unnötiger Small Talk, gleich zum Punkt. Ehrlich gesagt, ich bin genauso, passt.«

      Die »zwoa großen Johann« kamen, Frau Obermann hob das Glas und deutete ein Anstoßen an. »Auf die neue Freundschaft.«

      »Dem Lukas sein Zimmer – grauslig eben, das hatte ich Ihnen ja gesagt. Essensreste überall, das Bett nicht gemacht, die Bettwäsche wahrscheinlich wochenlang nicht gewechselt, wenn man von dem – vorsichtig ausgedrückt – unangenehmen Geruch in dem Zimmer ausgeht. Überall lag dreckige Wäsche rum, alte Zeitungen … Langer Rede kurzer Sinn: das Zimmer eines Messies. Es gab einen kleinen Pfad von der Zimmertür zum Schreibtisch und zum Bett, ansonsten alles voll mit Müll. Und eben das besagte Heftchen mit den verschiedenen Selbsttötungsmethoden, furchtbar, übrigens handschriftlich. Lukas Adelhofer muss eine Weile dran gesessen haben. Wahrscheinlich aus dem Internet zusammengetragen.«

      »Noch eine Frage zu den Zeitungen: Waren es Ausschnitte, die herumlagen, oder einfach irgendwelche alten Zeitungen?«

      Frau Obermann schaute Katharina interessiert an.

      »Ein Braterl mit Krüsterl und Knödl und einmal Grün mit Putenstreifen.« Das gastronomische Gute-Laune-Wunder stellte zwei nicht gerade kleine Teller vor den Frauen ab. »Lassens sich guad schmecka und …«, sie deutete auf die Schweinebratenkruste, »Krüsterl probiern lassn.«

      Einen Moment lang blieb es still am Tisch, bis beide den ersten Happen gegessen hatten. Nina Obermann tunkte das nächste Stück Knödel in die Sauce, während sie weiter berichtete. »Es waren tatsächlich Zeitungsausschnitte, und zwar ging es nur um Robert Adelhofers Bergwinter, sein Wiederauftauchen, seine beginnende Karriere und so weiter. Völlig unsortiert übrigens, nichts angestrichen, keine Ordner irgendwo zu dem Thema – sah aus, als hätte der Lukas alles aufgesaugt, was über seinen Bruder geschrieben wurde, und es – im wahrsten Sinne des Wortes – einfach fallen lassen.«

      »Eine perfekte Methode, depressiv zu werden – sich an der Karriere des Bruders weiden, der einen umgekehrt links liegen lässt«, überlegte Katharina laut.

      »Krüsterl probiern?« Frau Obermann deutete grinsend auf die Schweinsbratenkruste. Katharina lehnte dankend ab und widmete sich weiter ihrem Salat.

      »Und das Büchlein, das Sie gefunden haben, was hat es damit auf sich?«

      Nina Obermann zog eine graublaue abgegriffene Kladde aus ihrer Handtasche und schob sie über den Tisch: »Schaun Sie sich’s an.«

      Katharina blickte überrascht auf das Buch und dann auf die Kommissarin. Die beantwortete die unausgesprochene Frage direkt: »Ja, Sie dürfen reinschauen, ich habe die alten Adelhofers gefragt. Sie wollen nur nicht, dass es der Robert bekommt. Als ich gesagt habe, dass ich eine hervorragende Journalistin kenne, die mit dem Buch verantwortungsvoll umgehen wird und nichts veröffentlicht, ohne nachzufragen, waren sie einverstanden. Nichts


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