Stolz und Vorurteil & Emma. Jane Austen

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Stolz und Vorurteil & Emma - Jane Austen


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aber sogar ihr war es unmöglich, Carolines Unhöflichkeit zu übersehen. Nachdem sie vierzehn Tage lang jeden Morgen in Erwartung ihrer Freundin zu Hause geblieben war und jeden Abend neue Entschuldigungen für ihr Ausbleiben erfunden hatte, kam endlich der langersehnte Besuch. Aber der Besuch war sehr kurz, und mehr noch, Caroline war auffallend kühl, und so hatte Jane keine Möglichkeit, sich noch länger selbst zu täuschen. Der Brief, den sie aus diesem Anlass an Elisabeth schrieb, brachte das deutlich zum Ausdruck.

      »Meine liebe Lizzy wird bestimmt nicht triumphieren, wenn sie erfährt, dass ich mich in meinem Glauben an Carolines Freundschaft schrecklich getäuscht habe. Aber halte mich nicht für eigensinnig, liebe Schwester, wenn ich immer noch daran festhalte, dass ich, ihrem Benehmen nach zu schließen, ebenso viel Grund zum Vertrauen hatte wie du zu deinem Misstrauen. Ich weiß zwar gar nicht, warum sie meine Freundschaft gesucht hat, aber ich weiß, dass ich mich unter denselben Umständen wieder täuschen lassen würde. Caroline erwiderte meinen Besuch erst gestern und bis dahin — kein Wort, keine Zeile! Und als sie dann kam, war es offenbar, dass sie es ungern tat. Sie entschuldigte sich mit irgendeiner nichtssagenden Floskel, nicht früher gekommen zu sein, ließ nicht ein Wort darüber fallen, ob sie mich wiedersehen wollte, und war überhaupt so von Grund aus verändert, dass ich nach ihrem Weggang den festen Entschluss fasste, die Freundschaft mit ihr nicht weiter fortzusetzen. Schade, aber ich kann sie nicht von jeder Schuld freisprechen. Es war unrecht von ihr, mich zuerst so mit Aufmerksamkeiten zu überschütten und auszuzeichnen, denn ich kann ganz bestimmt versichern, dass die ersten Schritte zu unserer näheren Bekanntschaft von ihr gemacht wurden. Aber sie tut mir auch wieder leid, denn sie muss es selbst fühlen, dass sie nicht richtig gehandelt hat, und ich bin überzeugt, dass sie alles nur aus Sorge um ihren Bruder getan hat. Ich brauche ja nicht deutlicher über diesen Punkt zu schreiben. Wir wissen ja, dass ihre Besorgnis unbegründet ist, doch wenn sie sie nun einmal hat, dann erklärt das ja leicht ihr Betragen gegen mich. Und bei der Liebe, die sie mit Recht für ihren Bruder empfindet, kann man ihre Besorgnis eigentlich nur natürlich finden. Aber es wundert mich, dass sie immer noch so besorgt erscheint; denn wenn er mich wirklich gern hätte, wären wir schon lange, lange zusammengekommen. Er weiß ja nun, dass ich hier bin. Caroline erwähnte so etwas, aber trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass sie versucht, sich einzureden, ihr Bruder habe eine Neigung für Miss Darcy. Ich verstehe das alles nicht. Scheute ich mich nicht davor, ungerecht zu erscheinen, so würde ich sagen, dass diese ganze Angelegenheit sehr stark nach Unaufrichtigkeit aussieht. Aber ich will versuchen, jeden schmerzlichen Gedanken von mir zu weisen und nur an das zu denken, was mich froh und glücklich macht, an deine Liebe und an die unveränderte Herzlichkeit meiner lieben Tante und meines Onkels. Schreib mir bald wieder einmal. Caroline sagte übrigens etwas davon, dass er nie wieder nach Netherfield zurückkehren werde und dass er das Haus aufgeben wolle, aber sie wusste nichts Gewisses darüber. Vielleicht ist es besser, noch nichts davon zu erwähnen. — Es freute mich sehr, so gute Nachrichten von unseren Freunden in Hunsford zu erhalten. Es wäre doch sehr nett, wenn du sie mit Sir William und Maria besuchtest. Deine dich liebende Schwester Jane.«

      Der Brief stimmte Elisabeth traurig; aber wenigstens hatte sie nun die Gewissheit, dass ihre Schwester sich jetzt nicht mehr länger durch Caroline täuschen lassen werde. Was Mr. Bingley betraf, so mussten nunmehr alle Hoffnungen begraben werden. Jane selbst würde nicht einmal wünschen können, die Beziehungen wieder aufzunehmen, nachdem jetzt sein Charakter auch in ihren Augen so gelitten hatte. Elisabeth hatte nur das einzige Verlangen, er möchte als gerechte Strafe diese Miss Darcy wirklich heiraten, da sie auf Grund von Wickhams Bericht der festen Überzeugung war, dass diese junge Dame ihm oft Anlass geben werde zu bereuen, was er sich verscherzt hatte.

