Gefährliche Geschäfte. Adi Waser

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Gefährliche Geschäfte - Adi Waser


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und kollegialer Atmosphäre machte ihm auch heute noch zu schaffen.

      Auch hörte er im Geiste seine Kollegen mit einem geflügelten Zitat lästern: Mitarbeiter kommen meistens zu spät zur Arbeit, dafür gehen sie am Abend zu früh nach Hause, Kaderleute sind schon beim Morgengrauen im Betrieb und verlassen ihn erst, wenn gute Bürger längst schlafen. Als Geschäftleitungsmitglied war er eigentlich nur wegen einer spezifischen Weiterbildung angefragt worden. Aktiv beworben hatte er sich nie darum. Er fühlte sich einfach unwohl unter klassischen Kaderleuten. Dieses elitäre Getue dort war ihm einfach zuwider und zu aufgesetzt. Nein, er wollte jetzt und sofort auch nach hause. Ohne schlechtes Gewissen.

      Tanja erwartete ihn bereits ungeduldig und voller Tatendrang an der schön gedeckten Tafel inmitten grünen Rasens. Sie hatte sein asiatisches Lieblingsessen gekocht und fragte ihn in aufreizender Pose, mit einem verschämten Knicks wie anno dazumal:

      „Darf ich dem gnädigen Herrn des Hauses beschreiben, was ich für ihn gekocht habe? Zum Apéro gibt es einen lauwarmen japanischen Sake, der hervorragend zum ebenso lauen Sommerabend passt. Dann als Entrée ein Kokossüppchen mit viel Lemon-Gras und Saft, einer Extraportion Shitaki-Pilzen, und genügend Kokosmilch mit vielen frischen Kräutern und höllisch scharfen Gewürzen. Zum Hauptgang gebratenen, und herrlich klebrigen Thaireis mit buntem Streifengemüse und feingeschnittenem Rindfleisch an dunkler Sojasosse. Alles ganz schön scharf mit viel frischem, geraffeltem Ingwer und scharfen Chilischoten. Zum Dessert kredenze ich gebratene, gewürfelte Ananas und Bananen, mit etwas Alkohol parfümiert, und einer Kugel Vanilleeis. Ein wahres Festessen, fürwahr, und ganz zu Ihren Ehren!“ strahlte Tanja gutgelaunt.

      Carl gab sich grösste Mühe, gesprächig und in aufgeräumter Stimmung zu sein, war aber offenbar doch einsilbig und wider Erwarten überhaupt nicht hungrig.

      Tanja nahm plötzlich Carls beklemmende Stimmung wahr, und schraubte einen Gang zurück. Sogar Ramon merkte, dass irgendwie etwas nicht war wie sonst. Carl hatte immer schon ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihm. Wenn er auch nicht der leibliche Vater des Kindes war, so unternahm er als verantwortungsvoller Ersatzvater alles für das Wohl seines kleinen Sohnes. Doch heute war ihm gar nicht ums Spielen.

      Tanja erkundigte sich vorsichtig, ob er wieder Ärger im Büro gegeben hätte. Carl schüttelte nur stumm den Kopf. Verwundert stellte Tanja im Weiteren fest, dass er sich nur einen halben Nachschlag holte.

      „Carl? Es ist doch was, oder?“

      „Nein“, antwortete Carl gequält, „Ich habe einfach heute keinen Appetit, vielleicht ist es der stete Druck in der Firma, Abramowitch spinnt ja auch von Tag zu Tag mehr. Vielleicht sind es auch nur die Magennerven, du weisst ja. Ich bräuchte dringend ein paar Tage Urlaub, es wird mir langsam alles etwas zu viel. Wir könnten vielleicht nächstes Wochenende schnell mal einen Abstecher nach Rom machen? Du warst ja noch nie dort. Ich könnte am Freitagnachmittag in der Niederlassung beim Kolosseum in der Via di Fori Imperiali rasch reinschauen, und so das Nützliche mit dem Schönen sinnvoll zu verbinden, ja?“

      Tanja blühte sichtlich auf, fand die Idee fabulös und freute sich einfach wie ein Teeny. Beim Kaffee aber versank Carl wieder mehr und mehr in einen lethargischen, unzugänglichen Zustand. Zwischendurch schaute er verstohlen auf die Uhr. Dunkelheit überlagerte langsam schwindendes Tageslicht. Carl wurde unruhiger. Nach einem tiefen Durchschnaufer meinte er unvermittelt:

      „Ja dann mach ich mich mal auf den Weg!“

      Tanja schaute ihn verwundert an:

      „Aber Carl, ist es nicht noch arg früh?“

      Dieser aber ging nicht auf den Einwand ein. Mit einem Dankeskuss verabschiedete er sich, entschuldigte sich zum wiederholten Male und gab vor, heute einfach nicht auf der Höhe zu sein:

      „Ich werde so um zwei zu hause sein, suche mich aber bitte ja nicht übers Handy!“

      12

      Carl fuhr aufgewühlt und ziellos durch die nähere Umgebung, und suchte sich einen diskreten Platz, wo er ungestört seinem Gedankenchaos nachhängen konnte. Von Minute zu Minute ergriff die innere Unruhe von ihm mehr und mehr Besitz. Seine zittrigen Hände wurden zusehends schweissnass. Die Zeit trödelte endlos. Von der benachbarten Turmuhr schlug es behäbig elf, dann endlich zwölf.

