Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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wie aus tiefem Schlaf aufgerüttelten Geiste vorüber. Ich hatte nicht Ruh', nicht Rast, bis der Morgen heiter anbrach und ich

       hinabeilen konnte in den Klostergarten, um mich in den Strahlen der Sonne, die feurig und glühend hinter den Bergen emporstieg,

       zu baden. Leonardus, die Brüder bemerkten meine Veränderung; statt daß ich sonst, in mich verschlossen, kein Wort sprach, war

       ich heiter und lebendig. Als rede ich vor versammelter Gemeinde, sprach ich mit dem Feuer der Beredsamkeit, wie es sonst mir

       eigen. Da ich mit Leonardus allein geblieben, sah er mich lange an, als wollte er mein Innerstes durchdringen; dann sprach er

       aber, indem ein leises ironisches Lächeln über sein Gesicht flog: »Hat der Bruder Medardus vielleicht in einer Vision neue Kraft

       und verjüngtes Leben von oben heraberhalten?« – Ich fühlte mich vor Scham erglühen, denn in dem Augenblick kam mir meine

       Exaltation, durch einen Schluck alten Weins erzeugt, nichtswürdig und armselig vor. Mit niedergeschlagenen Augen und

       gesenktem Haupte stand ich da, Leonardus überließ mich meinen Betrachtungen. Nur zu sehr hatte ich gefürchtet, daß die

       Spannung, in die mich der genossene Wein versetzt, nicht lange anhalten, sondern vielleicht zu meinem Gram noch größere

       Ohnmacht nach sich ziehn würde; es war aber dem nicht so, vielmehr fühlte ich, wie mit der wiedererlangten Kraft auch

       jugendlicher Mut und jenes rastlose Streben nach dem höchsten Wirkungskreise, den mir das Kloster darbot, zurückkehrte. Ich

       bestand darauf, am nächsten heiligen Tage wieder zu predigen, und es wurde mir vergönnt. Kurz vorher, ehe ich die Kanzel

       bestieg, genoß ich von dem wunderbaren Weine; nie hatte ich darauf feuriger, salbungsreicher, eindringender gesprochen.

       Schnell verbreitete sich der Ruf meiner gänzlichen Wiederherstellung, und so wie sonst füllte sich wieder die Kirche, aber je mehr

       ich den Beifall der Menge erwarb, desto ernster und zurückhaltender wurde Leonardus, und ich fing an, ihn von ganzer Seele zu

       hassen, da ich ihn von kleinlichem Neide und mönchischem Stolz befangen glaubte.

       Der Bernardustag kam heran, und ich war voll brennender Begierde, vor der Fürstin recht mein Licht leuchten zu lassen, weshalb

       ich den Prior bat, es zu veranstalten, daß mir es vergönnt werde, an dem Tage im Zisterzienserkloster zu predigen. – Den

       Leonardus schien meine Bitte auf besondere Weise zu überraschen, er gestand mir unverhohlen, daß er gerade dieses Mal im

       Sinn gehabt habe, selbst zu predigen und daß deshalb schon das Nötige angeordnet sei, desto leichter sei indessen die

       Erfüllung meiner Bitte, da er sich mit Krankheit entschuldigen und mich statt seiner herausschicken werde. –

       Das geschah wirklich! – Ich sah meine Mutter sowie die Fürstin den Abend vorher; mein Innres war aber so ganz von meiner

       Rede erfüllt, die den höchsten Gipfel der Beredsamkeit erreichen sollte, daß ihr Wiedersehen nur einen geringen Eindruck auf

       mich machte. Es war in der Stadt verbreitet, daß ich statt des erkrankten Leonardus predigen würde, und dies hatte vielleicht

       noch einen größeren Teil des gebildeten Publikums herbeigezogen. Ohne das mindeste aufzuschreiben, nur in Gedanken die

       Rede in ihren Teilen ordnend, rechnete ich auf die hohe Begeisterung, die das feierliche Hochamt, das versammelte andächtige

       Volk, ja selbst die herrliche hochgewölbte Kirche in mir erwecken würde, und hatte mich in der Tat nicht geirrt. – Wie ein

       Feuerstrom flossen meine Worte, die mit der Erinnerung an den heiligen Bernhard die sinnreichsten Bilder, die frömmsten

