Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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aufhaschte, ja mich so an sie drängte, daß wenigstens ihr Kleid im Vorbeistreifen mich berühren mußte, welches mich mit innerer,

       nie gefühlter Lust erfüllte. Sie schien es zu bemerken und Wohlgefallen daran zu finden; zuweilen war es mir, als müßte ich sie wie

       in toller Liebeswut an mich reißen und inbrünstig an mich drücken! – Sie hatte lange neben dem Flügel gesessen, endlich stand

       sie auf und ließ auf dem Stuhl einen ihrer Handschuhe liegen, den ergriff ich und drückte ihn im Wahnsinn heftig an den Mund! –

       Das sah eins von den Frauenzimmern, die ging zu des Konzertmeisters Schwester und flüsterte ihr etwas ins Ohr, nun schauten

       sie beide auf mich und kicherten und lachten höhnisch! – Ich war wie vernichtet, ein Eisstrom goß sich durch mein Inneres –

       besinnungslos stürzte ich fort ins Kollegium – in meine Zelle. Ich warf mich wie in toller Verzweiflung auf den Fußboden – glühende

       Tränen quollen mir aus den Augen, ich verwünschte – ich verfluchte das Mädchen – mich selbst – dann betete ich wieder und

       lachte dazwischen wie ein Wahnsinniger! Überall erklangen um mich Stimmen, die mich verspotteten, verhöhnten; ich war im

       Begriff, mich durch das Fenster zu stürzen, zum Glück verhinderten mich die Eisenstäbe daran, mein Zustand war in der Tat

       entsetzlich. Erst als der Morgen anbrach, wurde ich ruhiger, aber fest war ich entschlossen, sie niemals mehr zu sehen und

       überhaupt der Welt zu entsagen. Klarer als jemals stand der Beruf zum eingezogenen Klosterleben, von dem mich keine

       Versuchung mehr ablenken sollte, vor meiner Seele. Sowie ich nur von den gewöhnlichen Studien loskommen konnte, eilte ich zu

       dem Prior in das Kapuzinerkloster und eröffnete ihm, wie ich nun entschlossen sei, mein Noviziat anzutreten, und auch schon

       meiner Mutter sowie der Fürstin Nachricht davon gegeben habe. Leonardus schien über meinen plötzlichen Eifer verwundert;

       ohne in mich zu dringen, suchte er doch auf diese und jene Weise zu erforschen, was mich wohl darauf gebracht haben könne,

       nun mit einemmal auf meine Einweihung zum Klosterleben zu bestehen, denn er ahndete wohl, daß ein besonderes Ereignis mir

       den Impuls dazu gegeben haben müsse. Eine innere Scham, die ich nicht zu überwinden vermochte, hielt mich zurück, ihm die

       Wahrheit zu sagen, dagegen erzählte ich ihm mit dem Feuer der Exaltation, das noch in mir glühte, die wunderbaren

       Begebenheiten meiner Kinderjahre, welche alle auf meine Bestimmung zum Klosterleben hindeuteten. Leonardus hörte mich

       ruhig an, und ohne gerade gegen meine Visionen Zweifel vorzubringen, schien er doch sie nicht sonderlich zu beachten, er

       äußerte vielmehr, wie das alles noch sehr wenig für die Echtheit meines Berufs spräche, da eben hier eine Illusion sehr möglich

       sei. Überhaupt pflegte Leonardus nicht gern von den Visionen der Heiligen, ja selbst von den Wundern der ersten Verkündiger

       des Christentums zu sprechen, und es gab Augenblicke, in denen ich in Versuchung geriet, ihn für einen heimlichen Zweifler zu

       halten. Einst erdreistete ich mich, um ihn zu irgend einer bestimmten Äußerung zu nötigen, von den Verächtern des katholischen

       Glaubens zu sprechen und vorzüglich auf diejenigen zu schmälen, die im kindischen Übermute alles Übersinnliche mit dem

       heillosen Schimpfworte des Aberglaubens abfertigten. Leonardus sprach sanft lächelnd: »Mein Sohn, der Unglaube ist der ärgste

       Aberglaube«, und fing ein anderes Gespräch von fremden gleichgültigen Dingen an. Erst später durfte ich eingehen in seine

       herrliche Gedanken über den mystischen Teil unserer Religion, der die geheimnisvolle Verbindung unsers geistigen Prinzips mit

       höheren Wesen in sich schließt, und mußte mir denn wohl gestehen, daß Leonardus die Mitteilung alles des Sublimen, das aus

       seinem Innersten sich ergoß, mit Recht nur für die höchste Weihe seiner Schüler aufsparte. –

