Gefährliche Geschäfte. Adi Waser

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Gefährliche Geschäfte - Adi Waser


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grosses, orangefarbenes Drehlicht an der mausgrauen Metalldecke leuchtete urplötzlich auf. Bewegliche Gegenstände wurden augenblicklich im Boden oder auf den Tischen verankert, Bildschirme, Tabellen und weiteres Material fügten sich wie mit Zauberhand in vorher verborgene Öffnungen ein. Alle nahmen auf gepolsterten Schalensitzen Platz. Die Rückenlehne wurde in die Vertikale eingeklickt, Fussgelenke und Stirn umfasste jetzt ein Mehrfach-Sicherheitsgurt, sodass der ganze Körper streng fixiert war. Es würde ruppig werden, das wusste jeder. Aber wie ruppig? Bewegungsfreiheit hatten jetzt einzig noch die Arme. Nach letzter Selbstkontrolle wurden diese in eine Art Vakuumröhre gesteckt, damit jedes Verletzungsrisiko vermieden wurde.

      Seltsam eigentlich, dass ein Schwarzes Loch, aus genügend weiter Distanz betrachtet, nichts weiter als eine schwarze trost- und lichtlose Fläche, oder richtigerweise eine Tiefe im All darstellt, ein Nichts im Nichts. Trotzdem ist das Nichts Antimaterie mit einem gigantischen, magnetischen und absolut tödlichen Kern. Dieses Nichts ändert sich aber schlagartig, wenn man nahe genug an den Ort des Geschehens ist.

      Durch die Panoramascheiben des Schiffs wurde jetzt langsam ein flacher, grauweisser und feiner Spiralnebel ungeheuren Ausmasses sichtbar. Zuoberst am Kelchrand hatte dieser alleine schon einen Durchmesser von vielen Lichtjahren. Dieses gefrässige Ungeheuer war ein rotierendes, sicher Millionen von Sonnenmassen schweres Loch mit enormer elektrischer Ladung, in das man bald hineinstürzen und sich dematerialisieren würde. In feinen Wirbeln war weit unten im Trichter sogar eine gleissendhelle, berstende Sonne zu erkennen, die einfach mitsamt ihrem Licht eingesaugt wurde. Etwas höher blaurötliche Gasnebel, die in langsamer Eigenrotation ihre Bahnen in die tödliche Spirale hinab zogen.

      Anhand feiner Erschütterungen war allmählich spürbar, dass das Schiff ohne eigenes Dazutun schneller wurde. Der künstliche Horizont an den Apparaturen begann sich zu drehen, was mit der langsamen Rotation am Kelchrand des Lochs übereinstimmte. Die feinen Erschütterungen machten sich stärker bemerkbar.

      Das Tempo des Schiffs nahm spürbar zu, und im gleichen Masse auch die Kraft der Erschütterungen. Die Rotation um die eigene Achse fühlte sich an wie ein Karussell mit steigender Drehzahl. Blickte man nach unten, schob sich jetzt ein gigantischer, ebenfalls um die Längsachse drehender und aufgestülpter Trichter ins Blickfeld. Am Boden, in unbestimmbarer Tiefe bereits gut sichtbar das alles verschlingende, tödliche Auge.

      Gigantisch, unvorstellbar und faszinierend ist ein Anblick solch infernaler Kraft! Ganze Milchstrassen mit ihren Tausenden von Sonnen, Monden und Planeten kippen in ein solches System, werden geschluckt und nie wieder ausgespien - von einem Spielzeug wie diesem Mutterschiff erst gar nicht zu reden.

      Das Tempo wurde horrend. Die Erschütterungen gingen wellenartig durchs Schiff, es schepperte und grollte wie bei einem Erdbeben. Die Körper der Raumfahrer wurden so brutal durchgeschüttelt, dass man um deren Leben fürchten musste.

      Jetzt brach das Lichtspektrum der Farben. Farbschattierungen schienen verschmiert, Schwarz-, Violett- und Blautöne wurden zusehends hellblau und grünlich, dann fielen sie ins orange-, gelb-, und letztendlich ins Rotspektrum, bevor sie dann in grau-weissliche Töne zerfielen und sich völlig auflösten. Das Loch fordert alles Licht und Farbe für sich, setzt alle bekannten physikalischen Gesetze ausser Kraft.

      Sogar die Luft drohte zu bersten. Sie wurde von Atemzug zu Atemzug dick und dicker, und mutierte wie Licht und Farben zu einem schmierig grauen Etwas. In den Ohren brauste und sauste es den armen Raumfahrern wie beim ärgsten Orkan. Jeder Atemzug wurde zum brutalen Ringkampf mit entfesselten Gewalten.

      Als Passagier nimmt man all diese Phänomene nur noch traumartig und unbeteiligt wahr. So, als ob man gar nicht mit von der Partie wäre. Wie in einer Disco mit Stroboskop, in dessen Licht sich Tanzende ekstatisch und ruckartig bewegen; irgendwie irreal und entrückt.

      Raumschiffe sind dem gigantischen Gravitationsfeld des Lochs mit seinen enormem Drücken und Verdrehungen entlang der Längsachse schutzlos ausgeliefert. Protonen- und Neutronenteilchen der Atomkerne beginnen die Bahn und ihre spezifische Ladung umzukehren.

