Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

Читать онлайн книгу.

Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


Скачать книгу
Er kümmert sich nicht groß um die Herkunft, wenn ihm ein Dienst erwiesen wird.“

      „Was für ein Dienst?“ fragte Antiochios und sah mich an, als sei ich ein Schatten aus dem Hades.

      „Wisst ihr denn nicht, wovon ganz Pella spricht?“

      „Es war ein alter Bär!“ wehrte mein Vater zornig ab.

      „Das meine ich nicht. Leonnatos hat doch den Liebling des Alexander gerettet. Hephaistion wäre ohne den Mut deines Sohnes tot.“

      „Und …..was wird aus mir?“ fragte Antiochios mit aufgerissenen Augen.

      „Man wird dich schon bald zu den Getreuen zu Fuß rufen, mein Sohn. Keine Bange.“

      „Und er hier, der Krüppel, wird mit den Gefährten des Königs reiten?“

      „Auf einem Pferderücken wird sein Hinken nicht weiter auffallen. Und übrigens, er hat sogar gute Aussichten eines Tages zur Leibgarde des Kronprinzen und damit zu den Verwandten aufzurücken. Alexander machte so eine Andeutung, dass er ihn ständig um sich haben will. Du solltest dich daran gewöhnen, dass man ihm von nun an die nötige Achtung entgegenzubringen hat.“

      „Diesem Krüppel?“ schrie Antiochios. „Niemals! Vater, tu etwas.“

      „Ich werde mit Parmenion reden“, keuchte der Alte, als säße ihm ein Felsbrocken auf der Brust. „Er wird dafür sorgen, dass dieses Missverständnis ausgeräumt wird.“

      „Nein. Alexander wird sich niemals von Parmenion etwas vorschreiben lassen. Selbst dessen Sohn Philotas, der zu den Gefährten gehört, hat er nicht unter die Verwandten aufgenommen.“

      „Auch Antiochios muss bei den Gefährten des Kronprinzen aufgenommen werden!“ beharrte mein Vater.

      „Zwei Söhne kannst du nicht bei den Gefährten unterbringen. Das wäre zuviel der Ehre. Du bist kein Fürst, mein lieber Anthes. Es ist schon eine unerhörte Auszeichnung, dass einer deiner Söhne berufen wurde.“

      „Er ist der schlechtere!“ stammelte mein Vater und wies mit seiner Rechten auf mich. Diese Hand, die ich so oft gespürt hatte, an der zwei Finger fehlten, die er in einer der vielen Schlachten Philipps verloren hatte. Oh ja, mein Vater war ein großer Krieger. Wenigstens das will ich ihm nicht absprechen.

      „Für Alexander scheint Leonnatos gut genug zu sein!“ wehrte der Bote ab und wandte sich mir zu. „Leonnatos, du sollst dich zur Hochzeit der Kleopatra, Alexanders Schwester, in Aigai einfinden. Bald danach geht es zum großen Feldzug gegen Persien. Unsere Rache für die schändliche Brandschatzung Athens. Ihr werdet alle bald zu den Waffen gerufen werden. Anthes, dein Protektor Parmenion, kann dir nicht helfen. Er ist bereits drüben in Kleinasien.“

      „Deswegen habe ich so lange nichts von ihm gehört.“

      „Ja. Und wenn er sich für dich verwandt hätte, so wäre dies auch vergeblich gewesen. Alexander schart nur junge, ihm treu ergebene Männer um sich, die genau so verrückt die Ilias lesen wie er.“

      Eurydike sah mich mit Augen an, die wie Dolchklingen stachen. Aber einstweilen konnten meine drei Peiniger nichts ausrichten. Ich war zu den Gefährten des Kronprinzen gerufen worden und nicht Antiochios und sie konnten nichts daran ändern. Als der Bote am nächsten Tag fort geritten war, wurde es noch ungemütlicher für mich.

      Bis dahin war ich schon Luft für sie gewesen, aber nun war ich auch noch stinkende Luft und sie zogen Gesichter, als habe ich Aussatz. Man aß nicht mehr mit mir, sondern stellte das Essen in die Küche. Und was sie mir durch die Dienerin hinstellen ließen, war besserer Abfall. Auch mein Freund und Lehrer Andreos konnte nichts dagegen tun. Als ich den Hirsebrei zum dritten Mal hintereinander bekam, ging ich hinaus und schüttete den Brei weg. Ein Hund kam vorbei und fraß davon. Wenig später sah ich seinen Leichnam im Hof liegen. Die Knechte wussten keine Erklärung, woran er gestorben war. Aber ich wusste es und aß nichts mehr, was man mir vorsetzte, und ernährte mich nur von Früchten und Brot. Von nun an legte ich einen langen Dolch neben mein Lager.

