Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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bin ich der Meinung, daß, der darüber sprechenden

       Dokumente unerachtet, wohl wenige dieser Dinge das sein dürften, wofür man sie ausgibt. Allein es scheint mir auch gar nicht

       darauf anzukommen. Merke wohl auf, lieber Bruder Medardus, wie ich und unser Prior darüber denken, und du wirst unsere

       Religion in neuer Glorie erblicken. Ist es nicht herrlich, lieber Bruder Medardus, daß unsere Kirche darnach trachtet, jene

       geheimnisvollen Fäden zu erfassen, die das Sinnliche mit dem Übersinnlichen verknüpfen, ja unseren zum irdischen Leben und

       Sein gediehenen Organism so anzuregen, daß sein Ursprung aus dem höhern geistigen Prinzip, ja seine innige Verwandtschaft

       mit dem wunderbaren Wesen, dessen Kraft wie ein glühender Hauch die ganze Natur durchdringt, klar hervortritt und uns die

       Ahndung eines höheren Lebens, dessen Keim wir in uns tragen, wie mit Seraphsfittichen umweht. – Was ist jenes Stückchen

       Holz – jenes Knöchlein, jenes Läppchen – man sagt, aus dem Kreuz Christi sei es gehauen, dem Körper – dem Gewande eines

       Heiligen entnommen; aber den Gläubigen, der, ohne zu grübeln, sein ganzes Gemüt darauf richtet, erfüllt bald jene überirdische

       Begeisterung, die ihm das Reich der Seligkeit erschließt, das er hienieden nur geahnet; und so wird der geistige Einfluß des

       Heiligen, dessen auch nur angebliche Reliquie den Impuls gab, erweckt, und der Mensch vermag Stärke und Kraft im Glauben

       von dem höheren Geiste zu empfangen, den er im Innersten des Gemüts um Trost und Beistand anrief. Ja, diese in ihm erweckte

       höhere geistige Kraft wird selbst Leiden des Körpers zu überwinden vermögen, und daher kommt es, daß diese Reliquien jene

       Mirakel bewirken, die, da sie so oft vor den Augen des versammelten Volks geschehen, wohl nicht geleugnet werden können.« –

       Ich erinnerte mich augenblicklich gewisser Andeutungen des Priors, die ganz mit den Worten des Bruders Cyrillus überein

       stimmten, und betrachtete nun die Reliquien, die mir sonst nur als religiöse Spielerei erschienen, mit wahrer innerer Ehrfurcht und

       Andacht. Dem Bruder Cyrillus entging diese Wirkung seiner Rede nicht, und er fuhr nun fort, mit größerem Eifer und mit recht zum

       Gemüte sprechender Innigkeit mir die Sammlung Stück vor Stück zu erklären. Endlich nahm er aus einem wohlverschlossenen

       Schranke ein Kistchen heraus und sagte: »Hierinnen, lieber Bruder Medardus, ist die geheimnisvollste, wunderbarste Reliquie

       enthalten, die unser Kloster besitzt. Solange ich im Kloster bin, hat dieses Kistchen niemand in der Hand gehabt als der Prior und

       ich; selbst die andern Brüder, viel weniger Fremde, wissen etwas von dem Dasein dieser Reliquie. Ich kann die Kiste nicht ohne

       inneren Schauer anrühren, es ist, als sei darin ein böser Zauber verschlossen, der, gelänge es ihm, den Bann, der ihn umschließt

       und wirkungslos macht, zu zersprengen, Verderben und heillosen Untergang jedem bereiten könnte, den er ereilt. – Das, was

       darinnen enthalten, stammt unmittelbar von dem Widersacher her, aus jener Zeit, als er noch sichtlich gegen das Heil der

       Menschen zu kämpfen vermochte.« – Ich sah den Bruder Cyrillus im höchsten Erstaunen an; ohne mir Zeit zu lassen, etwas zu

       erwidern, fuhr er fort: »Ich will mich, lieber Bruder Medardus, gänzlich enthalten, in dieser höchst mystischen Sache nur irgend

       eine Meinung zu äußern oder wohl gar diese – jene – Hypothese aufzutischen, die mir durch den Kopf gefahren, sondern lieber

       getreulich dir das erzählen, was die über jene Reliquie vorhandenen Dokumente davon sagen. – Du findest diese Dokumente in

