Gol. Friedrich Schmidt-Roscher

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Gol - Friedrich Schmidt-Roscher


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eine Fortbildung in der Polizeiakademie in Santos gemacht. Die unangenehme Erinnerung an diesen Typen, der ihr nach einem feucht-fröhlichen Abend an die Wäsche wollte, war noch ekelhaft frisch. Sie hatte ihm ins Gesicht geschlagen.

      „Wir hätten uns auch eine schönere Beschäftigung für heute denken können“, knurrte Mineiro.

      Coelho gab Mineiro die Hand und nannte seinen Namen. Er tat so, als würde er Gil nicht kennen. Sie übersah seine ausgestreckte Hand. Der Kommissar bot ihnen einen Platz an und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. „Ich vermute, dass ihr das Material gelesen habt, das meine Sekretärin gestern Nachmittag gemailt hat. Zunächst sah es so aus, als ob sich Max de Lima dort an der Fabrikhalle das Leben genommen hätte. Aber die Lage seiner zerschmetterten Gliedmaße war ungewöhnlich.“ Er räusperte sich. „Bei der Obduktion fand der Pathologe einige Hämatome an seinem Körper. Er wurde im Gesicht und in den Unterleib geschlagen. Der Abschlussbericht fehlt noch. Doch mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er keines natürlichen Todes gestorben.“

      Er legte einige Schwarzweißfotos auf den Schreibtisch. Gil schaute sich die Bilder von der Leiche und dem Tatort zusammen mit Mineiro aufmerksam an.

      „Wisst ihr schon etwas über den Todeszeitpunkt?“ Mineiro gähnte verstohlen.

      „Soll ich euch einen Espresso bringen lassen? Die Fahrt war bestimmt anstrengend, so wie ihr ausseht.“ Coelho ging an das Telefon.

      „Wo waren wir stehengeblieben? Ach so, ja. Also die beiden Sicherheitsleute fanden die Leiche am Freitagmorgen neben einer alten Fabrikhalle der Firma Bosch, die im Augenblick nicht mehr genutzt wird. Die Täter konnten davon ausgehen, dass der Tote nicht sofort entdeckt wird. Es war mehr oder minder Zufall, dass die Leute bei ihrer Kontrolle von der normalen Route abgewichen sind. Der Tote sieht nicht so gut aus. Ratten haben an ihm genagt.“

      Gil schüttelte sich. „Können die Pathologen schon etwas zum Todeszeitpunkt sagen?“

      „Wie gesagt steht der Bericht noch aus. Gestern Abend habe ich mit einem Arzt telefoniert. Er meinte die Nacht war relativ kalt. Die Temperatur der Leiche war gesunken. Aber noch keine Leichenstarre. Vermutlich kam er zwischen Mitternacht und vier Uhr früh zu Tode. “ Coelho schwieg. Dann sagte er: „Warum seid ihr als Spezialeinheit eingeschaltet worden?“

      „Na, weil sie euch eben nichts zutrauen.“ Mineiro grinste. „Seid ihr nicht darüber informiert, dass alle Verbrechen, die im Zusammenhang mit Fußball stehen, bei der zentralen Erfassungsstelle in der Hauptstadt gemeldet werden müssen. Ich gehe davon aus, dass eure Staatsanwaltschaft dies ordnungsgemäß gemacht hat. Die Zentrale hat sich mit unserem Staatsanwalt in Verbindung gesetzt, da der Journalist de Lima in São Paulo wohnt. Unsere Aufgabe ist nicht nur zu helfen, dass der Fall gelöst wird. Die brasilianische Regierung will in den Tagen mit so vielen Besuchern aus aller Welt verständlicherweise gut dastehen und braucht keine negative Schlagzeilen.“

      „Das wird sich bei Max de Lima kaum vermeiden lassen“, warf Gil ein. „Wo wohnte der Journalist in Curitiba?“

      „Er war hier im Stadtzentrum im Hotel Flora abgestiegen. Ein einfaches Hotel, zwei Sterne. Am Sonntag kam er an und buchte für vier Tage. Der Mann an der Rezeption hat erzählt, dass de Lima in der Nacht von Montag auf Dienstag nicht im Hotel war. Er kehrte erst am Dienstagabend wieder ins Flora zurück. Wir haben noch keine Ahnung, was er in dieser Zeit machte. Am Mittwochmorgen verließ er das Hotel mit unbekanntem Ziel und tauchte dort nicht mehr auf. Gestern durchsuchten zwei Kollegen von der Spurensicherung sein Zimmer und überprüften sein Gepäck. Viel war es nicht. Ein kleiner Handkoffer, dreckige und saubere Wäsche, Kulturbeutel, eine Tageszeitung, Hose, Hemd, ein Foto seiner drei Söhne. Es wurden keine Rechercheunterlagen gefunden.“

      Mineiro und Gil sahen sich an. Die Kommissarin sagte. „Ist es vorstellbar, dass ein Journalist wie de Lima ohne Laptop, Tablet oder Mobiltelefon reist?“