      Bevor ich mich zur Königsstadt aufmachen konnte, ritt ich noch einmal zu Spitames, um mich von dem Menschen zu verabschieden, dem ich soviel verdankte.

      „Du warst mir Vater und Mutter zugleich.“

      Sein dunkles Gesicht war an diesem Tag noch runzliger als ich es kannte. Bekümmert nickte er. Seine Hände umklammerten seinen Oberkörper, als hätte er Angst auseinanderzufallen.

      „Lassen wir das“, knurrte er rau. „Ich habe aus dir einen Jäger gemacht. Nur Menschen mit Gefühl dürfen Jäger sein. Erinnere dich an den Kyros. Auch Tiere verlangen Achtung. Sie sind Lebewesen, die uns die Götter gaben. Wir müssen sie töten, weil wir nun einmal Fleischfresser sind. Aber nur deswegen und nicht weil uns das Töten Spaß macht.“

      „Du hast mich nicht nur die Jagd gelehrt, sondern auch den Umgang mit Pferden.“

      „Ja, der Kronprinz wird noch staunen, was du für ein guter Reiter bist“, pflichtete er mir bei.

      „Alexander soll ein guter Reiter sein.“

      „Das soll er. Aber du bist ein Pferdemensch und die Tiere spüren dies. Jedes Pferd wird es dir entgelten.“

      Wir starrten uns noch eine Zeitlang schweigend an und ich seufzte und wir umarmten uns. Als ich hinausgehen wollte, hielt er mich noch einmal auf.

      „Leonnatos?“

      „Ja.“

      „Du warst mir ….. wie ein Sohn.“

      „Ich hatte das Glück dein Sohn zu sein.“

      „Pass auf dich auf. Apollon wird sich hoffentlich um dich kümmern.“

      „Ich werde dich nicht vergessen.“

      Ich hätte schwören können, dass mein stoischer alter Spitames Tränen in den Augen hatte, als ich ging. Ich habe ihn nie wieder gesehen.

      Am nächsten Tag bat ich meinen Vater um eine entsprechende Ausstattung für die Reise an den Königshof. In Lumpen konnte ich zwar hier in den Bergen herumlaufen, aber ein Gefährte des Kronprinzen würde darin doch einen seltsamen Eindruck machen.

      „Du blamierst auch dich, wenn ich so erscheine!“ sagte ich zu ihm und wies auf meine schäbige Kleidung.

      Der Alte glotzte mich böse an und drehte den schweren Ring an seiner Linken. Am liebsten hätte er mich umgebracht. Aber das ging nun nicht mehr. Einen Gefährten des Königssohnes konnte er nicht so einfach um die Ecke bringen.

      „Rede mit Eurydike!“ brummte er unwirsch. „Du weißt, dass ich nicht reich bin.“

      „Ich weiß, dass du und Antiochios anständig gekleidet seid. Und Eurydike schleppt genug Gold an ihrem Hals mit sich herum.“

      „Sie ist die Reiche von uns. Nicht ich. Aber, na gut. Ein paar Drachmen werden wir zusammenkratzen können.“

      Es fiel ihm schwer dies zu sagen und als ich Eurydike gegenüber meinen Wunsch nach besserer Kleidung äußerte, sah sie mich von oben nach unten an, als hätte ich ihre goldenen Ketten und Ringe verlangt. Aber die beiden sahen schließlich ein, dass es keinen guten Eindruck machte, wenn ich als Bettler nach Aigai käme. Sie gaben mir sogar Phokis mit, nachdem ich dies energisch verlangte. Ein Esser weniger, mag mein Vater gedacht haben. Mit den Pferden hatte ich keine Schwierigkeiten, da ich ohnehin Tiere wählte, die mein Vater und Antiochios verschmähten, weil sie hässlich und ungebärdig waren. Es waren magere Klepper und tückisch und voller Launen, aber ausdauernd und leidlich schnell und wir kamen ganz gut mit ihnen zurecht.

      Es war ein nebliger Morgen, als wir aufbrachen. Nie vorher hatte ich so gute Kleider getragen und ich fühlte mich wie ein Prinz. Die Kleider waren zwar aus einfachem Leinen und ohne Zierrat. Aber auf den ersten Blick fiel es nicht auf, dass sie bereits von Antiochios getragen worden waren. Als Phokis und ich – auch dessen Kleider konnten sich sehen lassen – zu früher Stunde aus dem Hof traten, war dieser leer. Niemand verabschiedete uns. Gerade


Скачать книгу