Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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im zerrissenen Mantel trage, endlich nahm aber der Hofmeister eine ernsthafte Miene an und sprach: »Haben Sie an uns

       leichtsinnigen Weltmenschen kein Ärgernis, ehrwürdiger Herr! – Sein Sie überzeugt, daß wir beide, ich und mein Graf, die

       Heiligen als herrliche, von der Religion hoch begeisterte Menschen verehren, die dem Heil ihrer Seele sowie dem Heil der

       Menschen alle Freuden des Lebens, ja, das Leben selbst opferten, was aber solche Geschichten betrifft, wie die soeben von

       Ihnen erzählte, so glaube ich, daß nur eine geistreiche, von dem Heiligen ersonnene Allegorie durch Mißverstand als wirklich

       geschehen ins Leben gezogen wurde.« –

       Unter diesen Worten hatte der Hofmeister den Schieber des Kistchens schnell aufgeschoben und die schwarze, sonderbar

       geformte Flasche herausgenommen. Es verbreitete sich wirklich, wie der Bruder Cyrillus es mir gesagt, ein starker Duft, der

       indessen nichts weniger als betäubend, sondern vielmehr angenehm und wohltätig wirkte. »Ei,« rief der Graf, »ich wette, daß das

       Elixier des Teufels weiter nichts ist als herrlicher echter Syrakuser.« – »Ganz gewiß,« erwiderte der Hofmeister, »und stammt die

       Flasche wirklich aus dem Nachlaß des heiligen Antonius, so geht es Ihnen, ehrwürdiger Herr, beinahe besser wie dem Könige

       von Neapel, den die Unart der Römer, den Wein nicht zu pfropfen, sondern nur durch darauf getröpfeltes Öl zu bewahren, um das

       Vergnügen brachte, altrömischen Wein zu kosten. Ist dieser Wein auch lange nicht so alt, als jener gewesen wäre, so ist es doch

       fürwahr der älteste, den es wohl geben mag, und darum täten Sie wohl, die Reliquie in Ihren Nutzen zu verwenden und getrost

       auszunippen.« – »Gewiß,« fiel der Graf ein, »dieser uralte Syrakuser würde neue Kraft in Ihre Adern gießen und die Kränklichkeit

       verscheuchen, von der Sie, ehrwürdiger Herr, heimgesucht scheinen.« Der Hofmeister holte einen stählernen Korkzieher aus der

       Tasche und öffnete, meiner Protestationen unerachtet, die Flasche. – Es war mir, als zucke mit dem Herausfliegen des Korks ein

       blaues Flämmchen empor, das gleich wieder verschwand. – Stärker stieg der Duft aus der Flasche und wallte durch das Zimmer.

       Der Hofmeister kostete zuerst und rief begeistert: »Herrlicher – herrlicher Syrakuser! In der Tat, der Weinkeller des heiligen

       Antonius war nicht übel, und machte der Teufel seinen Kellermeister, so meinte er es mit dem heiligen Mann nicht so böse, als

       man glaubt – kosten Sie, Graf!« – Der Graf tat es und bestätigte das, was der Hofmeister gesprochen. Beide scherzten noch

       mehr über die Reliquie, die offenbar die schönste in der ganzen Sammlung sei – sie wünschten sich einen ganzen Keller voll

       solcher Reliquien u.s.w. Ich hörte alles schweigend mit niedergesenktem Haupte, mit zur Erde starrendem Blick an; der Frohsinn

       der Fremden hatte für mich in meiner düsteren Stimmung etwas Quälendes; vergebens drangen sie in mich, auch von dem Wein

       des heiligen Antonius zu kosten, ich verweigerte es standhaft und verschloß die Flasche, wohl zugepfropft, wieder in ihr Behältnis.

