Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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Schwester, die im Zimmer geblieben. Noch ist es mir unerklärlich, wie

       meine Mutter darauf verfiel, mich aufzufordern, der Fürstin von den schönen herrlichen Dingen meines Geburtsortes zu erzählen,

       und ich, wie von einer höheren Macht inspiriert, ihr die schönen Bilder des fremden unbekannten Malers so lebendig, als habe ich

       sie im tiefsten Geiste aufgefaßt, beschreiben konnte. Dabei ging ich ganz ein in die herrlichen Geschichten der Heiligen, als sei

       ich mit allen Schriften der Kirche schon bekannt und vertraut geworden. Die Fürstin, selbst meine Mutter, blickten mich voll

       Erstaunen an, aber je mehr ich sprach, desto höher stieg meine Begeisterung, und als mich endlich die Fürstin frug: »Sage mir,

       liebes Kind, woher weißt du denn das alles?« – da antwortete ich, ohne mich einen Augenblick zu besinnen, daß der schöne

       wunderbare Knabe, den einst ein fremder Pilgersmann mitgebracht hätte, mir alle Bilder in der Kirche erklärt, ja selbst noch

       manches Bild mit bunten Steinen gemalt und mir nicht allein den Sinn davon gelöset, sondern auch viele andere heilige

       Geschichten erzählt hätte. –

       Man läutete zur Vesper, die Schwester hatte eine Menge Zuckerwerk in eine Tüte gepackt, die sie mir gab und die ich voller

       Vergnügen einsteckte. Die Äbtissin stand auf und sagte zu meiner Mutter: »Ich sehe Euern Sohn als meinen Zögling an, liebe

       Frau, und will von nun an für ihn sorgen.« Meine Mutter konnte vor Wehmut nicht sprechen, sie küßte, heiße Tränen vergießend,

       die Hände der Fürstin. Schon wollten wir zur Tür hinaustreten, als die Fürstin uns nachkam, mich nochmals aufhob, sorgfältig das

       Kreuz beiseite schiebend, mich an sich drückte und heftig weinend, so daß die heißen Tropfen auf meine Stirne fielen, ausrief:

       »Franziskus! – Bleibe fromm und gut!« – Ich war im Innersten bewegt und mußte auch weinen, ohne eigentlich zu wissen warum.

       –

       Durch die Unterstützung der Äbtissin gewann der kleine Haushalt meiner Mutter, die unfern dem Kloster in einer kleinen Meierei

       wohnte, bald ein besseres Ansehen. Die Not hatte ein Ende, ich ging besser gekleidet und genoß den Unterricht des Pfarrers,

       dem ich zugleich, wenn er in der Klosterkirche das Amt hielt, als Chorknabe diente. –

       Wie umfängt mich noch wie ein seliger Traum die Erinnerung an jene glückliche Jugendzeit! – Ach, wie ein fernes heiliges Land,

       wo die Freude wohnt und die ungetrübte Heiterkeit des kindlichen unbefangenen Sinnes, liegt die Heimat weit, weit hinter mir,

       aber wenn ich zurückblicke, da gähnt mir die Kluft entgegen, die mich auf ewig von ihr geschieden. Von heißer Sehnsucht

       ergriffen, trachte ich immer mehr und mehr, die Geliebten zu erkennen, die ich drüben, wie im Purpurschimmer des Frührots

       wandelnd, erblicke, ich wähne ihre holden Stimmen zu vernehmen. Ach! – gibt es denn eine Kluft, über die die Liebe mit starkem

       Fittich sich nicht hinwegschwingen könnte? Was ist für die Liebe der Raum, die Zeit! – Lebt sie nicht im Gedanken, und kennt der

       denn ein Maß? – Aber finstre Gestalten steigen auf, und immer dichter und dichter sich zusammendrängend, immer enger und

       enger mich einschließend, versperren sie die Aussicht und befangen meinen Sinn mit den Drangsalen der Gegenwart, daß selbst

       die Sehnsucht, welche mich mit namenlosem wonnevollem Schmerz erfüllte, nun zu tötender heilloser Qual wird! –