      Mrs. Gardiner erinnerte Elisabeth gelegentlich an das Versprechen, das sie ihr gegeben hatte, und bat um einen Bericht. Und Elisabeth schrieb einen Brief, der ihrer Tante mehr Freude bereitete als ihr selbst. Wickhams vermeintliche Zuneigung hatte sich inzwischen abgekühlt, seine Aufmerksamkeiten gehörten der Vergangenheit an; eine andere erregte jetzt seine Bewunderung. Elisabeth war offen genug gegen sich selbst, um sich diese Tatsache einzugestehen, und sie konnte darüber schreiben, ohne ernstlichen Kummer dabei zu verspüren. Ihr Herz hatte an ihren Gefühlen kaum Teil gehabt, und ihre Eitelkeit beruhigte sich bei dem Gedanken, dass sie bestimmt seine Wahl gewesen wäre, wenn seine Vermögenslage das zugelassen hätte. Eine unerwartete Erbschaft von zehntausend Pfund stellte den Hauptreiz der jungen Dame dar, der jetzt seine Ritterdienste galten. Aber Elisabeth erlaubte es sich, in diesem Fall weniger kritisch zu sein als ihrer Freundin Charlotte gegenüber, und sie trug es in ihrem Inneren Wickham nicht nach, dass er seinerseits den Wunsch nach Unabhängigkeit verspürte. Im Gegenteil, das war doch die natürlichste Sache von der Welt, und solange sie glauben konnte, dass es ihm nicht leicht gefallen war, sie aufzugeben, ließ sie seine Handlungsweise als höchst vernünftig gelten und konnte ihm in aller Aufrichtigkeit Glück wünschen.

      Alles dieses wurde Mrs. Gardiner mitgeteilt; und der Brief schloss folgendermaßen: »Ich weiß jetzt genau, meine liebste Tante, dass ich nicht sehr verliebt gewesen sein kann. Denn hätte wirklich jenes erhebende und reine Gefühl von mir Besitz genommen, dann würde ich heute seinen Namen verabscheuen und ihm alles erdenkliche Schlechte wünschen. Aber so wie es ist, fühle ich mich immer noch gut Freund mit ihm und habe sogar nichts gegen Miss King. Ich könnte sie nicht hassen, selbst wenn ich es versuchte; ich bin im Gegenteil überzeugt, dass sie ein sehr nettes junges Mädchen ist. Liebe kann es also bei mir nicht gewesen sein. Gewiss, es wäre allen meinen Freunden sehr viel lieber, wenn ich ihn ›wahnsinnig‹ geliebt hätte, aber ich kann nicht behaupten, dass ich meinen gegenwärtigen gleichmütigen Zustand bedaure. Der Preis für Mitleid kann sehr hoch sein. Kitty und Lydia nehmen sich seine Wankelmütigkeit viel mehr zu Herzen als ich. Sie sind beide noch zu jung, um die demütigende Erfahrung gemacht zu haben, dass auch die stattlichsten jungen Männer, ebenso wie die weniger stattlichen, von irgend etwas leben müssen.«

      Siebenundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Ohne dass sich etwas Neues in Longbourn zugetragen hätte und ohne andere Abwechslung als gelegentliche, manchmal regnerische, immer aber kalte Spaziergänge nach Meryton vergingen der Januar und der Februar.

      Im März wollte Elisabeth nach Hunsford fahren. Zuerst hatte sie gar nicht ernstlich daran gedacht, die Reise zu machen; aber sie merkte bald, dass Charlotte viel daran gelegen war, und je näher der vorgesehene Termin rückte, umso mehr freute sie sich bei dem Gedanken, die Freundin wiederzusehen. Die lange Trennung ließ sie sowohl Charlottes Handlungsweise wie auch Mr. Collins’ Person in einem freundlicheren Licht sehen. Außerdem war eine solche Reise einmal etwas anderes. Das ständige Zusammensein mit ihrer Mutter und ihren Schwestern, zu denen sie mit Ausnahme von Jane nie ein rechtes Verhältnis gefunden hatte, war wirklich kein ganz ungetrübtes Vergnügen, und die kleine Abwechslung war ihr wahrhaftig zu gönnen. Vor allem würde sie auf der Durchfahrt in London Jane wiedersehen — kurz, als es so weit war, hätte es ihr leid getan, wenn irgendeine Verzögerung eingetreten wäre. Aber es gab keine Verzögerung, und Charlottes Plan wickelte sich wie vorgesehen reibungslos ab.

      Der einzige bittere Tropfen war die Trennung von ihrem Vater. Mr. Bennet, der sie immer sehr vermissen würde, bat sie, ihm doch hin und wieder zu schreiben, und versprach fest, ihre Briefe zu beantworten.

      Elisabeth und Wickham verabschiedeten sich voneinander mit größter Freundlichkeit. Gewiss ging er gegenwärtig andere Wege; aber das konnte nicht verhindern, dass er an Elisabeth immer noch als an die erste dachte, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte und ihrer auch würdig gewesen war, dass sie als erste Anteil an ihm genommen hatte und als erste mit seiner Bewunderung ausgezeichnet wurde. In der Art, wie er ihr »Auf Wiedersehen« sagte, ihr Lady Catherine nochmals schilderte und die Hoffnung aussprach, dass ihre Ansicht über diese Dame — wie überhaupt über alle Menschen und Dinge — stets mit der seinen übereinstimmen möchte, in allem lag ein liebevolles Besorgtsein, das ihm für immer in ihrem Herzen eine aufrichtige Freundschaft zusicherte. Sie schied von ihm mit der Gewissheit, dass er, ob verheiratet oder nicht, für sie stets das Muster eines lieben und sympathischen Menschen bleiben würde.

      Ihre Reisegefährten


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