       Meine Mutter schrieb mir, wie sie es längst geahnet, daß der weltgeistliche Stand mir nicht genügen, sondern daß ich das

       Klosterleben erwählen werde. Am Medardustage sei ihr der alte Pilgersmann aus der heiligen Linde erschienen und habe mich

       im Ordenskleide der Kapuziner an der Hand geführt. Auch die Fürstin war mit meinem Vorhaben ganz einverstanden. Beide sah

       ich noch einmal vor meiner Einkleidung, welche, da mir, meinem innigsten Wunsche gemäß, die Hälfte des Noviziats erlassen

       wurde, sehr bald erfolgte. Ich nahm auf Veranlassung der Vision meiner Mutter den Klosternamen Medardus an. –

       Das Verhältnis der Brüder untereinander, die innere Einrichtung rücksichts der Andachtsübungen und der ganzen Lebensweise

       im Kloster bewährte sich ganz in der Art, wie sie mir bei dem ersten Blick erschienen. Die gemütliche Ruhe, die in allem

       herrschte, goß den himmlischen Frieden in meine Seele, wie er mich, gleich einem seligen Traum aus der ersten Zeit meiner

       frühsten Kinderjahre im Kloster der heiligen Linde umschwebte. Während des feierlichen Akts meiner Einkleidung erblickte ich

       unter den Zuschauern des Konzertmeisters Schwester; sie sah ganz schwermütig aus, und ich glaubte Tränen in ihren Augen zu

       erblicken, aber vorüber war die Zeit der Versuchung, und vielleicht war es frevelnder Stolz auf den so leicht erfochtenen Sieg, der

       mir das Lächeln abnötigte, welches der an meiner Seite wandelnde Bruder Cyrillus bemerkte. »Worüber erfreuest du dich so,

       mein Bruder?« frug Cyrillus. »Soll ich denn nicht froh sein, wenn ich der schnöden Welt und ihrem Tand entsage?« antwortete ich,

       aber nicht zu leugnen ist es, daß, indem ich diese Worte sprach, ein unheimliches Gefühl, plötzlich das Innerste durchbebend,

       mich Lügen strafte. – Doch dies war die letzte Anwandlung irdischer Selbstsucht, nach der jene Ruhe des Geistes eintrat. Wäre

       sie nimmer von mir gewichen, aber die Macht des Feindes ist groß! – Wer mag der Stärke seiner Waffen, wer mag seiner

       Wachsamkeit vertrauen, wenn die unterirdischen Mächte lauern? –

       Schon fünf Jahre war ich im Kloster, als nach der Verordnung des Priors mir der Bruder Cyrillus, der alt und schwach worden, die

       Aufsicht über die reiche Reliquienkammer des Klosters übergeben sollte. Da befanden sich allerlei Knochen von Heiligen, Späne

       aus dem Kreuze des Erlösers und andere Heiligtümer, die in saubern Glasschränken aufbewahrt und an gewissen Tagen dem

       Volk zur Erbauung ausgestellt wurden. Der Bruder Cyrillus machte mich mit jedem Stücke sowie mit den Dokumenten, die über

       ihre Echtheit und über die Wunder, welche sie bewirkt, vorhanden, bekannt. Er stand rücksichts der geistigen Ausbildung unserm

       Prior an der Seite, und um so weniger trug ich Bedenken, das zu äußern, was sich gewaltsam aus meinem Innern hervordrängte.

       »Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus,« sagte ich, »alle diese Dinge gewiß und wahrhaftig das sein, wofür man sie ausgibt? –

       Sollte auch hier nicht die betrügerische Habsucht manches untergeschoben haben, was nun als wahre Reliquie dieses oder jenes

       Heiligen gilt? So z.B. besitzt irgend ein Kloster das ganze Kreuz unsers Erlösers, und doch zeigt man überall wieder so viel

       Späne davon, daß, wie jemand von uns selbst, freilich in freveligem Spott, behauptete, unser Kloster ein ganzes Jahr hindurch

       damit geheizt werden könnte.« – »Es geziemt uns wohl eigentlich nicht,« erwiderte


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