      Coelho verdrehte die Augen: „So weit waren wir auch schon, dazu brauche ich keine Spezialermittler. Eine Hotelangestellte hat uns versichert, dass er definitiv einen Laptop dabei hatte. Er fragte nach Wlan. Doch die elektronischen Geräte sind alle verschwunden.“

      „Oder die Mörder haben sie geklaut!“ Mineiro rieb seine Wange. „Sicher habt ihr das Hotelpersonal schon gefragt. Haben die etwas mitbekommen?“

      Der Polizist aus Curitiba schüttelte den Kopf: „Die Hotelangestellten haben nichts gesehen. Ich vermute, dass er den Laptop und das Mobiltelefon dabei hatte, als er weg ging. Er war praktisch nicht im Hotel, sondern ist weggegangen und war mehr als zwei Tage verschwunden.“

      „Wir müssen herausfinden, an was er dran war.“ Gil rutschte auf dem Stuhl hin und her.

      „So sehen wir das auch. Seine Arbeitssituation war nicht so einfach. Denn de Lima hatte seinen Job bei‘ O Globo‘ verloren. Er war einige Zeit weg vom Fenster und hat sich nun wieder rangeschafft. Vor einem halben Jahr fing er bei einem kleineren Fernsehsender an.“

      „Und wie sieht es mit Familie und Freunden aus“, hakte Mineiro nach.

      „Da könntet ihr uns gut unterstützen. Er lebte von seiner Frau getrennt. Sie wohnt in São Paulo. Führt ihr das Gespräch mit der Witwe?“

      Es klopfte. Eine junge Polizeibeamtin kam herein und trug ein Tablett mit drei Espressi. Sie stellte die Tassen auf den Tisch und berührte dabei mit ihrer Hand den Arm Coelhos. Der Kommissar bedankte sich bei der Polizistin und tätschelte ihren Arm. Gil hatte plötzlich das Gefühl, dass der Kommissar nicht nur wegen des Falles noch im Präsidium war.

      Ihr Gastgeber holte die Akte von seinem Schreibtisch und gab ihnen ein Blatt Papier. „Hier ist die Adresse der Witwe von Max de Lima und die Adresse eines seiner erwachsenen Kinder.“

      „Und was bedeutet ‚Nova Vida‘“, fragte Gil.

      „Das ist der Fernsehsender, bei dem de Lima in den letzten Monaten gearbeitet hat. Die Zentrale befindet sich in São Paulo. Vielleicht wissen die, mit was er sich beruflich beschäftigt hat. Möglicherweise finden wir so eine Spur.“

      Der Capitão nickte: „Gut! Ihr kümmert euch um Zeugenaussagen in Curitiba und versucht herauszufinden, was er hier wollte. Die Tage in Curitiba müssen lückenlos rekonstruiert werden. Wir befragen seine Familie und die Arbeitskollegen. Am Mittwochmorgen telefonieren wir zusammen. Kannst du uns die Dinge aus der Akte kopieren, die wir noch nicht haben? Können wir hier in der Nähe etwas essen?“

      „Gleich gegenüber gibt es ein gutes Lokal, das einen köstlichen Feijoada am Buffet hat. Am besten, ihr geht gleich hin. Ich lasse euch die Kopien dorthin bringen.“

      Die beiden Ermittler standen auf und gingen zur Tür. Plötzlich meinte Coelho: „Ach eine Sache wäre da noch. Sollen wir mit dem Tod an die Presse gehen?“

      Mineiro rieb seinen Bart: „In Brasilien können wir so eine Sache nicht lange geheim halten. Morgen könnt ihr an die Presse gehen. Aber lass uns heute noch Zeit, Kontakt mit seinen Angehörigen aufzunehmen. Die müssen es nicht aus dem Fernsehen erfahren.“

      Als sie eine Stunde später im Polizeifahrzeug saßen, dachte Gil daran, dass in sechs Tagen die Fußballweltmeisterschaft begann. Hatte der Tod des Journalisten etwas mit dem Diebstahl des Pokals zu tun?

      Kapitel 12

      Samstag, 7. Juni 2014, abends, Avenida Ipiranga

      Das Edifiçio Coban war drei Kilometer vom Büro der Polícia Civil in der Rua Brigadeiro Tobias entfernt. Gil ließ sich von einem Agente in einem Fiat an die Avenida Ipiranga 200 fahren. Der bekannte Architekt Oskar Niemeyer hatte das Edifiçio Coban in den 50er Jahren entworfen. Die 1163 Wohnungen des weltweit größten Hochhauses waren in den sechziger Jahren der letzte Schrei. In den achtziger und neunziger Jahren gab es den Niedergang. Doch seit 10 Jahren zogen wieder Leute in das Coban. Dort zu wohnen, war wieder in.

      Gil kannte das Coban, weil eine Großcousine ihrer Mutter mit ihrer Familie dort lebte. Sie erinnerte sich an langweilige Verwandtenbesuche mit nervigen eingebildeten Cousinen. Die Frau, die sie suchten, lebte in dem Bereich, in


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