       Der Pfarrer war die Güte selbst, er wußte meinen lebhaften Geist zu fesseln, er wußte seinen Unterricht so nach meiner Sinnesart

       zu formen, daß ich Freude daran fand und schnelle Fortschritte machte. – Meine Mutter liebte ich über alles, aber die Fürstin

       verehrte ich wie eine Heilige, und es war ein feierlicher Tag für mich, wenn ich sie sehen durfte. Jedesmal nahm ich mir vor, mit

       den neuerworbenen Kenntnissen recht vor ihr zu leuchten, aber wenn sie kam, wenn sie freundlich mich anredete, da konnte ich

       kaum ein Wort herausbringen, ich mochte nur sie anschauen, nur sie hören. Jedes ihrer Worte blieb tief in meiner Seele zurück,

       noch den ganzen Tag über, wenn ich sie gesprochen, befand ich mich in wunderbarer feierlicher Stimmung, und ihre Gestalt

       begleitete mich auf den Spaziergängen, die ich dann besuchte. – Welches namenlose Gefühl durchbebte mich, wenn ich, das

       Rauchfaß schwingend, am Hochaltare stand, und nun die Töne der Orgel von dem Chore herabströmten und, wie zur brausenden

       Flut anschwellend, mich fortrissen – wenn ich dann in dem Hymnus ihre Stimme erkannte, die wie ein leuchtender Strahl zu mir

       herabdrang und mein Inneres mit den Ahnungen des Höchsten – des Heiligsten erfüllte. Aber der herrlichste Tag, auf den ich mich

       wochenlang freute, ja, an den ich niemals ohne inneres Entzücken denken konnte, war das Fest des heiligen Bernardus, welches,

       da er der Heilige der Zisterzienser ist, im Kloster durch einen großen Ablaß auf das feierlichste begangen wurde. Schon den Tag

       vorher strömten aus der benachbarten Stadt sowie aus der ganzen umliegenden Gegend eine Menge Menschen herbei und

       lagerten sich auf der großen blumichten Wiese, die sich an das Kloster schloß, so daß das frohe Getümmel Tag und Nacht nicht

       aufhörte. Ich erinnere mich nicht, daß die Witterung in der günstigen Jahreszeit (der Bernardustag fällt in den August) dem Feste

       jemals ungünstig gewesen sein sollte. In bunter Mischung sah man hier andächtige Pilger, Hymnen singend, daherwandeln, dort

       Bauerbursche sich mit den geputzten Dirnen jubelnd umhertummeln – Geistliche, die in frommer Betrachtung, die Hände

       andächtig gefaltet, in die Wolken schauen – Bürgerfamilien im Grase gelagert, die die hochgefüllten Speisekörbe auspacken und

       ihr Mahl verzehren. Lustiger Gesang, fromme Lieder, die inbrünstigen Seufzer der Büßenden, das Gelächter der Fröhlichen,

       Klagen, Jauchzen, Jubel, Scherze, Gebet erfüllen wie in wunderbarem, betäubendem Konzert die Lüfte! – Aber sowie die Glocke

       des Klosters anschlägt, verhallt das Getöse plötzlich – soweit das Auge nur reicht, ist alles, in dichte Reihen gedrängt, auf die

       Knie gesunken, und nur das dumpfe Murmeln des Gebets unterbricht die heilige Stille. Der letzte Schlag der Glocke tönt aus, die

       bunte Menge strömt wieder durcheinander, und aufs neue erschallt der minutenlang unterbrochene Jubel. – Der Bischof selbst,

       welcher in der benachbarten Stadt residiert, hielt an dem Bernardustage in der Kirche des Klosters, bedient von der untern

       Geistlichkeit des Hochstifts, das feierliche Hochamt, und seine Kapelle führte auf einer Tribüne, die man zur Seite des Hochaltars

       errichtet und mit reicher, seltener Hautelisse behängt hatte, die Musik aus. – Noch jetzt sind die Empfindungen, die damals meine

       Brust durchbebten, nicht erstorben, sie leben auf in jugendlicher Frische, wenn ich mein Gemüt ganz zuwende jener seligen Zeit,

       die nur zu schnell verschwunden. Ich gedenke lebhaft eines Gloria, welches mehrmals ausgeführt wurde, da die Fürstin eben

       diese Komposition vor allen andern liebte. – Wenn der Bischof das Gloria intoniert hatte und nun die mächtigen Töne des Chors

       daher brausten: Gloria in excelsis deo! – war es nicht, als öffne sich die Wolkenglorie über dem Hochaltar? – ja, als erglühten

       durch ein göttliches Wunder die gemalten Cherubim


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