Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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– Laß mich offenherzig

       sein! – Du trägst in diesem Augenblick die Schuld unseres sündigen Ursprungs, die jedem mächtigen Emporstreben unserer

       geistigen Kraft die Schranken des Verderbnisses öffnet, wohin wir uns in unbedachtem Fluge nur zu leicht verirren! – Der Beifall,

       ja die abgöttische Bewunderung, die dir die leichtsinnige, nach jeder Anreizung lüsterne Welt gezollt, hat dich geblendet, und du

       siehst dich selbst in einer Gestalt, die nicht dein eigen, sondern ein Trugbild ist, welches dich in den verderblichen Abgrund lockt.

       Gehe in dich, Medardus! – entsage dem Wahn, der dich betört – ich glaube ihn zu kennen! – schon jetzt ist dir die Ruhe des

       Gemüts, ohne welche kein Heil hienieden zu finden, entflohen. – Laß dich warnen, weiche aus dem Feinde, der dir nachstellt. –

       Sei wieder der gutmütige Jüngling, den ich mit ganzer Seele liebte.« – Tränen quollen aus den Augen des Priors, als er dies

       sprach: er hatte meine Hand ergriffen, sie loslassend, entfernte er sich schnell, ohne meine Antwort abzuwarten. – Aber nur

       feindselig waren seine Worte in mein Innres gedrungen; er hatte des Beifalls, ja der höchsten Bewunderung erwähnt, die ich mir

       durch meine außerordentliche Gaben erworben, und es war mir deutlich, daß nur kleinlicher Neid jenes Mißbehagen an mir

       erzeugt habe, das er so unverhohlen äußerte. Stumm und in mich gekehrt, blieb ich, vom innern Groll ergriffen, bei den

       Zusammenkünften der Mönche, und ganz erfüllt von dem neuen Wesen, das mir aufgegangen, sann ich den Tag über und in den

       schlaflosen Nächten, wie ich alles in mir Aufgekeimte in prächtige Worte fassen und dem Volk verkünden wollte. Je mehr ich mich

       nun von Leonardus und den Brüdern entfernte, mit desto stärkeren Banden wußte ich die Menge an mich zu ziehen. –

       Am Tage des heiligen Antonius war die Kirche so gedrängt voll, daß man die Türen weit öffnen mußte, um dem zuströmenden

       Volke zu vergönnen, mich auch noch vor der Kirche zu hören. Nie hatte ich kräftiger, feuriger, eindringender gesprochen. Ich

       erzählte, wie es gewöhnlich, manches aus dem Leben des Heiligen und knüpfte daran fromme, tief ins Leben eindringende

       Betrachtungen. Von den Verführungen des Teufels, dem der Sündenfall die Macht gegeben, die Menschen zu verlocken, sprach

       ich, und unwillkürlich führte mich der Strom der Rede hinein in die Legende von den Elixieren, die ich wie eine sinnreiche

       Allegorie darstellen wollte. Da fiel mein in der Kirche umherschweifender Blick auf einen langen hageren Mann, der mir

       schrägüber auf eine Bank gestiegen, sich an einen Eckpfeiler lehnte. Er hatte auf seltsame fremde Weise einen dunkelvioletten

       Mantel umgeworfen und die übereinander geschlagenen Arme darin gewickelt. Sein Gesicht war leichenblaß, aber der Blick der

       großen schwarzen, stieren Augen fuhr wie ein glühender Dolchstich durch meine Brust. Mich durchbebte ein unheimliches

       grauenhaftes Gefühl, schnell wandte ich mein Auge ab und sprach, alle meine Kraft zusammennehmend, weiter. Aber wie von

       einer fremden zauberischen Gewalt getrieben, mußte ich immer wieder hinschauen, und immer starr und bewegungslos stand der

       Mann da, den gespenstischen Blick auf mich gerichtet. So wie bittrer Hohn – verachtender Haß lag es auf der hohen gefurchten

       Stirn, in dem herabgezogenen Munde. Die ganze Gestalt hatte etwas Furchtbares – Entsetzliches! – Ja! – es war der unbekannte

       Maler aus der heiligen Linde. Ich fühlte mich wie von eiskalten grausigen Fäusten gepackt – Tropfen des Angstschweißes

       standen auf meiner Stirn – meine Perioden stockten – immer verwirrter und verwirrter wurden meine Reden – es entstand ein

