Gefährliche Geschäfte. Adi Waser

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Gefährliche Geschäfte - Adi Waser


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      Zenaco merkte es als Erster: Der Nahrungsbrei im Kühlregal! Abgezählt bis auf die letzte Portion, und auf bestem Wege zu verderben. Das Aggregat arbeitete offenbar mangelhaft, und das Risiko war hoch, dass Keime das Produkt ungeniessbar machen.

      Eclipse als Biologin setzte Proben an. Etwas später wurde die Feststellung von Zenaco bestätigt. Nun war guter Rat teuer. Nachschub konnte nicht innert nützlicher Frist organisiert werden, da die Zeitfenster der Gravitationsfelder ungünstig standen.

      Eine Esskultur, wie wir Menschen sie kennen, war den Wesen von Dwan gänzlich unbekannt. Sie hielten sich stets ans Wesentliche, nämlich, dass der Organismus so optimal wie möglich versorgt werden soll. So hat keiner mit den Pfunden zu kämpfen, da Lust auf Essen schon gar nicht aufkommt. Und da es nichts zu kauen gibt, ist auch schneller gegessen. Ein Vorteil, denn die Zeit kann sinnvoller genutzt werden.

      Zenaco mit seinen praktischen Ideen schlug vor, an den kommenden Tagen trotz zweifelhaftem Brei wenigstens eine halbe Portion zu essen. Unterdessen konnte man sich beratschlagen, und niemand muss deshalb Hunger leiden.

      Beria beschwor in psychedelischem Singsang die allgegenwärtige, kosmische Allmacht, Lösungen bereitzustellen. Sie versicherte später, bereits in Kontakt mit verschiedenen Führern zu stehen. Alles würde sich rechtzeitig in die richtigen Bahnen bewegen, meinte sie.

      15

      Carl fuhr ins Büro. Mit ganz neuem Elan. Locker, fröhlich, unternehmenslustig, ja fast schon eine Spur abgehoben, und wie von einem anderen Stern.

      „Jetzt bricht ein neues Zeitalter an, und nur ich weiss davon“ textete er laut vor sich hin, und lachte dabei wie einer, der im Lotto gewonnen hat. Beschwingt stellte er die Musik lauter als üblich. Schnell wollte er sein Tagwerk hinter sich bringen und alles, was nur irgendwie möglich war, delegieren. Termine sollen im Kalender nach vorne, oder womöglich auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden. Auch seine Präsenz für die wiederkehrenden Tage der offenen Türen wollte er, grosszügig wie er sich in Zukunft geben wollte, dem Medienverantwortlichen Ernesto Koller abtreten.

      „Soll der sich doch selbst mit diesem hochnäsigen und herablassenden, neureichen Pack herumschlagen!“ fauchte er. Er hörte im Geiste schon, wie Koller nörgeln würde:

      Carl, Sie kommen mir neuerdings so umtriebig vor. Das schätze ich. Ich finde es toll, dass Sie die Mahnung des Chefs endlich ernst nehmen, und ein Konzept für unsere Probleme ausarbeiten. Gehen Sie aber mit unserm besprochenen Budget sparsam um. Ich sehe es ungern, wenn fremdes Geld von Mitarbeitern sorglos verschleudert wird. Er sah ihn in Gedanken dahin humpeln, den alten, viel zu dicken Mann mit den hängenden Hamsterbacken. Wie er alleweil mit verschränkten Händen auf dem Rücken leise das bekannte Kinderliedchen pfeift: Ach wie gut dass niemand weiss, dass Koller es schon lange weiss. Einer, der eigentlich schon vor zehn Jahren hätte pensioniert werden sollen. Aber wenn man eben keine Hobbys hat, bleibt einem im Alter nur die Arbeit.

      „Huch, zum Teufel mit dir, du alter Satansbraten!“ lachte Carl, und schlug mit der flachen Hand aufs Steuerrad. Und zur Unterstützung seiner Verachtung und seines momentanen Hochgefühls zeigte er dem nächstbesten Auto den Stinkefinger.

      „Ihr könnt mich alle mal! Jetzt hab ich mein eigenes Geschäftsmodel, nur wisst ihr alle nichts davon, ihr Elenden in den Niederungen. Aber das wird schon noch.“

      Später im Büro liess er seine Sekretärin vom Vorzimmer kommen:

      „Bitte Carry, seinen Sie so lieb und stornieren Sie alle unwichtigen Termine von dieser und nächster Woche. Interne Besprechungen und auswärtige Geschäftskunden ebenso wie telefonische Anfragen. Halten Sie mir einfach den Rücken frei, so gut es eben möglich ist. Erstellen Sie anschliessend einen Plan, wer mich wann und wo vertreten kann. Kriegen Sie das bis Mittag hin?“

      Carry nickte diensteifrig, meinte aber doch neugierig:

      „Aber gewiss doch, Mister Boromeo, äh, ich meine Carl!“ Sie errötete dabei leicht. Dieser hatte ihr gestern angeboten, ihn doch beim Vornamen zu nennen, da sie ja eh schon seit Jahren eng miteinander zusammenarbeiteten, und auch sonst. Ach, was soll die Etikette?

