Gol. Friedrich Schmidt-Roscher

Читать онлайн книгу.

Gol - Friedrich Schmidt-Roscher


Скачать книгу
Doch heute war das Gesicht des Direktors der DHPP rot vor Zorn. So glühte er höchstens, wenn er mal wieder mit seinem Sohn stritt, der vor einem Jahr sein Studium geschmissen hatte und nun auf Kosten seiner Eltern lebte.

      Um 9:03 Uhr rief die Sekretärin von Ribao bei dem Capitão an. Zusammen mit Gil sollte er um halb zehn beim Direktor antanzen. Mit rotem Gesicht warf Ribao zwei Tageszeitungen auf seinen Schreibtisch. Zweimal schlug er mit seiner Faust auf das Papier und brüllte: „Haben Sie das gelesen? Woher wissen die Zeitungen vom Diebstahl des WM-Pokals? Da kann doch nur einer von unsern Leuten gequatscht haben! Was bezahlen die Schmierfinken für die Weitergabe von Dienstgeheimnissen? Wenn ich das Schwein erwische, dann kann er was erleben!“

      Die beiden Kommissare standen schweigend in sicherer Entfernung vor dem rauchenden Vulkan. Mineiro betrachtete intensiv seine Schuhe und schwieg. Gil bemühte sich dem Polizeidirektor nicht in die Augen zu schauen. Sie wussten, wenn ein Mann in seiner Position so außer sich war, dann war Widerspruch zwecklos. Fünf Minuten später hatte sich Ribao wieder im Griff:

      „Jetzt hören Sie auf, wie zwei Schüler nach unten zu blicken! Haben Sie eine Idee, wer das den Zeitungsleuten gesteckt haben könnte?“

      Gil schwieg und wartete auf die Einlassung des Capitão. Der räusperte sich: „Also Chef, tut mir leid, ich habe keine Ahnung. Ich lese morgens keine Zeitung. Können Sie uns informieren, was in dem Artikel steht?“

      Schnaufend nahm der Direktor der Polícia Civil eine Zeitung in die Hand und suchte auf dem Schreibtisch seine Lesebrille.

      Während er suchte, meinte die Kommissarin: „Wir haben natürlich die Sache ganz vertraulich behandelt. Ich habe noch nicht einmal zu Hause über diesen Fall gesprochen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es einer von uns war.“

      „Heute Morgen um 8:15 Uhr ruft mich der stellvertretende Innenminister aus Brasilia an. Der stellvertretende Innenminister persönlich! Wie peinlich! Er wurde vom Präsidenten des Weltfußballverbandes angerufen. Der Schweizer hat die brasilianischen Polizei im Allgemeinen und unsere Abteilung konkret scharf kritisiert.“ Ribao schlug eine Seite auf. Nun hatte er die Lesebrille gefunden.

      „Hier steht in fetter Schrift: ‚Schande – WM-Pokal gestohlen. São Paulo. Ist der Fußballpokal wirklich weg? Kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft in Brasilien gibt es große Aufregung. Der berühmte Pokal, den unsere Mannschaft bisher fünf Mal erringen konnte, ist aus dem Tresor eines Luxushotels verschwunden. Gestern erreichte uns diese Nachricht. Können unsere Sicherheitsbehörden nicht einmal einen Fußball-Pokal schützen? Wo ist der Pokal? Die Polizei weiß mal wieder von nichts!‘“

      „Chef“, meldete sich Mineiro, „wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, dann hat die Zeitung einen Hinweis erhalten. Das könnte doch bedeuten, dass sich irgendwer mit einem Schreiben bei der Redaktion gemeldet hat. Es muss keine undichte Stelle bei der Polizei geben, es können auch die Täter gewesen sein.“

      „Das heißt, wir müssen unbedingt mit den Redaktionen der Zeitungen Kontakt aufnehmen, vielleicht ist das eine heiße Spur“, ergänzte Gil.

      In den nächsten Minuten informierten sie ihren Chef über den Stand der Ermittlungen. Sie berichteten auch über den toten Journalisten. Ribao, dessen Gesicht inzwischen wieder eine gesündere Farbe angenommen hatte, dachte einen Augenblick nach. „Überlassen sie die Sache mit dem Journalisten der Polícia Civil in Curitiba. Für das Image unseres Landes hat das Auffinden des Pokals absolute Priorität.“

      Die beiden Ermittler nickten ergeben. Sie waren schon bei der Verabschiedung, als Gil noch eine Frage einfiel: „Wenn wir mit den beiden Zeitungen Kontakt aufnehmen, werden die Journalisten sicher erfahren wollen, ob das mit dem Diebstahl stimmt und was die Polizei bisher unternommen hat. Was können wir dann sagen?“

      Ernesto Ribao legte die Stirn in Falten. „Das ist ein heikler Punkt. Wir können das Thema nicht mehr unter der Decke halten. Der Weltfußballverband muss eine Pressekonferenz machen. Vielleicht können Sie den Journalisten sagen, dass Sie bisher nichts gehört haben, aber den Hinweisen aus der Presse nachgehen. Stellen Sie sich einfach dumm. Das wird Ihnen doch nicht schwer fallen.“ Mit einem Wink waren sie entlassen.

