Die Träume von Macht. Eckhard Lange

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Die Träume von Macht - Eckhard Lange


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wußte nicht, warum sie es tat, aber sie spürte, daß es nötig sei. Nicht nur wegen des Wetters.

      Als sie vor der Wacholderhecke ankam, war niemand zu sehen. Sie wanderte ein wenig auf und ab, hörte den Uhrschlag, blieb unschlüssig stehen. Sie wußte nicht viel von Thessi, nur das, was so erzählt wurde - und das, was der Vater manchmal beleidigt und ärgerlich von sich gab. Aber sie kannte seine Hände, die so sanft und doch eindeutig ihre Brüste umschlossen, sie abtasteten, liebkosten. Sie kannte seinen Mund - die warmen Lippen, diese sich windende Zunge, die ihre Mundhöhle in ein Liebesnest verwandeln konnte. War das nicht viel mehr, als alle anderen von ihm wußten? Oder gab es Mädchen, Frauen, die schon gleiches erlebt hatten? Warum kommt er nicht, warum läßt er mich warten? Sie lief zur Wegbiegung, schaute den Pfad entlang, lief wieder zurück, in die andere Richtung, hielt auch dort Ausschau. Dann stand sie vor der Stelle, wo der geheime Zugang sein mußte. Sie zwängte sich hindurch. Und da war er, stand lässig an die Buche gelehnt in seinen ausgewaschenen Jeans, stand da mit bloßem Oberkörper, vor dem er seine gebräunten Arme übereinandergelegt hatte. "Hallo," sagte er nur. Und sie lief auf ihn zu, um ihren Mund auf seinen zu drücken.

      "Komm, ich will dir etwas zeigen!" Thessi griff nach ihrer Hand, und sie folgte ihm in das Gehölz und dann in den Schilfgürtel, sprang ihm nach über die Trittsteine, bis sie an das Ufer kamen. "Laß uns schwimmen," sagte er, und ohne ihre Antwort abzuwarten, schüttelte er seine Sandalen von den nackten Füßen, zog seine Hose aus und streifte dann auch den knappen Slip hinunter, den er darunter getragen hatte. Er wandte sich ihr zu. Sie stand da, erschrocken, erregt, ängstlich, und starrte ihn an, blickte auf seinen nackten Körper, und ihre Augen, die sie doch eigentlich verschließen müßte bei diesem Anblick, blieben an seinem Glied hängen, das groß, aber schlaff herabhing.

      "Komm," sagte er sanft, aber bestimmend. Da öffnete sie den Rock, daß er zu Boden fiel, streifte sich das Top über Schulter und Kopf. Doch den Slip behielt sie an. Er lächelte. "Er wird naº sein, nachher. Oder wir müssen bleiben, bis er wieder trocken ist." Sie sagte nichts, kam nur zögernd näher. "Okay, wenn du meinst." Er reichte ihr die Hand, half ihr durch das Schilf und watete hinaus ins offene Wasser. Erst langsam fiel der Boden ab, bis es tief genug war. um sich in den Fluß zu werfen. Sie schwammen eine Strecke nebeneinander gegen den Strom, drehten dann, ließen sich treiben. Perry wurde übermütig, spritzte und strampelte, Thessy spritzte zurück, sie lachten, er packte sie unter Wasser und fuhr mit der Hand über ihre Brust, sie griff in seine Haare, sie rangen miteinander, tauchten unter, kamen wieder an die Oberfläche, sie floh schwimmend, er holte sie ein, zog sie wie ein Rettungsschwimmer, auf dem Rücken liegend, die Arme unter den ihren hindurchgezogen und vor ihren Brüsten gekreuzt. So glitten sie dahin, und Perry genoß es, auf ihm zu liegen, spürte sein Glied, das sich gegen ihr Gesäß drückte.

      Er trug sie durch den Morast des Ufers. Sie sah das Boot, das dort immer noch lag, grau und verwittert, und sie sah auch, daß auf seinem Boden eine Wolldecke lag, weich und trocken. Und eben dort legte er sie ab, strich ihr die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und kniete sich über sie. Sie sah ihn an mit ihren großen, graugrünen Augen, in denen sich Angst und Begehren mischten. Er beugte sich herab und küßte ihre Brüste, intensiv und ausdauernd, und sie erschauderte. Dann glitten seine Lippen ihren Körper hinab, bis der Slip ihnen Einhalt gebot. Thessi griff danach und zog ihn mit festem Ruck bis auf die Oberschenkel. “Bitte, nicht“ flüsterte sie, aber sie öffnete ihre Beine, damit sein Gesicht tiefer gleiten konnte, und sie seufzte auf, als seine Zunge in sie eindrang. Nach einer Weile richtete er sich auf, zog sich höher, seine Arme preßten sich um ihren Körper, und dann fühlte sie, daß etwas anderes in sie eindrang, fest und bedrohlich.