       –

       Die Fremden verließen das Kloster, aber als ich einsam in meiner Zelle saß, konnte ich mir selbst ein gewisses innres

       Wohlbehagen, eine rege Heiterkeit des Geistes nicht ableugnen. Es war offenbar, daß der geistige Duft des Weins mich gestärkt

       hatte. Keine Spur der üblen Wirkung, von der Cyrillus gesprochen, empfand ich, und nur der entgegengesetzte wohltätige Einfluß

       zeigte sich auf auffallende Weise: je mehr ich über die Legende des heiligen Antonius nachdachte, je lebhafter die Worte des

       Hofmeisters in meinem Innern widerklangen, desto gewisser wurde es mir, daß die Erklärung des Hofmeisters die richtige sei,

       und nun erst durchfuhr mich wie ein leuchtender Blitz der Gedanke, daß an jenem unglücklichen Tage, als eine feindselige Vision

       mich in der Predigt auf so zerstörende Weise unterbrach, ich ja selbst im Begriff gewesen, die Legende auf dieselbe Weise als

       eine geistreiche belehrende Allegorie des heiligen Mannes vorzutragen. Diesem Gedanken knüpfte sich ein anderer an, welcher

       bald mich so ganz und gar erfüllte, daß alles übrige in ihm unterging. – »Wie,« dachte ich, »wenn das wunderbare Getränk mit

       geistiger Kraft dein Inneres stärkte, ja die erloschene Flamme entzünden könnte, daß sie in neuem Leben emporstrahlte? – Wenn

       schon dadurch eine geheimnisvolle Verwandtschaft deines Geistes mit den in jenem Wein verschlossenen Naturkräften sich

       offenbart hätte, daß derselbe Duft, der den schwächlichen Cyrillus betäubte, auf dich nur wohltätig wirkte?« – Aber war ich auch

       schon entschlossen, dem Rate der Fremden zu folgen, wollte ich schon zur Tat schreiten, so hielt mich immer wieder ein inneres,

       mir selbst unerklärliches Widerstreben davon zurück. Ja, im Begriff, den Schrank aufzuschließen, schien es mir, als erblicke ich in

       dem Schnitzwerk das entsetzliche Gesicht des Malers mit den mich durchbohrenden lebendig-totstarren Augen, und von

       gespenstischem Grauen gewaltsam ergriffen, floh ich aus der Reliquienkammer, um an heiliger Stätte meinen Vorwitz zu

       bereuen. Aber immer und immer verfolgte mich der Gedanke, daß nur durch den Genuß des wunderbaren Weins mein Geist sich

       erlaben und stärken könne. – Das Betragen des Priors – der Mönche – die mich wie einen geistig Erkrankten mit gutgemeinter,

       aber niederbeugender Schonung behandelten, brachte mich zur Verzweiflung, und als Leonardus nun gar mich von den

       gewöhnlichen Andachtsübungen dispensierte, damit ich meine Kräfte ganz sammeln solle, da beschloß ich, in schlafloser Nacht

       von tiefem Gram gefoltert, auf den Tod alles zu wagen, um die verlorne geistige Kraft wiederzugewinnen oder unterzugehn.

       Ich stand vom Lager auf und schlich wie ein Gespenst mit der Lampe, die ich bei dem Marienbilde auf dem Gange des Klosters

       angezündet, durch die Kirche nach der Reliquienkammer. Von dem flackernden Schein der Lampe beleuchtet, schienen die

       heiligen Bilder in der Kirche sich zu regen, es war, als blickten sie mitleidsvoll auf mich herab, es war, als höre ich in dem

       dumpfen Brausen des Sturms, der durch die zerschlagenen Fenster ins Chor hineinfuhr, klägliche warnende Stimmen, ja, als riefe

       mir meine Mutter zu aus weiter Ferne: »Sohn Medardus, was beginnst du, laß ab von dem gefährlichen Unternehmen!« – Als ich

       in die Reliquienkammer getreten, war alles still und ruhig, ich schloß den Schrank auf, ich ergriff das Kistchen, die Flasche, bald

       hatte ich einen kräftigen Zug getan! – Glut strömte durch meine Adern und erfüllte mich mit dem Gefühl unbeschreiblichen

       Wohlseins – ich trank noch einmal, und die Lust eines neuen herrlichen Lebens ging mir auf! – Schnell verschloß ich das leere

       Kistchen in den Schrank, eilte rasch mit der wohltätigen Flasche nach meiner Zelle und stellte sie in mein Schreibepult. – Da fiel

       mir der kleine Schlüssel in die Hände, den ich damals, um jeder Versuchung zu entgehen, vom Bunde löste, und doch hatte ich

       ohne ihn sowohl damals, als die Fremden zugegen waren, als jetzt den Schrank aufgeschlossen? Ich untersuchte meinen

       Schlüsselbund, und siehe, ein unbekannter Schlüssel, mit dem ich damals und jetzt den Schrank geöffnet, ohne in der Zerstreuung

       darauf


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