       jenem Schrank und kannst sie selbst nachlesen. – Dir ist das Leben des heiligen Antonius zur G'nüge bekannt, du weißt, daß er,

       um sich von allem Irdischen zu entfernen, um seine Seele ganz dem Göttlichen zuzuwenden, in die Wüste zog und da sein Leben

       den strengsten Buß- und Andachtsübungen weihte. Der Widersacher verfolgte ihn und trat ihm oft sichtlich in den Weg, um ihn in

       seinen frommen Betrachtungen zu stören. So kam es denn, daß der heilige Antonius einmal in der Abenddämmerung eine

       finstere Gestalt wahrnahm, die auf ihn zuschritt. In der Nähe erblickte er zu seinem Erstaunen, daß aus den Löchern des

       zerrissenen Mantels, den die Gestalt trug, Flaschenhälse hervorguckten. Es war der Widersacher, der in diesem seltsamen

       Aufzuge ihn höhnisch anlächelte und frug, ob er nicht von den Elixieren, die er in den Flaschen bei sich trüge, zu kosten begehre.

       Der heilige Antonius, den diese Zumutung nicht einmal verdrießen konnte, weil der Widersacher, ohnmächtig und kraftlos

       geworden, nicht mehr imstande war, sich auf irgend einen Kampf einzulassen und sich daher auf höhnende Reden beschränken

       mußte, frug ihn, warum er denn so viele Flaschen und auf solche besondere Weise bei sich trüge. Da antwortete der

       Widersacher: ›Siehe, wenn mir ein Mensch begegnet, so schaut er mich verwundert an und kann es nicht lassen, nach meinen

       Getränken zu fragen und zu kosten aus Lüsternheit. Unter so vielen Elixieren findet er ja wohl eins, was ihm recht mundet, und er

       säuft die ganze Flasche aus und wird trunken und ergibt sich mir und meinem Reiche.‹ – So weit steht das in allen Legenden;

       nach dem besonderen Dokument, das wir über diese Vision des heiligen Antonius besitzen, heißt es aber weiter, daß der

       Widersacher, als er sich von dannen hub, einige seiner Flaschen auf einen Rasen stehen ließ, die der heilige Antonius schnell in

       seine Höhle mitnahm und verbarg, aus Furcht, selbst in der Einöde könnte ein Verirrter, ja wohl gar einer seiner Schüler von dem

       entsetzlichen Getränke kosten und ins ewige Verderben geraten. – Zufällig, erzählt das Dokument weiter, habe der heilige

       Antonius einmal eine dieser Flaschen geöffnet, da sei ein seltsamer betäubender Dampf herausgefahren und allerlei scheußliche

       sinneverwirrende Bilder der Hölle hätten den Heiligen umschwebt, ja ihn mit verführerischen Gaukeleien zu verlocken gesucht, bis

       er sie durch strenges Fasten und anhaltendes Gebet wieder vertrieben. – In diesem Kistchen befindet sich nun aus dem Nachlaß

       des heiligen Antonius eben eine solche Flasche mit einem Teufelselixier, und die Dokumente sind so authentisch und genau, daß

       wenigstens daran, daß die Flasche wirklich nach dem Tode des heiligen Antonius unter seinen nachgebliebenen Sachen

       gefunden wurde, kaum zu zweifeln ist. Übrigens kann ich versichern, lieber Bruder Medardus, daß, so oft ich die Flasche, ja nur

       dieses Kistchen, worin sie verschlossen, berühre, mich ein unerklärliches inneres Grauen anwandelt, ja daß ich wähne, etwas von

       einem ganz seltsamen Duft zu spüren, der mich betäubt und zugleich eine innere Unruhe des Geistes hervorbringt, die mich

       selbst bei den Andachtsübungen zerstreut. Indessen überwinde ich diese böse Stimmung, welche offenbar von dem Einfluß

       irgend einer feindlichen Macht herrührt, sollte ich auch an die unmittelbare Einwirkung des Widersachers nicht glauben, durch

       standhaftes Gebet. Dir, lieber Bruder Medardus, der du noch so jung bist, der du noch alles, was dir deine von fremder Kraft

       aufgeregte Phantasie vorbringen mag, in glänzenderen, lebhafteren Farben erblickst, der du noch wie ein tapferer, aber

       unerfahrener Krieger zwar rüstig im Kampfe, aber vielleicht zu kühn, das Unmögliche wagend, deiner


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