      „Aber wie kriegen wir die Termine von nächster Woche unter Dach und Fach? Es sind einige, die nicht mehr verschoben werden können, und ihrer persönlichen Anwesenheit bedürfen?“

      „Jaja, ich kümmere mich dann schon darum. Orientieren Sie mich ad hoc, und dies bitte rechtzeitig, wenn das möglich ist, okay?“

      So leicht wird einem ums Herz, wenn man Arbeit delegiert! dachte Carl im Nachhinein ganz verwundert. Er reckte die geballten Fäuste weit von sich, und gähnte herzhaft und lange.

      „Na dann“, sagte er laut, „Dann wollen wir mal!“

      Zuerst führte er ein ausführliches Telefonat mit James Locklear, und verabredete sich auf kommenden Samstag um neun bei ihm zuhause, da dieser alleinstehend und momentan ohne Freundin war.

      Um den Mittag verabschiedete sich Carl bei seiner Sekretärin, und schob einen wichtigen Termin vor. Er setzte sich in ein nahegelegenes Restaurant in eine ruhige Ecke mit schönem Ambiente, und genoss bei einem guten Glas Wein den milden Tag. Verschiedene Dinge wollte er mit sich in gemütlicher Atmosphäre klarlegen:

      Er hatte James am Telefon natürlich nicht voll einweihen können, ihm aber immerhin verraten, dass es um einen Knaller erster Güte gehe. Natürlich wollte dieser gleich alles wissen. Carl musste abwehren: Es sei rein geschäftlich, habe aber trotzdem eine private Note. Da wurden die Ohren von James natürlich länger und spitzer. Er klärte ihn wenigstens dahin auf, dass es um Aluminiumlieferungen ungeheuren Ausmasses gehe, und er einen Plan im Sinne hätte.

      Carl kannte James und seine früh verstorbenen Eltern schon als Jugendlicher, die in der gleichen Stadt wohnten. Sie hatten zusammen die ersten Frauengeschichten, veranstalteten, wenn die Luft rein war, zu hause Saufgelage, und taten all dies, was Jugendliche in diesem Alter so tun. Ihre Väter kannten sich bestens vom Geschäft her, waren gegenseitig auf Besuch, und kamen aus ähnlichen, gutbürgerlichen Familienverhältnissen.

      Ihm graute nur im Stillen davor, James sagen zu müssen, dass er mit Ausserirdischen Geschäfte machen wolle. James würde sicher sein feines, überlegenes Lächeln aufsetzen, die Brauen hochziehen und die Stirnrunzeln spielen lassen. Und ihn dann fragen, ob auch die Meise in seinem Kopf neu sei. Nun ja.

      Des Weiteren würde es um Diamanten gehen. Ruben Stern handelte ja für Finegood seit Jahren die ganze Palette, aber diesen konnte er unmöglich einweihen. Er traute es ihm einfach nicht zu. Nicht fachlich, aber als Mensch traute er ihm nicht über den Weg. Nicht auszudenken, Stern würde bei Abramowitsch nachhaken. Dieses Theater. Rausfliegen würde er, hochkant und fristlos.

      Aber vielleicht könnte James dies bei Kollega Stern einfädeln? Wäre Stern denn mit einer Erfolgsprämie zu ködern? Wenn er andererseits aber Wind bekäme, wer die wahren Abnehmer dieser Diamanten sind? Ja, nur schon die schiere Grösse des Geschäftes konnte Ängste hervorrufen. Die Sache mit Stern will also genau überlegt sein.

      Dann war da auch noch der logistische Kraftakt mit dem vielen Aluminium. Wohin damit? Da konnte man ja kaum lastwagenweise Ware unbemerkt in Waldlichtungen karren?

      Ein zentraler Punkt war auch noch die ganz profane Frage des Geldes: Mit Hosenknöpfen kann man wohl kaum Rohstoffe kaufen. Fehlt also noch das Geld, richtig. Aber woher nehmen? Sicher nicht von Banken, die wollen immer alles so genau wissen. Man bräuchte von irgendwoher einen ungeheuer potenten Investor?

      In Carl tauchte eine vage Idee auf: Ein alter und persönlicher Kunde, Jakob Blumenstein? Ein steinreicher Erbe dieses alteingesessenen, schweizerischen Pharmaunternehmens? Ja warum denn nicht? Genau dieser Blumenstein: In der Blüte seines Lebens, und immer noch Junggeselle. Hatte noch nie etwas Sinnvolles zustande gebracht, geschweige denn etwas zum eigenen Lebensunterhalt beigetragen. Stets lebte dieser nur seinen Tagträumereien nach. Sein Fokus richtete sich einzig darauf, eines Tages ein berühmter und erfolgreicher Alchemist zu werden, der es als Erster zustande bringen würde, aus Blei Gold zu machen. In seinem


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