      Carl hielt sich krampfhaft zurück, um dann um halb eins endlich an den vereinbarten Platz zu fahren. Der Wald schien jegliches Licht zu schlucken. Es war still geworden, sogar der leichte Nachtwind war eingeschlafen. Nur die Grillen zirpten ihr eintöniges Lied der Paarung. Carl parkte erstmal in einer kleinen Strassenausbuchtung.

      „Da! War da was?“ Carls Nerven flatterten. Ein weisses Licht funkelte durch den Wald, züngelte mal in diese, mal in jene Richtung. Schweiss trat auf seine Stirn. Mit aufheulendem Motor bog ein Cabriolet mit winkenden und kreischenden Partygängern um die Ecke. Der grollende Bass der Hightechanlage machte bumbumbumbum. Sekunden später schluckte der Wald Licht und Bass. Vorbei der Spuk. Kühle senkte sich herab.

      Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er noch immer zehn Minuten zu früh war. Schon beim blossen Gedanken an das Kommende wurden seine Hände feuchter und so klamm wie bei einem Primaner, der sein erstes Date mit der Dame seines Herzens hat. Er fuhr jetzt noch ein Stückchen weiter bis zur vereinbarten Stelle und parkte. Die offenen Fenster brachten wenigstens etwas Kühlung auf die schweissglänzende Stirn.

      „Tock, tock, tock!“, klopfte es urplötzlich aufs Autodach. Jedenfalls glaubte Carl, dies so zu hören, und krampfte sich instinktiv zusammen. Mit eingezogenem Kopf äugte er wie ein verängstigtes Reh hektisch nach allen Seiten. Er konnte niemanden sehen, auch nicht im Rückspiegel. Zögerlich öffnete er die Tür und zog den Schlüssel ab.

      Mit einem heftigen Ruck stand er dann endgültig mit beiden Beinen auf der Strasse. Und wäre beinahe einem Schreikrampf verfallen: Da, links vor ihm, fünf sechs Meter im Gebüsch, schwebten drei Kreaturen mit unbewegtem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen vor der Brust.

       Haben die schon lange auf mich gewartet? Mich womöglich im Wagen beobachtet? Allenfalls gelächelt ob meiner Nervosität und Angst?

      Carl stand da mit geweiteten Augen und zur Salzsäule erstarrt. Da löste sich eins der Wesen langsam aus der Gruppe und schwebte bis auf zwei Meter an ihn heran.

      Carl konnte gerade noch einen Aufschrei unterdrücken. Seine Hirnwindungen begannen nun ohne sein zutun zu arbeiten: Alte, längst vergessen geglaubte Erinnerungen nahmen Gestalt an, und drehten sich vor seinem inneren Auge wie ein dreidimensionales PC-Programm. Erfahrungen wurden wie schwere Steine aus klebrigem Matsch ausgegraben. Und ein Gefühl war dies! Wie wenn ausverkaufswütige Hausfrauen ein kunterbuntes Angebot mit gierigen Händen nach fehlerhaften Stellen abtasten würden.

      Offenbar hatte die Kreatur jetzt gefunden, wonach sie suchte, und das Gehirn fiel wie ein nasser Lappen in die Hirnschale zurück. In Carl stiegen jetzt zwingende Gefühle auf, irgendwohin gehen zu müssen. Richtig kombiniert. Auch zwei der Kreaturen schwebten zügig Richtung naher Waldlichtung. Die Dritte, vielleicht als Nachhut gedacht, liess Carl gleichzeitig merken, dass eine plötzliche Flucht im Keine erstickt würde.

      Die Waldlichtung war mit niederen Gehölz und allerlei Dornenzeug bewachsen, das sich im Dunkel nicht näher erkennen liess. Geschätzte hundert Meter mass der fast kreisrunde Platz. Der klare Sternenhimmel schien heute geheimnisvoll kalt und abweisend beleuchtet. Ihm war, als sei die Temperatur um zehn Grad gefallen. In diesem Moment zog ein Meteoritenschwarm seine Bahn durchs Firmament: Ein wahres Schauspiel dieser Sommernacht. Carl hätte einen Wunsch frei gehabt, aber heute stand ihm nicht der Sinn danach.

      Eine innere Stimme gebot ihm, dass er anhalten solle. Die drei Grausigen gruppierten sich jetzt eng um ihn. Carl hätte ihnen um nichts in der Welt in diese Augen sehen können, und richtete deshalb seinen Blick starr zu Boden. Kalte Schauerwellen schossen über seinen Rücken, und stellten auch die feinsten Härchen zu Berge. Ein unangenehmes Kribbeln bemächtigte sich jetzt des ganzen Körpers, ähnlich einem Ameisenlaufen. Auch machte sich ein unangenehmer Druck im Innenohr bemerkbar und liess ihn leer schlucken. Vor seinen Augen drehten sich langsam rote Feuerräder,


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