Gefährliche Geschäfte. Adi Waser

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Gefährliche Geschäfte - Adi Waser


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„Eines der Landebeine klemmt, und keiner hat sich im Vorfeld darum gekümmert. Bei einer Mission wie dieser sollten wir uns wirklich nicht mit Steinzeittechnik herumschlagen müssen.“

      Nimroy als junger, ambitionierter Arzt und Heiler warf einen ärgerlichen Blick auf Zenaco, da er sich in seinen Gedankengängen gestört fühlte. Mit der Zunge schnalzend, wandte er sich wieder seinem Bildschirm zu, und brütete über differenzierte Studien des menschlichen Stoffwechsels.

      Beria, eine begnadete Seherin und Medium, sass mit geschlossenen Augen kerzengerade wie eine Salzsäule auf ihrem Stuhl, die Hände auf ihre Oberschenkel gelegt. Sie schien vollkommen entrückt. Unvermittelt öffnete sie ihre ausdrucksstarken Augen und beugte sich zu Nimroy hinüber:

      „Ich hatte soeben Kontakt mit dem Universellen Grossen Rat Der Ahnen: Die gute Nachricht zuerst: Unsere Mission steht unter einem guten Stern. Alles fügt sich, wie es sich fügen soll. Jedoch haben wir ein grosses Problem: Mit unserer Nahrung stimmt etwas nicht. Ich weiss noch nicht, was es ist, aber ich fühle die grossen Schwierigkeiten und bin sehr, sehr beunruhigt.“

      Nimroy blickte sie entgeistert an, herausgerissen aus seinen tiefgreifenden Gedanken, und meinte dann etwas genervt:

      „Na was soll denn das jetzt wieder? Diese wird wohl nicht anders schmecken als früher schon. Wenn du aber darauf bestehst, werde ich mich später darum kümmern. Aber erst nach meinen Recherchen, und das braucht Zeit. Es ist zwar die ganz profane Angelegenheit der Erdenmenschen, aber in Zukunft wohl auch für uns von essenzieller Wichtigkeit!“

      9

      Carl Boromeo war nach einem langen Arbeitstag und einer noch längeren Abendsitzung abgespannt und hundemüde. Eigentlich zu müde, um überhaupt noch heim zu fahren. Und gegessen hatte er auch noch nichts. Tanja würde sicher schon zu Bett gegangen sein, schätzte er, und bestimmt keine Lust haben, ihn noch zu bekochen.

      Auf der Heimfahrt entspannte er sich bei klassischer Musik. Nach einer weiteren Zigarette kam ihm die Idee, beim Fressbalken, einer Autobahnraststätte, etwas zu essen. Gesagt, getan: Bei einem scharfen Rinds-Tartar fühlte er langsam wieder Lebensgeister in sich aufsteigen.

      „So, und jetzt nichts wie ab nach Hause!“ Wenige Autobahnkilometer weiter nahm er die Abfahrt und etwas später eine Wegabkürzung durch ein Wäldchen. Er fuhr hier gerne nachts, es war friedlich und verkehrsfrei. Die beste Gelegenheit, dem vergangenen Tag noch etwas nachzusinnen:

      Natürlich hatte sich an der Diamanten- und Rohstoffbörse nichts Konkretes ergeben. Das ständige Sinken des Diamanten- und Aluminiumpreises konnte sich, trotz verzweifelter Erklärungsversuche, keiner der Spezialisten plausibel erklären. Carl hatte solches auch nicht erwartet. Kursstürze dieser Art gab es immer wieder, sie hatten eine Vorgeschichte, die man, wenn überhaupt, nur in der Branche kennt. Und diese ist verschwiegen. Wer pinkelt sich denn schon gerne auf die eigenen Schuhe?

      Trotzdem war es auch für Carl als Nichtmakler schwierig, dies richtig einzuordnen und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl in die Sitzung einzubringen. Abramowitsch hatte eingangs getobt, musste aber einsehen, dass das Problem momentan so nicht aus der Welt zu schaffen war. James, der heute extra hergeflogen und trotzdem viel zu spät ankam, hatte ihm, Carl, danach in ruhiger Art und süffisantem Unterton börsenkundige Nachhilfestunden gegeben. Abramowitsch telefonierte während der Sitzung längere Zeit mit CEO Dr. Arthur Miller vom Hauptquartier in London, sowie mit Sir Steven Bold als Verwaltungsratspräsidenten von Finegood International Ldt. Anfangs tönte seine Stimme noch laut und nervig, wurde dann aber kleinlaut und endete mit „Ja, Sir! Selbstverständlich, Sir, und danke vielmals, Sir!“

      Jetzt in der Runde aber drehte er wieder auf:

      „Dies ist jetzt zur Chefsache erklärt worden. Ich darf annehmen, dass mich alle unterstützen, Lösungsansätze aktiv in die Tat umzusetzen, und so weiter und so fort. Vor allem auf Sie, Carl, warten Spezialaufgaben. Bereiten Sie mir keine Schande. Jetzt können Sie zeigen, was Sie draufhaben. Wäre ja gelacht, wenn ich das Problem nicht in den Griff bekäme!“

      Der hochaufgeschossene Verkaufschef Waldemar Köpfli als ehemaliger Diamanten- und Rohstoffexperte gab ebenfalls noch seinen Senf in ätzendem Baslerdeutsch. Und Ernesto Koller als Kommunikationsbeauftragter leckte seinem Chef mit brauner Zunge nach. Sie waren einhellig der Meinung, dass etwas getan werden müsse. Aber das war auch schon der einzige gemeinsame Nenner.