      Das eigene Gravitationsfeld des Mutterschiffes muss bis zu einer gewissen Gradstärke hinaufgefahren werden, um druckstabil gegen aussen zu bleiben. Dann kam der exakt errechnete Zeitpunkt, wo die eigene elektrische Ladung der Atomkerne umgekehrt werden musste, um dem immer höher werdenden Aussendruck die Angriffsfläche zu nehmen. Da auch Bordelektronik bei Umkehr der Ladung atomarer Struktur naturgemäss ausfällt, werden Manöver ab einem gewissen Zeitpunkt manuell von mehreren Offizieren gleichzeitig ausgeführt. Es liegt in der Natur der Sache, dass der eine oder andere dabei ohnmächtig wird. Eine Fahrt durch ein Schwarzes Loch ist stets eine Zerreissprobe auf Messers Schneide für Crew und Schiff. Man überlässt es jetzt alleine der Höheren Macht, ob man dies überlebt oder nicht.

      Ab hier wird die Mannschaft zum reinen Betrachter degradiert, die dem Geschehen nur noch hilflos zuschauen kann, unfähig, eigene Gedanken zu produzieren.

      Rote Schockwellen prügeln jetzt wie Laserknüppel auf das geistige Auge ein. Der Körper krampft sich scheinbar auf Erbsengrösse zusammen, um sich dann in einem gewaltigen Knall mit gleichzeitigem Lichtblitz zu entladen.

      Alles läuft jetzt verkehrt rum; man fliegt nicht mehr, sondern der Raum selber stürzt auf einen zu, man fühlt sich nicht bleischwer, sondern schwebt befreit im Nirgendwo. Chemische Denkprozesse sind völlig ausgeschaltet, Schmerzen hören auf zu existieren. Wohin man jetzt geistig auch schauen mag: Es scheint dem Betrachter viel weisser, durchsichtiger, unwirklicher, schemenhafter, entrückter. Und auch trostvoller. Schmerzlos implodiert das Gehirn. Von einem Moment zum andern ist das Individuum nicht mehr existent. Es ist aufgelöst im Nichts. Erstmals körperlos und frei. Getrennt von Geist und Seele. Ziellos im All umhertreibend. Nur noch lose verbunden mit dem lebenswichtigen Silberband. Und der Hoffnung, dass dieses nicht reissen möge ……..

      8

      Irgendwo, in sicherer Distanz zum Gas- und Eisplaneten Uranus, drehte das Mutterschiff seine einsamen Runden. Fünf Expeditionsteilnehmer lagen in speziellen Körperumwandlungskabinen, die an überdimensionale Brutkästen erinnern, um den Umformungsprozess zum Erdenmenschen erlernen zu können. Das bereits bekannte Wissen über den Planeten Erde samt Bewohner wurde in ihre persönliche DNS eingespeichert.

      Die Aufwachperiode war eben just angebrochen, und die Missionsteilnehmer gingen stumm die letzten Stunden vor dem Flug zur Erde durch. Was ab jetzt zählte, war nur noch die Mission.

      Nacheinander verliessen sie die Kabinen. Im Gemeinschaftsraum tauschten sie sich untereinander aus, zuerst zögerlich, dann immer sicherer in der ungewohnten Sprache der Erdenbürger. Menschliche Gestalt hatten sie noch nicht angenommen, sie war ihnen noch zu befremdlich. Etwas später kletterten sie gemeinsam in den Gleiter. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Missionschef und Pilot gab die Koordinaten unter Berücksichtigung aller benutzbaren Zeitfenster ein.

      Raumfahrer nutzen in Planetennähe natürlich vorkommende, jedoch stetig wechselnde Gravitationsfelder, die eine Art Zusatzschub auslösen und die Reisezeit wesentlich verkürzen. Ungenutzte Zeitfenster verunmöglichen die Benutzung dieser Gravitationsfelder, und ein neues Zeitfenster muss gesucht und berechnet werden, falls denn überhaupt eines zur Verfügung steht. Eine konventionelle Reise vom Uranus zur Erde würde viel zu langen dauern.

      Später, als sich der Raumgleiter Richtung Erde bewegte, heiterte sich die angespannte und etwas trübe Stimmung auf. Die Mission lief wie geplant. Alle hatten menschliche Körper angenommen. Sozusagen als Probe für den Ernstfall. Uro summte zufrieden vor sich hin. Seine Tochter Eclipse liess sich davon aber nicht anstecken. Sie sass etwas seitab und hantierte an ihren Apparaturen. Als Biologie- und Chemiewissenschaftlerin bereitete sie unterdessen umfangreiche Testreihen vor. Diese galten vor allem der Atmosphäre, dem Schwerkraftfeld und dem Wärmehaushalt der Erde. Verschiedene Peripheriegeräte mussten noch an den etwas anderen Druck der Erde angepasst werden.

      Zenaco rumorte im hinteren Teil des Gleiters. Als gewiefter Bordingenieur und Mann für alles überprüfte er nochmals den gewählten Landeplatz. Momentan hatte er aber andere Probleme. Er kniete vor einer grossen Öffnung in der Bodenplatte des Gleiters, die Hände in die Seiten gestemmt, und starrte hypnotisierend auf das Innenleben der


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