      Im Treppenhaus sagte Mineiro: „Wegen dieses blöden Pokals soll der Mord an einem Journalisten zurückstehen. Das passt mir nicht in den Kram.“

      „Was schlägst du vor?“

      „Die brasilianische Methode: Offiziell werden wir die Anweisung des Chefs befolgen. Doch wir kümmern uns weiter um beide Fälle parallel. Möglicherweise haben sie etwas miteinander zu tun.“

      „Siehst du dafür einen Anhaltspunkt?“

      „Nee, aber ich habe so ein Gefühl.“

      „Apropos Männer und Gefühle. Wie war der Abend beim Libanesen?“

      Mineiro zögerte. „Das Essen war hervorragend. Ganz nach meinem Geschmack. Doch ich saß bei so einem Langweiler von der Stadtverwaltung. Mit dem Typen konnte ich nicht einmal über Fußball sprechen. Der Abend war zäh und ich ziemlich müde.“

      Bevor Gabriella Gil etwas von dem Treffen mit Leon erzählen konnte, begegnete ihnen Santos mit einem Becher Kaffee. „Können wir mal ein bisschen frische Luft schnappen?“

      „Gute Idee“, meinte der Capitão und hielt den beiden seine Schachtel mit den Zigaretten hin.

      Gil musste sich konzentrieren, um der Versuchung zu widerstehen. Sie ging in ihr Büro und schaute im Computer nach den Adressen der Zeitungen, die über das Verschwinden des Pokals berichtet hatten. Sie schaute auf ihr Smartphone. Leider war noch keine Nachricht von Leon eingegangen.

      Um 10 Uhr fand eine Besprechung mit den Mitarbeitern statt. Mineiro informierte über den Stand der Ermittlung und Gil berichtete von der Befragung der Witwe de Limas.

      Lara Komirowski schob eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und meinte: „Ich habe am Freitag endlich die Nummer von Madame Bernoulli erhalten, ihr wisst die Frau des Fußball-Funktionärs, aus dessen Suite der Pokal gestohlen wurde. Ein Kollege aus Brüssel hat mir auf dem kleinen Dienstweg die Nummer des Mobiltelefons dieser Dame beschafft.“

      Santos schnalzte anerkennend mit der Zunge.

      „Heute habe ich die Frau endlich erreicht. Sie ist auf jeden Fall schlecht auf ihren Ehemann zu sprechen. Sie erzählte, dass er sie jahrelang mit irgendwelchen Weibern betrogen habe. Sie scheint mit den beiden Kindern aus dem Haus ausgezogen zu sein und wohnt bei ihren Eltern. Sie überlegt, die Scheidung einzureichen.“

      „Könnte Rache einer betrogenen Ehefrau ein Motiv für den Diebstahl sein“, warf Mineiro ein.

      „Möglich wäre es schon“, meinte Komirowski vorsichtig. „Wie sollte sie jedoch hierher nach Brasilien kommen? Oder könnte sie jemanden beauftragt haben?“

      „Das klingt eher unwahrscheinlich. Aber es bestätigt unsere Infos aus dem Hotel, dass Bernoulli ein ganz schöner Hengst ist. Wir müssen unbedingt herausfinden, wer diese rothaarige Frau ist.“

      Die Blicke richteten sich auf den Capitão. Mineiro schwieg und man sah, wie er seine Gedanken sammelte. „Wir müssen auf jeden Fall den Hinweisen in den Medien nachgehen. Ich bitte dich, Gabriella setze dich mit dem Staatsanwalt in Verbindung, damit wir die Schreiben bei den Zeitungen und bei den Fernsehkanälen bekommen. Santos soll sich mal bei seinen Kontaktleuten bei der Polizei und außerhalb umhören. Jemand muss doch den Diebstahl bemerkt haben. Ich werde mit Komirowski nochmals ins Hotel gehen und diesen Bernoulli ins Gebet nehmen. Sanft aber bestimmt. Bald beginnt die Weltmeisterschaft. Es wäre eine Schande, wenn wir den Pokal bis dahin nicht gefunden hätten.“

      Kapitel 15

      Montag, 9. Juni, vormittags, deutsches Quartier

      Forte lief den Weg von seinem Appartement zu dem Frühstücksraum. Er knöpfte sein Hemd zu. Es war kurz nach 10 Uhr. Er hatte verschlafen. Das passierte ihm sonst nie. Bevor er den großen Frühstücksraum betrat, zog er schnell den Reißverschluss seiner Jeans hoch. Nur noch wenige Personen saßen


Скачать книгу