       Betrachtungen enthielten, dahin, und in allen auf mich gerichteten Blicken las ich Staunen und Bewunderung. Wie war ich darauf

       gespannt, was die Fürstin wohl sagen werde, wie erwartete ich den höchsten Ausbruch ihres innigsten Wohlgefallens, ja es war

       mir, als müsse sie den, der sie schon als Kind in Erstaunen gesetzt, jetzt die ihm inwohnende höhere Macht deutlicher ahnend,

       mit unwillkürlicher Ehrfurcht empfangen. Als ich sie sprechen wollte, ließ sie mir sagen, daß sie, plötzlich von einer Kränklichkeit

       überfallen, niemanden, auch mich nicht sprechen könne. – Dies war mir um so verdrießlicher, als nach meinem stolzen Wahn die

       Äbtissin in der höchsten Begeisterung das Bedürfnis hätte fühlen sollen, noch salbungsreiche Worte von mir zu vernehmen. Meine

       Mutter schien einen heimlichen Gram in sich zu tragen, nach dessen Ursache ich mich nicht unterstand zu forschen, weil ein

       geheimes Gefühl mir selbst die Schuld davon aufbürdete, ohne daß ich mir dies hätte deutlicher enträtseln können. Sie gab mir

       ein kleines Billett von der Fürstin, das ich erst im Kloster öffnen sollte; kaum war ich in meiner Zelle, als ich zu meinem Erstaunen

       folgendes las:

       »Du hast mich, mein lieber Sohn (denn noch will ich Dich so nennen), durch die Rede, die Du in der Kirche unseres Klosters

       hieltest, in die tiefste Betrübnis gesetzt. Deine Worte kommen nicht aus dem andächtigen, ganz dem Himmlischen zugewandten

       Gemüte, Deine Begeisterung war nicht diejenige, welche den Frommen auf Seraphsfittichen emporträgt, daß er in heiliger

       Verzückung das himmlische Reich zu schauen vermag. Ach! – Der stolze Prunk Deiner Rede, Deine sichtliche Anstrengung, nur

       recht viel Auffallendes, Glänzendes zu sagen, hat mir bewiesen, daß Du, statt die Gemeinde zu belehren und zu frommen

       Betrachtungen zu entzünden, nur nach dem Beifall, nach der wertlosen Bewunderung der weltlich gesinnten Menge trachtest. Du

       hast Gefühle geheuchelt, die nicht in Deinem Innern waren, ja Du hast selbst gewisse sichtlich studierte Mienen und Bewegungen

       erkünstelt, wie ein eitler Schauspieler, alles nur des schnöden Beifalls wegen. Der Geist des Truges ist in Dich gefahren und wird

       Dich verderben, wenn Du nicht in Dich gehst und der Sünde entsagest. Denn Sünde, große Sünde ist Dein Tun und Treiben, um

       so mehr, als Du Dich zum frömmsten Wandel, zur Entsagung aller irdischen Torheit im Kloster dem Himmel verpflichtet. Der

       heilige Bernardus, den Du durch Deine trügerische Rede so schnöde beleidigt, möge Dir nach seiner himmlischen Langmut

       verzeihen, ja Dich erleuchten, daß Du den rechten Pfad, von dem Du, durch den Bösen verlockt, abgewichen, wieder findest, und

       er fürbitten könne für das Heil Deiner Seele. Gehab Dich wohl!«

       Wie hundert Blitze durchfuhren mich die Worte der Äbtissin, und ich erglühte vor innerm Zorn, denn nichts war mir gewisser, als

       daß Leonardus, dessen mannigfache Andeutungen über meine Predigten ebendahin gewiesen hatten, die Andächtelei der

       Fürstin benutzt und sie gegen mich und mein Rednertalent aufgewiegelt habe. Kaum konnte ich ihn mehr anschauen, ohne vor

       innerlicher Wut zu erheben, ja es kamen mir oft Gedanken, ihn zu verderben, in den Sinn, vor denen ich selbst erschrak. Um so

       unerträglicher waren mir die Vorwürfe der Äbtissin und des Priors, als ich in der tiefsten Tiefe meiner Seele wohl die Wahrheit

       derselben fühlte; aber immer fester und fester beharrend in meinem Tun, mich stärkend durch Tropfen Weins aus der

       geheimnisvollen Flasche, fuhr ich fort, meine Predigten mit allen Künsten der Rhetorik auszuschmücken und mein Mienenspiel,

       meine Gestikulationen sorgfältig zu studieren, und so gewann ich des Beifalls, der Bewunderung


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