      “Bitte nicht,“ sagte sie noch einmal, aber da war schon dieser Schmerz, der etwas in ihr zerriß, und dann war dieses Gefühl, das ihr den Atem nahm, dieser unbeschreiblich schöne Schmerz, der alle Sinne umfing, mit jeder Bewegung, die Thessi machte, zurückkam, stärker wurde. Perry wollte sich wehren, wollte den Mann, der da auf ihr lag, zurückschieben, sich des Eingedrungenen entledigen, aber sie wollte auch das andere, diese Lust, die von ihm ausging, die ihr die Sinne raubte, die von Sekunde zu Sekunde stärker wurde, größer, schöner, bis sie aufschrie, weil alles in ihr schrie: Ja, es ist schön! Sie merkte nicht, daß auch Thessi stöhnte, daß sein Atem flog, daß sich seine Hände in ihren Körper krallten. Und dann spürte sie diese feuchte Wärme, die sich in sie ergoß. Sie wollte das nicht, weil es nicht sein durfte, weil es gefährlich war und verboten, aber sie stöhnte nur: ?Mach weiter, bitte.? Und dann war alles vorbei, sie waren erschöpft, beide, er lag auf ihr, schwer und gewaltig, ihr Herr, ihr Gebieter, der Mächtige, der sie bezwungen. Sie spürte es, aber sie war nicht fähig, es auch zu denken.

      Auch Thessy fühlte, daß etwas einmaliges geschehen war, auch für ihn war dieses Erlebnis neu. Aber er war an ein Ziel gekommen. Er hatte eine Erfahrung gemacht. Nach einer Weile entzog er sich ihrer Vagina, sah das Blut, das geflossen war, und er wußte, hier hat jemand seinen Preis gezahlt, damit ich meine Macht genießen konnte. Da streichelte er ihre Haare, ihre Wangen, und ganz zart noch einmal ihre Brüste. Und sie lag da, mit geschlossenen Augen, aus denen Tränen rannen. Tränen der Freude und Tränen der Scham.

      Sie trafen sich noch öfter in diesen Sommertagen dort im Park, und sie liebten sich noch mehrfach. Aber es war nie wieder so wie an jenem ersten Tag. Als die großen Ferien begannen, fuhr Perry mit ihrem Vater in den Urlaub, und irgendwie war Thessi froh darüber, obwohl er ihren Körper manchmal vermißte. Nach den Ferien vermied er es, ihr auf dem Schulhof zu begegnen, und er vermied es auch, in den Park zu gehen. Aber auch Perry war anders geworden. Sie sah blaß und abgemagert aus, und oft fehlte sie, weil sie sich unwohl fühlte. Und irgendwann, als sie plötzlich auf die engen Jeans verzichtete und weite Hosen oder auch Röcke trug, hieß es, sie sei von der Schule abgegangen, und ihr Vater kam mit versteinerter Miene in den Unterricht.

      Nach den Weihnachtsferien wurden seine Fächer auf andere Lehrkräfte verteilt. Und zwei Wochen später teilte der Schulleiter mit, der verdiente Kollege sei plötzlich und unerwartet aus dem Leben geschieden. Es gab die üblichen Nachrufe, auch einen kurzen Artikel in der Lokalzeitung, aber niemand sagte etwas über die Todesursache. Der Arzt, der den Totenschein ausstellte, hielt sich an seine Schweigepflicht. Was sollte er noch die Polizei einschalten, es würde zu nichts führen, und es gab ja auch niemand, der an diesem Tod Schuld trug, außer dem Toten selbst. Und es wäre wohl auch gut, der Tochter die Wahrheit zu ersparen, gerade in ihrem derzeitigen Zustand. Sie hat es schwer genug, mit Tod und Leben fertig zu werden. So erfuhr Thessi nichts davon, daß er den Kampf gegen den verhaßten Gegner gewonnen hatte, daß er die Schuld trug an beidem - dem Tod und dem neuen Leben, weil dieses neue Leben Ursache war für den Tod. Aber er konnte so die Schuld auch nicht als Beweis für seine Macht verbuchen. Und das hätte er sicher getan.

      Als das Kind geboren wurde, Thessis erster Sohn, da hatte er sein Reifezeugnis bereits in der Tasche und die Stadt verlassen. Also erfuhr er auch davon nichts. Jedenfalls damals noch nicht. Perry hatte sich standhaft geweigert, einen Vater zu benennen - dem eigenen Vater gegenüber, aber auch später vor der Dame vom Jugenddienst. Es blieb ihr Geheimnis. Und ihr Opfer für einen, der es sich durch nichts verdient hatte.

      Die Einladung

      Nie hatte Thessi die Mutter nach seinem Vater gefragt, sieht man einmal von den ersten Kindheitsjahren ab. Und nie hat sie von sich aus über diesen Mann gesprochen. Es war wie ein geheimes Einverständnis, das beide schweigen ließ. Außerdem: Was hätte die Frau ihrem Sohn schon erzählen können, sieht man von dem reinen Erlebnis dieser einzigen Liebesnacht einmal ab. So lebte sie ihr einsames Witwendasein, in sich gekehrt und enttäuscht vom Leben, das jene Nacht ihr für immer geraubt hatte.

      Sie wußte wenig von dem, was ihr Sohn in all den Jahren seines Heranwachsens trieb, und noch weniger wußte sie davon, was er dachte und träumte. Seitdem sie nicht mehr von den Schulen einbestellt wurde, um wegen mangelhafter Leistungen ihres Sohnes belehrt und ermahnt zu werden, war auch seine Ausbildung für sie keine Angelegenheit mütterlicher Pflichten mehr, zumal sie immer weniger von all dem verstand, was die Lehrpläne den Schülern abverlangten. So begnügte sie sich, solange es erforderlich war, seine Zeugnisse gegenzuzeichnen.

      Doch nun hatte er die letzte Klasse - und wie sie mit Erstaunen


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