      Carl realisierte im Radio das Nachrichtensignet und drehte etwas lauter auf. Die Nachrichten rieselten so durch. Dann plötzlich stockte ihm der Atem:

      „Da! Schon wieder! Was ist das bloss?“

      Vor ein paar Momenten schon war ihm ein weisses Scheinwerferlicht in den Baumkronen aufgefallen. Es zuckelte zwischen Bäumen und Büschen herum, fiel zwischendurch auch mal auf die Strasse. Carl verkrampfte sich:

      „Was soll denn das?“

      Vielleicht fünfzig Meter vor ihm setzte ein rundes, hellweiss- und lichtdurchflutetes Ungetüm mit sirrendem Geräusch mitten auf der Strasse auf. Es tauchte seinen Wagen in grellstes Scheinwerferlicht. Carl trat mit aller Kraft auf die Bremse. Zeitgleich würgte es ihm den Motor und das ganze elektrische System ab.

      Vom gleissendem Licht geblendet und mit brennender Zigarette im Mundwinkel stieg ihm vom Bauch her Richtung Kopf eine heisse Wahnsinnspanik auf. Klebriger Schweiss trat aus. Er hatte schon von ähnlichen Situationen gelesen, dem Ganzen aber nie eine besondere Bedeutung beigemessen.

      „Ich? Nun also ich? Nein, lieber Gott, lass es nur ein Traum sein. Sicher nur ein Traum. Gleich ist es vorbei!“

      Es ging nicht vorbei. Dem Ersticken nahe, zerrte er an der Krawatte und löste mit einer Hand den obersten Knopf des Hemdes, um Luft zu bekommen. Er zwinkerte noch zweimal mit den Augen, aber es änderte sich nichts. Ihn überfiel heftige Übelkeit und ein traumhaftes, starkes Gefühl, als sitze er schon ewig hier im Auto und beobachte diese Szene.

      Plötzlich glaubte er zu bemerken, wie sich am Riesending eine Luke oder so etwas Ähnliches öffnete. Wie von Geisterhand schob sich eine schmale Rampe langsam zu Boden. Einen Wimpernschlag später stand eine weissbeleuchtete, fast schon durchsichtige Gestalt in der Öffnung.

      Carls Nackenhaare sträubten sich jetzt, der Schweiss rann in den Nacken. Langsam bewegte sich die Kreatur, oder was auch immer es sein mochte, über die Rampe in Richtung Strasse. Er blinzelte nochmals, dann überkam ihn neues Grauen: Die Gestalt lief nicht, nein, sie schwebte. Einfach so!

      Sein Puls raste hart, er hatte das Gefühl, dass sein Herz gleich zerspringen müsse. Keuchend, und mit aufgerissenen Augen rang er nach Luft, unfähig, auch nur den kleinsten Finger zu rühren. Carl konnte trotz tränender Augen seinen Blick nicht davon wegbewegen. Er fokussierte sich krampfhaft auf die Gestalt, die da langsam, aber stetig auf ihn zu schwebte. Neue Panikattacken schüttelten ihn durch. Er krallte sich noch fester ans Lenkrad. So, jetzt konnte er es deutlich sehen: Die dunkeln, übergrossen Augen im kalkigen, haarlosen und unbewegten Gesicht. Den Körper, eingehüllt in einen beigen, fast bodenlangen offenen Mantel mit hohem, steifen Stehkragen mit Zacken. Unter dem Mantel enge, blendend weisse Hosen. Eine Art Stiefel mit komischen Verzierungen staken an den Beinen. Ein rüschenartiges, goldbedresstes und ebenfalls helles Hemd deckte den schmalen Oberkörper. Ein dunkler, breiter Gürtel hielt schliesslich die ganze Figur zusammen.

      Carl fehlte jegliches Zeitgefühl. Er wusste nicht warum, aber jetzt spürte er das dringende Bedürfnis, auszusteigen. Wie in Trance öffnete er lethargisch die Autotür, und dies ohne den Blick von der grausigen Szene abzuwenden.

      Ein paar Meter vor ihm hielt die hochaufgerichtete Kreatur nun plötzlich inne. Sie bannte ihn ohne jegliche Gesichtsregung. Jetzt fühlte es sich in seinem Gehirn an, als ob diese in sein Innerstes hineinkriechen würde. Es löste einen Wasserfall an verschiedenen Gefühlsregungen aus, ungeordnet, ungebändigt, ungefragt. Nach einer Ewigkeit, so schien ihm, kam etwas Ordnung ins Chaos, und ihm war jetzt, als verstünde er, was die Kreatur sagen wollte. Oder tönt nur meine innere Stimme so, ging es ihm durch den Kopf. Carl wollte sich in seinem Leben nie auf eine innere Stimme einlassen, dafür war er viel zu sehr Zahlenmensch. Und wie sollte er eine Antwort geben?


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