Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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und einmalig? Aber wie gesagt: Apollon gab sich Mühe und warf sich so ins Zeug und ich kam einen Schritt dem näher, was Apoll vorausgesagt hatte. Der Ratschluss der Götter hatte diesmal wohl gelautet, dass nicht jede große Liebe ein gutes Ende haben muss. So bekam ich die ersten Zweifel, ob ich mich auf die Götter verlassen konnte.

      4.

      Ich spürte die Hand auf meiner Schulter. Es war nur eine flüchtige Berührung, als hätte mich der Flügel eines Vogels gestreift. Ich war sofort wach. Spitames nickte mir auffordernd zu. Seine Augen glitzerten wie bei einem Jungen, der zum ersten Mal am Fest des Dionysos teilnehmen durfte. Ich liebte diesen Mann wie einen Vater. Die Knechte meines leiblichen Vaters warfen Steine nach ihm. Er war ein Außenseiter wie ich und wir mochten uns von Anfang an und er hatte mir alles beigebracht, um ein Jäger zu sein und mit meiner Behinderung zurecht zu kommen. Ihm verdanke ich auch mein Wissen darüber, wie man Pferde zu Gefährten macht und mit ihrer Seele zurecht kommt. Er wohnte zwar in einer verwahrlosten Hütte, aber die Felle von Wölfen und Bären brachten ihm doch so viel ein, da er sich zwei Pferde halten konnte. Es waren gute Pferde und Spitames lehrte mich die Sprache der Tiere und wie man selbst aus dem elendsten Klepper das heraus bekam, was in ihm steckte. Natürlich konnte er mir nicht die Mutter ersetzen und auch nicht einen liebenden Vater, aber geliebt hat er mich schon auf seine Weise. Er sagte dies nie. Meistens knurrte er nur mit mir, aber seine kurzen bellenden oder gebrummten Kommentare schufen die Basis dafür, dass ich später mit Alexanders Gefährten reiten konnte.

      An diesem Morgen ging es ihm darum, mich aus meinem Gefängnis zu befreien, den Schmerz und die trüben Gedanken zu verscheuchen, die mich wie in einer dunklen Kammer gefangen hielten. Er murmelte, dass er nun wisse, wie man dem Kyros beikommen könne. Also erhob ich mich von meinem Lager und trat aus meinem Unterstand auf dem Berggipfel, der unserer Burg gegenüber lag, die nur als Schemen herüber drohte. Die Hunde umkreisten bereits die grasenden Ziegen, wachsam, wie ich es ihnen beigebracht hatte. Sie waren schwieriger zusammen zu halten als die Schafe, die wir beim Erdbeben verloren und noch nicht ersetzt hatten. Es war ein kalter Morgen und Nebel hing noch in den Tälern und ein Wind kam von Osten. Es würde am Nachmittag regnen, genau so wie an den vorangegangenen Tagen. Spitames hatte nun auch Phokis aus den Fellen bekommen und dieser ging hinter die Hütte, um seine Notdurft zu verrichten. Ich wusch mich an der Quelle und das Wasser war kalt und erfrischend und verscheuchte sofort die Müdigkeit. Phokis erschien wieder und machte ein Gesicht, als habe er gerade den großen Pan getroffen oder zumindest eine Quellennymphe. Jedenfalls sah er so aus, als sei etwas passiert.

      „Hast du die Hunde gesehen?“

      „Ja. Warum? Sie passen schon auf. Sie wissen, wie weit die Ziegen grasen dürfen.“

      „Nein, nicht unsere Hunde. Die hinter der Hütte, die Spitames angeschleppt hat.“

      Ich schüttelte den Kopf und folgte ihm hinter unsere Behausung. Dort war ein ganzes Rudel angebunden und guckte dumm drein und war still. Hunde, die nicht bellen, sind schon seltsam genug. Aber diese waren so groß wie Kälber und pechschwarz und hatten gelassene stumpfe Augen. Unheimliche Viecher, die sich für den Eingang des Hades geeignet hätten.

      „Sie bellen nicht!“ sagte Phokis kopfschüttelnd und kraulte seinen schwarzen Bart. „Weiß der Dionysos, wo er die her hat.“

      Ich konnte mir auch keinen Reim darauf machen und ging ins Haus zurück und nahm meinen Speer und den thrakischen Bogen und das lange Messer, das mir Spitames geschenkt hatte und ging zur Feuerstelle, wo dieser bereits hockte und den mit Wasser verdünnten Wein in einem Kessel über die Flammen hielt. Wir aßen Brot, Feigen und kaltes Fleisch. Der heiße Wein wärmte den Magen. Ich fragte ihn nicht, was es mit den Hunden auf sich habe. Er würde es mir beizeiten erklären. Spitames löschte sorgfältig das Feuer und wir gingen zu den Hunden.