       Flüstern – ein Gemurmel in der Kirche – aber starr und unbeweglich lehnte der fürchterliche Fremde am Pfeiler, den stieren Blick

       auf mich gerichtet. Da schrie ich auf in der Höllenangst wahnsinniger Verzweiflung: »Ha Verruchter! hebe dich weg! – hebe dich

       weg – denn ich bin es selbst! – ich bin der heilige Antonius!« – Als ich aus dem bewußtlosen Zustand, in den ich mit jenen Worten

       versunken, wieder erwachte, befand ich mich auf meinem Lager, und der Bruder Cyrillus saß neben mir, mich pflegend und

       tröstend. Das schreckliche Bild des Unbekannten stand mir noch lebhaft vor Augen, aber je mehr der Bruder Cyrillus, dem ich

       alles erzählte, mich zu überzeugen suchte, daß dieses nur ein Gaukelbild meiner durch das eifrige und starke Reden erhitzten

       Phantasie gewesen, desto tiefer fühlte ich bittre Reue und Scham über mein Betragen auf der Kanzel. Die Zuhörer dachten, wie

       ich nachher erfuhr, es habe mich ein plötzlicher Wahnsinn überfallen, wozu ihnen vorzüglich mein letzter Ausruf gerechten Anlaß

       gab. Ich war zerknirscht – zerrüttet im Geiste; eingeschlossen in meine Zelle, unterwarf ich mich den strengsten Bußübungen und

       stärkte mich durch inbrünstige Gebete zum Kampfe mit dem Versucher, der mir selbst an heiliger Stätte erschienen, nur in

       frechem Hohn die Gestalt borgend von dem frommen Maler in der heiligen Linde. Niemand wollte übrigens den Mann im violetten

       Mantel erblickt haben, und der Prior Leonardus verbreitete nach seiner anerkannten Gutmütigkeit auf das eifrigste überall, wie es

       nur der Anfall einer hitzigen Krankheit gewesen, welcher mich in der Predigt auf solche entsetzliche Weise mitgenommen und

       meine verwirrten Reden veranlaßt habe: wirklich war ich auch noch siech und krank, als ich nach mehreren Wochen wieder in das

       gewöhnliche klösterliche Leben eintrat. Dennoch unternahm ich es, wieder die Kanzel zu besteigen, aber, von innerer Angst

       gefoltert, verfolgt von der entsetzlichen bleichen Gestalt, vermochte ich kaum zusammenhängend zu sprechen, viel weniger mich

       wie sonst dem Feuer der Beredsamkeit zu überlassen. Meine Predigten waren gewöhnlich – steif – zerstückelt. – Die Zuhörer

       bedauerten den Verlust meiner Rednergabe, verloren sich nach und nach, und der alte Bruder, der sonst gepredigt und nun noch

       offenbar besser redete als ich, ersetzte wieder meine Stelle. –

       Nach einiger Zeit begab es sich, daß ein junger Graf, von seinem Hofmeister, mit dem er auf Reisen begriffen, begleitet, unser

       Kloster besuchte und die vielfachen Merkwürdigkeiten desselben zu sehen begehrte. Ich mußte die Reliquienkammer

       aufschließen, und wir traten hinein, als der Prior, der mit uns durch Chor und Kirche gegangen, abgerufen wurde, so daß ich mit

       den Fremden allein blieb. Jedes Stück hatte ich gezeigt und erklärt, da fiel dem Grafen der mit zierlichem altteutschen

       Schnitzwerk geschmückte Schrank ins Auge, in dem sich das Kistchen mit dem Teufelselixier befand. Unerachtet ich nun nicht

       gleich mit der Sprache heraus wollte, was in dem Schrank verschlossen, so drangen beide, der Graf und der Hofmeister, doch so

       lange in mich, bis ich die Legende vom heiligen Antonius und dem arglistigen Teufel erzählte und mich über die als Reliquie

       aufbewahrte Flasche ganz getreu nach den Worten des Bruders Cyrillus ausließ, ja sogar die Warnung hinzufügte, die er mir

       rücksichts der Gefahr des Öffnens der Kiste und des Vorzeigens der Flasche gegeben. Unerachtet der Graf unserer Religion

       zugetan war, schien er doch ebensowenig als der Hofmeister auf die Wahrscheinlichkeit der heiligen Legenden viel zu bauen.

      


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