      „Molosser!“ brummte er als Erklärung und gab ihnen Wasser zu trinken und den Rest von unserem Fleisch. Die Bestien schnappten danach, als wären sie seit Tagen nicht gefüttert worden und ihre Zähne waren lang genug, um sich vorzustellen, was sie anrichteten, wenn sie sich einen Menschen vornahmen. Es waren die Kampfhunde der Molosser und man tat gut daran, ein scharfes Schwert bei sich zu haben, wenn man ihnen begegnete. Einer dieser Hunde war schon schlimm genug, aber hier standen sechs dieser Prachtexemplare, einer hässlicher als der andere, mit triefenden Lefzen. Sie waren festgebunden, aber ich traute diesem Umstand nicht. Spitames klopfte ihnen knurrend auf die Köpfe und sie ließen es sich gefallen und verhielten sich so zahm wie Schoßhunde.

      „Wo hast du die Viecher her?“

      „Gewonnen! Beim Menandos war ein Molosserhäuptling, der groß angab, was er für ein Bogenschütze sei. Er war nicht mal halb so gut wie du.“

      „Und er hat mit dir gewettet?“

      „Ja. Er bot mir die Hunde an.“

      „Und was hattest du als Wetteinsatz?“

      „Meinen Bogen.“

      „Ach ja.“

      Nun verstand ich, warum der Molosserhäuptling darauf eingegangen war. Sein Bogen war tatsächlich etwas besonderes. Uralt und Spitames behauptete, dass dies der Bogen sei, mit dem Odysseus die Freier erledigt hatte. Ich konnte den Bogen nie spannen, genau so wenig wie die Freier der Penelope. Es war ein Trick dabei. Der Bogen aus dem Holz der Kornelkirsche und mit Horn verklebt konnte nur unter großen Kraftanstrengungen gespannt werden und dann mußte man noch den Trick beherrschen. Es war ein herrlicher Bogen und hätte dem Odysseus gut angestanden. Dass er tatsächlich der Bogen des Listenreichen war, musste man nicht unbedingt glauben.

      „Und warum wolltest du diese hässlichen Viecher? Sie werden dir nur die Haare vom Kopf fressen.“

      „Da werden sie aber tüchtig hungern“, warf Phokis ein.

      „Sie sind unsere Vorhut.“

      „Ach so, du willst ….“

      „Ja. Sie dem Kyros auf dem Pelz schicken.“

      „Verstehe. Sie werden ihn beschäftigen und wenn er müde ist, übernehmen wir ihn.“

      „Ja. So könnte es klappen.“

      „Ich habe gehört, dass das schon eine Generation von Jägern versucht!“ wandte Phokis ein.

      „Alles geht einmal zu Ende. Damals war er auch jünger“, knurrte Spitames.

      „Zwei Eisen von uns sitzen ihm schon in der Brust und es hat ihm nicht viel ausgemacht“, gab ich zu bedenken.

      „Ja. Er ist ein guter Bär“, knurrte Spitames und löste die Stricke und nun waren die Hunde frei und ich trat schnell ein paar Schritte zurück. Ich hatte gehörigen Schiss vor den Viechern, aber sie verhielten sich wie eine Lammherde und liefen nicht einmal im Kreis herum, sondern standen stumm da und glotzten Spitames an.

      „Warum bellen sie nicht?“

      „Sind stumm. Sie wurden stumm gemacht.“

      „Warum?“

      „Die Molosser sind Barbaren. Damit sie den Feind nicht zur Unzeit aufschrecken, haben sie den Hunden ….“

      „Seid ihr Makedonen etwa keine Barbaren?“ warf Phokis unwillig ein.

      „Hauptsache, die wissen, wer der Feind ist“, antwortete ich besorgt.

      „Komm her. Fahr ihnen mit der Hand über die Schnauze!“ forderte mich Spitames auf.

      Mir war nicht wohl dabei. Phokis machte auch ein Gesicht, als sollte ich nun das Frühstück der Hunde abgeben. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fuhr dem erstbesten Hund über die Schnauze und die Bestie sah mich an, als sei sie am überlegen, ob ich mich zum Frühstück eignete oder nicht. Aber nach einem Glubschblick auf Spitames ließ er es sich gefallen und die anderen waren genau so geduldig. Spitames redete die ganze Zeit auf die Viecher ein, wenn man sein Grunzen und Knurren als Rede bezeichnen will. Wir gingen zu den Pferden, die er mitgebracht hatte und ich befürchtete schon, dass jetzt ein Riesentheater anfangen würde. Aber es passierte nichts. Die Hunde blieben weiter lammfromm und ich begann mir schon Gedanken


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